Die Strafe und die Unterwerfung

Das Etablissement II

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Die Strafe und die Unterwerfung

Die Strafe und die Unterwerfung

Joana Angelides

Der Prior hob im Namen des kranken Abtes die Tafel dann etwas früher auf und wünschte allen eine gute Nacht, die ja sehr kurz war, denn um 4.00h früh war schon wieder Tagwacht, da trafen sich wieder alle in der Kapelle um gemeinsam zu beten.
Sie machten sich daran, den Speisesaal zu verlassen.
„Pawlow, Du bleibst da! Ich denke, ich bin Dir noch was schuldig!“, die Stimme von Prior Kyrill klang streng und der junge Seminarist zuckte zusammen. Er wusste, was der Prior damit meinte und bekam sofort einen Schweißausbruch.
Er blieb mit gebeugtem Kopf stehen, die Hände vorne zusammengekrampft in den Ärmeln des Kaftans versteckt.

„Die Strafe muss sein und Du musst Gott danken, dass er Dir dadurch Vergebung schenkt!“, damit drängte er ihn vor sich her.
Als sie im Raum des jungen Seminaristen waren, blieb dieser in der Mitte stehen und harrte dessen, was da kommen wird. Er war erst seit einigen Wochen in dem Seminar und es war seine erste Strafe.
Der Prior legte seine Soutane ab und stand nun mit nacktem Oberkörper vor dem Burschen.
„Hole den Schemel, er steht dort in der Ecke und dann ziehe deine Kutte aus, lege Dich über den Schemel und umfasse mit beiden Händen die vorderen Beine und halte Dich daran fest!“
Er tat wie ihm geheißen, ohne zu wissen, was ihm bevorstand.
Der Prior nahm die Peitsche, die in jedem der Räume an der Wand hing und trat hinter ihm. Die Peitschen waren ja auch zur Selbstgeißelung gedacht und aus hygienischen Gründen, hatte eben jeder Insasse seine eigene. Nur für die öffentliche Auspeitschung wurden extra präparierte Weidenruten verwendet, die dann jedes Mal anschließend weggeworfen wurden.

Er betrachtete den jungen Körper. Er war offenbar durchtrainiert, kein Gramm Fett war daran. Seine Pobacken waren zusammengezogen und zuckten. Die Muskeln auf seinem Rücken zuckten ebenfalls und spielten verrückt, der ganze Körper drückte Angst aus.
„Du bekommst nun die zehn auferlegten Hiebe, ich werde sie Dir langsam geben, also keine Panik!“
Ohne dass Kyrill es verhindern konnte, spürte er, wie die Erregung sich langsam an seinem Körper herauf fraß.

Pawlow konnte nicht wissen, dass gerade die langsame Verabreichung der Hiebe das Teuflische war. Es war seine erste derartige Strafe. Bisher war er mit Gebeten davongekommen.

Ein kaum wahrnehmbares Geräusch in der Luft, ein kurzes Pfeifen wurde hörbar und die Peitsche fand ihr Ziel zum ersten Hieb. Der Prior legte seine ganze Kraft hinein.
Der Atem Pawlows stockte, der Schmerz bahnte sich seinen Weg. Er fraß sich rasend schnell durch seinen Körper, scharf und beißend, erreichte in mehreren Wellen das Gehirn und begann sich dort auszubreiten, explodierte und floss wieder zurück.

Vom Moment an, wo die Peitsche das anvisierte Ziel erreichte, den Schmerz durch den Körper jagte, bis zum befreienden Schrei vergingen nur Sekundenbruchteile, eine kleine Ewigkeit.
Nun wütete er, zerriss seine Nerven, jagte Signale durch den Körper, ließ ihn sich aufbäumen und alles rundherum vergessen. Rote Kreise begannen sich zu drehen und wurden zu einem Feuerball.

Langsam ebbte er ab. Das war der Moment, wo der zweite Hieb kam, mitten in die abklingende Kurve traf und den Schmerz neuerlich auf den Weg schickte. Diesmal war er stärker, kannte den Weg zum Gehirn schon, bis in die letzte Nervenzelle, peitschte sie auf, ließ sie rot glühen und tausend Messer in seine Nervenbahnen schicken, sie begannen zu vibrieren und zu singen wie Drähte unter Strom.
Nun brüllte er los, Speichel rann aus seinem Mund.

„Schreie nicht, sondern bedanke Dich, es ist nun einmal die Strafe Gottes, der Du Dich unterwerfen musst!“, zischte der Prior, auf das Äußerste erregt.

