Die Schokospalte

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Die Schokospalte

Die Schokospalte

Anita Isiris

… Nein, nicht was ihr denkt. Ich habe viele dunkelhäutige Freundinnen und beabsichtige nicht, sie zu diskriminieren.
Es ging allmählich auf Weihnachten zu. Die Tage wurden kürzer, graue Nebelschleier und Dunkelheit senkten sich übers Liebefeld, einen Vorort von Bern, der ein Industriestandort ist und keineswegs hält, was sein Name verspricht. Abend für Abend, zur Stosszeit, war der Trolleybus aber mit vielen ausnehmend hübschen Frauen gefüllt, die in der Stadt Bern arbeiteten und irgendwo im Liebefeld in bescheidenen Mietwohnungen lebten. Das entging auch dem arbeitslosen Bäcker Rolf Wenger nicht, der vor Jahresfrist seine kleine Konditorei hatte schliessen müssen und seither von der Fürsorge lebte, weil sich vor ihm ein enormer Schuldenberg auftat. Rolf Wenger war ein Träumer. Ein Tagträumer, der im Grunde auch ohne Erwerbsleben die Zeit wunderbar verbringen konnte. Er war besessen von weiblicher Schönheit. Nein, wir reden hier nicht von Playboy-Centerfolds, die dümmlich in die Kamera lächeln. Wir reden nicht von der Miss Schweiz 2004, die sehr wohl einiges für sich hat, aber doch unnatürlich entrückt wirkt auf Plakatwänden, Magazin-Covers und im Fernsehen. Nein, Rolf Wengers Herz schlug für die "ganz gewöhnliche Frau von nebenan". Schon in der Grundschule hatte er einen scharfen Blick gehabt für die Mütter seiner Kollegen, 30-40jährige Frauen, die in ihm ein Kind sahen und, ohne viel zu überlegen, ihm auch mal, nur in ein Badetuch gehüllt, die Tür geöffnet hatten damals. Rolf Wenger hatte ein fotografisches Gedächtnis und erinnerte sich zum Beispiel bestens an Frau Probst, die Mutter von Marc, der er einmal für den Bruchteil einer Sekunde zwischen die Beine hatte schauen können, während sie ihr Badetuch zurechtrückte. Ihr dunkles Schamhaar war noch nass, sie hatte soeben geduscht. Die meisten Frauen rasierten sich in den 70er Jahren noch nicht.

Rolf Wenger war besessen von der weiblichen Scham. Nicht dass ihn Brüste nicht auch fasziniert hätten und was der schönen Dinge mehr sind. Auch der Frauenhintern faszinierten ihn in ihrer Apfel-Pfirsich-Unschuld, aber eben: Seine wahre Liebe galt der Spalte oder, etwas dezenter ausgedrückt, der Lücke an derjenigen Stelle, wo weibliche Beine zusammentreffen. Rolf Wenger war eben erst 43 Jahre alt geworden. Besessenheit gehört wohl eher zur Lebenswelt von Teenies, könnte man denken. Rolf Wenger aber dachte mindestens 43 Mal am Tag an die weibliche Spalte. Er liebte die Lücke, die sich bei seinen Kolleginnen, die er im Fitness-Center traf, unter den Leggings abzeichnete. Sein Herz schlug für nasse Badeanzüge, die körperliche Details für ihn sichtbar machten. Tiefer gehende Beziehungen zu Frauen waren allerdings nie sein Ding gewesen. Er sah gut aus und hinterliess bei vielen Frauen den Eindruck eines Unterhalters und Beschützers. Auch seine grossen, kräftigen Hände sprachen für Rolf Wenger. Damit knetete er in seiner erfolgreichen Zeit als Konditor jeden Morgen um 01.00 Uhr Brötchen, die er dann ab 06.00 Uhr eigenhändig unter die Leute brachte. Oh ja, er hatte viele Stammkundinnen, der Rolf Wenger – oft auch ehemalige Schulkolleginnen, die mit kleinen Kindern an der Hand lachend seinen kleinen Laden betraten. Verliebt war er eigentlich in jede, denn jede Frau besass ja eine "Lücke", oder, etwas vulgärer ausgedrückt, eine "Spalte". Natürlich behielt er seine Leidenschaft für sich. Rolf Wenger sammelte selbstverständlich auch Spaltenbilder. In der Playboy waren sie nicht zu finden, sehr wohl aber in "Penthouse", in "Men Only" und in "Club". Dann kaufte er sich 1995 seinen ersten Computer und bestieg das Internet. Seine Sammelleidenschaft feierte ab diesem Moment Urständ. Gigabyte um Gigabyte lud er sie sich runter, die Spalten, bei

www.voyeurweb.com,
www.book-mark.net,
www.abbywinters.com,
www.atkgallery.com
www.projectvoyeur.com.

