Egidius hechelte wie ein gehetzter Jagdhund, als er auch die Letzte der Drillinge befriedigt hatte…
... „Schwester, du hast ihn kaputt gemacht,“ ...klagten Mai und Juli in gespieltem Entsetzen.
„Schau, gleich platzen seine Lungen!“...
„Ich bin im Paradies“, ...brummte Egidius, als sich drei nackte Engel über ihn beugten und mit geschmeidigen Leibern um sein Leben rangen. Bunte Sterne explodierten vor seinen Augen. Aber genüsslich entspannt, ließ er die Behandlungen über sich ergehen.
Erschöpft sank er schließlich in zufriedenen Schlaf.
Noch immer glaubte er, ihre schönen, heißen Körper zu spüren, als er zum Morgengesang der Vögel erwachte. Doch als er die Augen aufschlug, waren Elfenschwestern fort.
‚Was für ein wilder Traum,‘ ...dachte er bei sich, als er sich mühsam aufrichtete. Aber seine schmerzenden Muskeln bewiesen, dass es wohl doch mehr, als nur ein Traum gewesen war. Auch sein wundes Gemächt sprach Bände...
„Guten Morgen,“ ...drang da eine fröhliche Stimme an sein Ohr.
„Du hattest ja eine wilde Nacht, wie ich sehe.“
Ein grüner Jäger trat auf die Lichtung, ...und zog keck grüßend seinen Hut.
„Wir haben schon überall nach dir gesucht, Edigius Landvermesser. Der König lädt zur Jagd.“ ...fuhr er fort.
„Ah, du hast es mit den Sommerschwestern getrieben,“ ...lachte er wissend, als er die deutlichen Abdrücke im Moos studierte.
„Sie sind noch nicht lange fort,“ ...stellte der routinierte Waldläufer fest, als er mit der geübten Nase eines Fährtensuchers daran schnüffelte. Darauf reichte er dem zerzausten Galan frisch gebackenes Brot und Butter. Dazu gab es einen stärkenden Zaubertrank aus der Trinkflasche.
„Nimm meinen Umhang,“ ...grinste das freundliche Kerlchen kameradschaftlich. „Dein überarbeitetes Gemächt bietet keinen erbaulichen Anblick.“...
Als Egidius dann schließlich gestärkt war, machte er sich mit dem Königsboten auf den Weg zum Hof...
*
... „Na, wie gefällt es dir bei uns, lieber Steinhart?“ Begrüßte ihn der Herrscher mit wissendem Lächeln.
Des Landvermessers verlegenes Grinsen war ihm Antwort genug. Nur der mächtige Feenzauber konnte ihm solche Manneskraft verleihen...
„Wie du siehst, mein lieber Steinhart, geht es hier so langsam auf den Herbst zu. Die ersten Blätter färben sich schon. Und es dauert nicht mehr lange, bis sie fallen. Das Feenvolk muss sich nun bald in seine Höhlen zurückziehen. Es ist an der Zeit, für den Wintervorrat zu sorgen. Denn wenn Eis und Schnee auf dem Land liegen, zieht es mein Volk vor, behaglich unter der Erde zu leben.“
„Du bist mein Ehrengast, lieber Landvermesser. Du sollst auch die unvermeidlichen, aber gerechten Jagdpflichten mit uns teilen. Wir lieben das Wildbret, ...schätzen auch die Erregung der Pirsch. Dennoch töten wir nur um der Nahrung willen; ...oder wenn wir, wegen der Störung durch den Menschen, für notwendigen Ausgleich sorgen müssen.“
„Leider geschieht das öfter, als uns lieb ist. Denn die gleichen wohlhabenden Herren, die dich in ihrer landgeilen Habgier zu uns sandten, freveln auch in anderer Weise in unserem Wald.“
„Einerseits töten sie unser edles Getier mit unsportlichen Donnerrohren, nur um ihre Stuben mit ausgestopften Kadaverteilen zu schmücken. Andererseits setzen sie Unmengen von schießbarem Wild aus, dass dann unser Land verwüstet. Und das nur, um alten Männern, die „Ihn“ nicht mehr hochbekommen, die Lust lebender Ziele zu bieten.“
„Das nimmt groteske Züge an. Als der Hirsch bei uns beinahe ausgerottet war, bemerkten auch sie ihren verhängnisvollen Fehler. Anstatt aber ihre Büchsen ruhen zu lassen, damit sich der Bestand auf natürliche Weise erholte, setzten sie auf einmal Unmengen junger Hirsche aus. Diese unschuldigen Tiere nun, schälen in ihrem Hunger so viele Bäume, dass sie verheerenden Schaden anrichten.“
„Als Waldkönig muss ich also handeln. Auch wir jagen jetzt den Hirsch. Obgleich er gewöhnlich nicht zur Beute der kleinen Leute zählt. Aber wer, wenn nicht wir, achtet hier noch auf das Gleichgewicht?“
Steinhart war verwirrt. Nicht, dass er das Anliegen des Königs nicht verstand. Aber wie sollten diese winzigen Kerlchen einen ausgewachsenen Hirsch erlegen? Die Mammutjagd erschien ihm im Vergleich dazu beinahe wie ein Kinderspiel.
Doch wieder sollte ihn dieses wundersame Völkchen aufs Höchste überraschen.
Als die Jagdhörner erschallten, erhob sich ein wahrer Sturm. Plötzlich bebte der Boden unter gewaltigem Hufschlag.
„Es geht los! Folge mir!“ ...befahl der König in nahezu animalischer Erregung.
Auch Egidius wurde von einem wundersamen Schauer ergriffen. Es war dieses wundersame Gemisch aus Furcht und Lust, dass seine Sinne bis aufs Äußerste schärften.
Dann gewahrte er auch schon das mächtige Wild. Der Sieben Ender wurde von einer Schar angriffslustiger Bienen getrieben. Und die mutigen „Grünen Jäger“, trieben ihrerseits das Bienenvolk an, welches ihnen traditionell als Jagdmeute verpflichtet war.
Der Hirsch war völlig außer sich. Er hörte nur noch das Summen der aggressiven Stechinsekten. Für alle anderen Feinde war er in seiner Panik völlig blind.
Ein tödlicher Fehler, wie sich bald herausstellen sollte. Denn jetzt stemmte der König eine mächtige Lanze in die Höhe. Auch Egidius griff an den hölzernen Schaft. Die Waffe war fünfzehnmal so lang, wie ein Elf hoch war. Die winzigen Männlein ächzten unter der gewaltigen Anstrengung. Der Lanzenschaft war tief in den Boden gegraben. Dazu stützte sich die Jagdwaffe gegen die Wurzel einer kräftigen Birke. Unmöglich hätten unsere kleinen Jäger sonst dem Anprall standhalten können.
Die Herzen aller beteiligten Männer rasten in jagdlichem Rausch. Tatsächlich galoppierte der Hirsch direkt in die gestellte Falle. Egidius war kurz davor, sich seiner Angst zu ergeben und die kopflose Flucht zu ergreifen. Doch mit wahrhaft königlicher Ruhe, zielte der winzige Fürst auf das Herz des anstürmenden Wildes. So riss er sich zusammen und folgte dem Beispiel.
Diese Szene lief inzwischen nur noch wie in Zeitlupe ab. Dann endlich, erfolgte der gewaltige Einschlag.
„Spring endlich!“ ...schrie der König aus jetzt vollen Lungen, als die Lanze sich unter der Wucht des gewaltigen Hirsches bog ...und zu bersten drohte. Schlagartig löste sich ein magischer Mechanismus, der die Sprungfedern in Egidius Beinen plötzlich los schnellen ließ. Er schien förmlich zu fliegen.
Und das geschah auch keinen Augenblick zu früh. Da, wo unser Jagdneuling eben noch gestanden hatte, bäumte sich nun das tödlich getroffene Tier auf. Die Lanze stak tief in seiner Brust. Der König hatte gut gezielt, der Hirsch quälte sich nicht lange. Er war fast auf der Stelle tot…
„Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Da müssen heute alle mit anfassen. Dieses Wild ist viel zu groß für uns.“ ...stellte der König achselzuckend fest.
*
Am späten Abend war die Beute endlich aufgeteilt. Auch Egidius bekam selbstverständlich seinen Anteil. Einen gewaltigen Anteil. So erhielt er reichlich Bratenfleisch für sein bevorstehendes Abschiedsfest. Denn der König gab ihm höflich zu verstehen, dass er nun bald in seine Welt zurückkehren musste. Er lief Gefahr, vor seiner Zeit zu altern und zu ergrauen. Schließlich gingen die Uhren im Feenreich ganz anders….
Doch zuvor wurde das Wild weiter verwertet.
Das Geweih ging an die geschickten Handwerker, um wertvolle Werkzeuge aus dem kostbaren Horn anzufertigen. Das Fell ergab einen wundervollen Teppich für die unterirdische Halle des Fürstenpärchens. Selbst Knochen und Zähne wurden noch verarbeitet.
Was dann vom Fleisch noch übrig blieb, schenkte der Fürst den hungrigen Geschöpfen des Waldes. Schließlich ehrte man das erlegte Wesen, indem man nichts verkommen ließ...