Die täglich neu hinzukommenden "Lücken" raubten ihm den Schlaf. Um 01.00 Uhr begann seine Arbeit in der Backstube, er musste also jeweils gegen 00.30 Uhr seinen PC widerwillig verlassen und sich in seine Bäckersuniform stürzen. Der Laden brachte aber viel Geld; Rolf Wengers Sortiment war enorm. Ende 2003 wurde er dann arbeitslos. Die Bedürfnisse seiner Kundinnen hatten sich gewandelt, Grossverteiler wie Aldi und Lidl machten sich daran, die Schweiz zu überziehen und die helvetische Migros verfeinerte ihr Delikatessensortiment. Sie machte damit jedem Privatbäcker auf ruinöse Weise Konkurrenz. Über Jahre hinweg lebte Rolf Wenger unter einem Damoklesschwert – und eines Tages stürzte besagtes Schwert hernieder und zerstörte seine kleine und liebevoll gepflegte Konditorei. Rolf Wenger stand unter Druck und musste handeln. Da musste ein Kassenknüller her, ein Ding, dessen Produktion Spass machte und mit dem sich auch noch Geld verdienen liess. So erfand er die Schokospalte. Monatelang arbeitete er in seinem kleinen Dachzimmer, dessen Miete er mit Sozialhilfe berappte, am Design der Delikatesse, die von der Stadt Bern aus in die Welt hinein strahlen würde. Endlich hatte er die perfekte Spalte vor sich. 3-D-Computerprogramme hatten ihm dabei geholfen. Dutzende von Fotos hatte er zu Hilfe genommen, besagte Stelle heran gezoomt und sich im Lauf der Zeit mehr "Lücken" zu Gemüte geführt als mancher Gynäkologe oder Fotograf. An der Volkshochschule besuchte er Projektmanagementkurse und Ideenseminare – ohne allerdings auch nur einer einzigen Menschenseele anvertrauen zu können, welch grosses Ding ihm da vorschwebte. Ob sich eine Schokospalte überhaupt unter die Leute bringen liess? Mit Osterhasen gab es ja keine Probleme, auch Schokoladetafeln verkauften sich gut – selbst in unergonomisch dreieckiger Form, wie das zum Beispiel bei der bekannten Toblerone der Fall ist. Zuallererst benötigte Rolf Wenger ein Übungsmodell. Welche Frau würde aber bereit sein, ihre Schamlippen in Schokolade giessen zu lassen? Flüssige Schokolade war naturgemäss heiss, und was heiss ist, schmerzt. Naturgemäss. Zudem… – war die Situation nicht etwas peinlich? Man stelle sich eine Frau vor, unten nackt und fein säuberlich rasiert, auf einem Untersuchungstisch in einer Bäckereistube liegend. Vor ihr ein Mann, mit hochrotem Kopf, der ihr Genital einmehlt, damit die Schokolade, mir der er ihre Spalte übergiesst, nicht kleben bleibt. Auskühlen, den Guss sorgfältig entfernen – und ab damit ins Schaufenster des Ladens. So ging das natürlich nicht, das war sich auch der Fanatiker Rolf Wenger bewusst. Das mit den Modellen in der Bäckereistube ging ja noch an – aber die Vermarktung? Der Laden gehörte ja nicht mehr ihm – eine Schokospaltenausstellung im Schaufenster stand ausser Frage. Rolf Wenger sah jedoch die Lösung vor sich: Das Internet! Hier wurden sogar bizarr geformte Cornflakes und obszön gestaltete Möhren versteigert – dort, im World Wide Web, würde doch bestimmt Platz sein für Schokospalten? Sie waren ja qualitativ auf höchstem Schweizer Niveau und über Monate haltbar – im Gegensatz zu Edeltrüffeln beispielsweise.