*
Endlich rüstete man sich zum Abschiedsfest. Natürlich war es Ehrensache, den fremden Gast gebührend in seine eigene Welt zu entlassen. Dort wartete schließlich noch eine wichtige Mission auf ihn.
Und wirklich alle waren gekommen, um dem scheidenden Gast zu ehren. Die schöne Königin trug ein hautenges Gewandt von feinster Raupenseide. Die Blondine zwinkerte Egidius verlockend zu, während sie gleichzeitig auch noch ungeniert mit einigen Grünen Jägern schäkerte.
Der König grinste ein zufriedenes Lächeln dazu. Warum auch nicht? Denn die Sommerdrillinge wippten vergnügt zur Melodie der Musikanten auf seinem Schoß.
Anfänglich fühlte sich der Ehrengast noch etwas ratlos, ...ja nahezu vernachlässigt. Hatte ihn die langbeinige Feenkönigin gerade noch so verführerisch angegeilt, hatte sie doch plötzlich kein Auge mehr für ihn. Allmählich fühlte er sich etwas deplatziert, schließlich einsam und verlassen. Denn auch kein einziges der kürzlich noch so willigen drei Moosfräuleins, schien sich noch für ihn zu interessieren. Die Drillinge hatten die vergangene Nacht scheinbar völlig vergessen.
Wein und Met flossen inzwischen in Strömen. Der Braten duftete nicht nur herrlich, sondern zerging auch würzig auf der Zunge.
Doch dem Landvermesser wollte es nicht mehr richtig schmecken. Denn all die anderen Anwesenden, schienen sich nur noch für die Wintervorbereitungen zu interessieren. ...Und zuletzt dafür, mit WEM sie in diesem Jahr wohl die Höhle teilen würden. Denn niemand wollte im Winter frieren. Überall wurde heiß und heftig geflirtet. Nur Egidius würde bei diesem Spiel wohl scheinbar leer ausgehen...
Sehnsüchtig schmachtend, schielte der verschmähte Gast immer wieder in Richtung der Königin. Doch auch Violett ließ ihn nur schmunzelnd schmachten.
„Na, na, Vorsicht, Vorsicht..., junger Rüpel! ...Wendet sofort den gierigen Blick lieber von meiner Frau Gattin ab. Ihr wisst wohl nicht, was sich gehört“, ...scherzte der König da in übertrieben gespielter Eifersucht.
„Ich bin aber auch ein schrecklich unaufmerksamer Gastgeber“, ...fuhr der Waldfürst schelmisch grinsend fort und nahm einen kräftigen Schluck vom schweren Herbstmet.
„Habe ich doch glatt deine Tischdame vergessen?“
„Sie scheut das Feuer, ...schmäht gebratenes Fleisch.
Sie trinkt nur Wasser, verweist bleibt meinen Wein,
mag er auch noch so köstlich sein.
An Land fühlt die Maid sich gar nicht wohl
...sie isst lieber Fisch, als Rosenkohl...
Gleichwohl ein Feenwesen von unserer Art,
dass auf ein letztes Abenteuer mit dir harrt.
„Um diese Jahreszeit ist es schon etwas kühl im See. Doch das Seenixlein wird dir schon einheizen, das garantiere ich dir. Sie steht meiner Gattin weder in Sachen Schönheit noch an Ausdauer oder gar an leidenschaftlicher Hitze, ...auch nur im Geringsten nach.“
„Habe ich dich neugierig gemacht? Kühle dein heißes Blut am gurgelnden Strom. Dort wartet eine Überraschung auf dich, die ich eigens für dich ausgesucht habe. Ich würde sogar gern mit dir tauschen. Aber Violet hat so sehnsüchtig nach mir verlangt,“ ...lachte der Gekrönte schelmisch.
„Beeile dich. Eine Nixe wartet nicht gern!“
...Egidius war es jetzt schon etwas mulmig zumute. Am Ufer war es jetzt dunkel und frisch. Er kannte die Legenden von Seejungfrauen, welche den unvorsichtigen Wanderer mit ihren nackten Leibern locken, nur um ihn hinab in ihr feuchtes, kaltes Reich zu ziehen. Nichts war bewiesen. Doch man behauptete, dass sie die Männer dort mit Heißhunger und scharfen Zähnen verspeisten...
Als Würde der König seine Gedanken lesen, winkte er nur grinsend ab. Darauf schenkte er Egidius den Becher voll. „Probiere mal diesen, der erwärmt dich von innen. Und standfest, macht er auch...“
Das Getränk verfehlte seinen Zauber nicht. Egidius Blut schien plötzlich zu kochen. Er brauchte dringend eine Abkühlung...
Die Nixe
Feenzauber - Teil 4
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