Rolf Wenger machte sich auf die Suche nach seinem ersten Modell. Seine alte Backstube gehörte ihm noch, nur der Laden war von der Gewerbepolizei geschlossen worden. Einen ganzen Tag lang reinigte Rolf Wenger seine zukünftige Produktionsstätte. Er kaufte sich die Adresse "http://www.schokospalte.ch" und erwarb übers Internet einen Untersuchungstisch. Dann verfasste er ein Zeitungsinserat, das er mehrmals in der Berner Zeitung erscheinen liess. Es gab da die übliche "Bekanntschafts-Ecke". "Zäme schifahre" ("zusammen skifahren") hiess es da etwa, oder "zäme musige" ("zusammen musizieren"). Rolf Wenger erweiterte die Inserate-Seite um die Rubrik "zäme bache" ("zusammen backen") und suchte eine "herzliche, spontane unkomplizierte Frau zwecks kulinarischem Experiment". Es meldeten sich Dutzende von Frauen, zum Teil gleich mit Foto. Rolf Wenger traf eine Warenhausverkäuferin, die 21jährige, etwas dralle Monika Beerle. Er lud sie gleich zu einem Kaffee ins Liebefeld ein und schilderte ihr sein Projekt. Monika senkte peinlich berührt den Blick, prustete dann aber los. Rolf Wengers Ansinnen schien ihr derart bizarr, dass sie sich nicht mehr beherrschen konnte. "Also gut, ich mache mit", versprach sie dem völlig verunsicherten Profi-Konditor, und die beiden vereinbarten einen ersten Produktionstermin in der Bäckereistube. Monika Beerle erschien frisch geduscht, mit streng nach hinten gekämmtem Haar. Sie sah aus wie eine Schwimmerin. Rolf Wenger erschien sie deutlich hübscher als beim ersten Treffen. Ihr lindgrünes Kleid verstärkte das Strahlen ihrer Augen. Er bot ihr ein Bayliss an und besprach mit ihr das Prozedere. Das Kleid durfte sie selbstverständlich anbehalten, nur das Höschen musste sie ausziehen. Er würde ihre Venus mit Mehl bepudern und dann den Schokoguss vorbereiten. Monika Beerle wurde feuerrot im Gesicht; Rolf Wenger ebenso. Aber gesagt getan. Sie kletterte auf den Untersuchungstisch und präsentierte dem gelernten Bäcker ihr Geschlecht, das sie liebevoll rasiert hatte. Der Anblick der nackten Schamlippen liess Rolf Wenger in den siebenten Himmel entschweben. Sanft bepuderte er das Genital der Warenhausverkäuferin mit Mehl. "Damit der Schokoguss nicht kleben bleibt", erklärte er und blickte ihr ernst in die Augen. Monika Beerle nickte wortlos. Rolf Wenger richtete eine Spotlampe auf ihre "Lücke". Wie viele dralle Frauen hatte auch Monika Beerle prächtige, pralle Schamlippen, die sich für ein Schoko-Negativ perfekt eigneten. Als er Monikas Muschi mit heisser Schokolade beträufelte, stöhnte das "Modell" kurz auf, beruhigte sich aber rasch. Das Auskühlen dauerte auf Grund von Monikas Körperwärme länger als erwartet. Bald darauf hielt Rolf Wenger das Kunstwerk, das die Konditorenwelt verändern sollte, in seinen Händen. Er konnte kaum den Blick davon lösen; das Produkt würde bestimmt berühmter als Berner Bär und Toblerone zusammen. Monika reinigte sich und zog sich unbeobachtet an. "Tschüss", rief sie ihm zu und verliess behände die Bäckereistube, während der Meisterkonditor noch immer fasziniert die Schokomuschi fixierte. Auf das vereinbarte Honorar verzichtete Monika Beerle, froh, dass sie nicht missbraucht worden war. Und Rolf Wenger? Er stellte den Schokoschamlippenguss auf seinen Nachttisch und knipste die kleine Lampe an. Sein Penis war schon sehr lange steif und schmerzte. "Monika", flüsterte er immer wieder, "Monika". Dazu rieb er an seinem schweren Glied.
Mitten im Orgasmus ereilte ihn leider ein Herzinfarkt und riss ihn aus seiner Wonne. Für immer. Die Schokospalte kam nie in den Verkauf.

Für die UnternehmerInnen unter euch LeserInnen: Auch die Adresse "http://www.schokospalte.ch  ist wieder zu haben. Nur, damit ihr informiert seid. Für alle Fälle oder so.

Ein frohes Weihnachtsfest und ein besinnliches neues Jahr wünscht euch
Anita

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Eine Geschichte für Genießer!

schreibt michael_direkt

Liebe Anita, schon viele Deiner erotischen Geschichten haben mich sehr erfreut! Du schreibst mit viel Einfühlungsvermögen und großer Fantasie! Du hast auch immer wieder einen guten Anteil Humor dabei. Deine Beschreibungen sind so einfühlsam, dass ich mich immer "direkt dabei" empfinde. Und diese Schokospalte-Geschichte ist super schön! Sie verbindet den Schokoladengenuss (mag ich sehr!) mit dem erotischen (mag ich noch mehr!!). Eine tolle Idee! Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute und mir immer wieder die eine oder andere genussvolle erotische Geschichte von Dir! Herzlichen Gruß, Michael

Gedichte auf den Leib geschrieben