Alles war rot, hinter seinem Augapfel begann das Blut in einem roten Schleier zu fließen, zuckende Blitze erhellten das Innere und seine Schreie gingen nun nahtlos in leises Wimmern über, und sobald der Schmerz das Gehirn durchlaufen hatte und etwas abebbte, kam der dritte, wieder wohl dosierte Schlag. Und so ging es nun Schlag auf Schlag und Pawlow dachte, jeden Augenblick ohnmächtig zu werden.
Er konnte die Hiebe nicht mehr zählen, jeder riss den Körper in die Höhe, immer wieder wurde alles rot, der Schmerz begann sich bei jedem Mal erneut tief in das zuckende Fleisch zu bohren. Es war unerträglich und brachte den Körper zum Sieden.
Kyrill machte das nicht zum ersten Mal, er wusste um die Wirkung der Intervalle.

Bis ein Adrelaninstoß den Schmerz plötzlich relativierte und der Körper Endorphine ausschüttete, die allen Schmerz vergessen und Pawlow nur mehr fliegen ließen.
Nun merkte der Körper erst, dass er erregt war. Alles Blut schoss in sein Lustzentrum und nun schrie dieser geschundene Körper, den Schmerz nur mehr als Erinnerung im Hintergrund, nach Erlösung.

Der Schmerz war nur Vorbereitung, ein Öffnen der Empfindungen und zärtliche Hände bereiteten nun die nächste Explosion vor, strichen über empfindsame, erogene Stellen, verstärkten aufkeimende Gefühle, lösten eine ganze Perlenkette an Empfindungen und Lust aus, und es folgte Stoß um Stoß. Kyrill rammte sein Schwert tief zwischen die zuckenden Pobacken in Pawlow hinein, hörte seine              Schreie, sah seine in der Luft herum rudernden Arme und das schmerzliche Gurgeln aus dessen Mund, das aber dann plötzlich mit wollüstigem Keuchen endete.

Sein Körper bäumte sich in einem ungeheuren Furioso immer wieder auf und verglühte.

Was war nun geschehen? Die Körper der beiden Männer waren aneinandergepresst, die Peitsche lag am Boden, Kyrill strich zärtlich über Striemen Pawlows, küsste seine wunden Stellen, ließ seine Zunge das Blut lecken und flüsterte zärtliche Worte. Pawlow genoss Letzt endlich diese Zärtlichkeiten, spürte den Schmerz nur mehr im Hintergrund. Es war ja nicht das erste Erlebnis solcher Art, doch noch nie war es gepaart mit diesem wahnsinnigen Schmerz.

Kyrill richtete sich ruckartig auf und erwachte wie aus einem Traum. Er musste sich erst zu Recht finden, wo er war, was geschehen war. Pawlow lag noch immer auf dem Schemel, nein hing mehr als er lag, vor ihm. Was war nur über ihm gekommen, konnte er sich nicht zurückhalten? Oh, er hatte es gewusst! Irgendwann würde es geschehen, aber dass es so unbeherrscht über ihn kommen wird, so animalisch und elementar, das erschreckte ihn. Ein undefinierbarer Laut entwich seiner Kehle.
Er streckte seine Hand aus, um Pawlow aufzuhelfen und berührte ihn. Dieser zuckte zusammen und stieß einen leisen heiseren Schrei aus. Er richtete sich jedoch alleine auf.
Die beiden Männer standen sich nun Angesicht zu Angesicht gegenüber und starrten sich an. Kyrill erschrak. Der bisher sehr unterwürfige, demütige, oft auch bewundernde Blick des Knaben war wie weggeblasen. Es traf ihn ein erstaunter, prüfender Blick. Keine Spur mehr von Bewunderung, sondern mehr Verachtung und Zorn war zu sehen.
Pawlow bücke sich und hob die Peitsche auf.
„Diesen Zorn Gottes kann ich auch bemühen? Es wird doch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir eine Peitsche verwenden?“.
Kyrill war so verblüfft über die Veränderung des Knaben, dass er nur nicken konnte.
„Dann hatten Sie ja heute ihren Spaß, Prior. Bitte verlassen Sie mich nun, ich brauche Zeit und Sammlung. Wir sehen uns beim Frühgebet“.

Und nun geschah das Unerwartete, Ungewöhnliche. Prior Kyrill raffte seine Soutane zusammen, schlüpfte in seine Sandale und verließ rückwärtsgehend dem Raum.
Er war offensichtlich der, der unterworfen wurde!

Er rannte fast in seine Kemenate, warf die Soutane auf das Bett und kniete dann minutenlang nackt unter dem Kruzifix und betete. Er fühlte sich plötzlich so schuldig und sündig, dass er nun selbst zu seiner eigenen Peitsche griff und sie erbarmungslos über die Schulter auf seinen Rücken schlug, bis er fast zusammenbrach. Dabei betete er laut weiter.
Sein Körper und alle Sinne waren angespannt. Echte Verzweiflung ergriff ihn und er verwünschte sich selbst ob seiner Begehrlichkeiten.
Niemals könnte er das Geschehene dem Beichtvater bekennen, ohne seine Autorität zu verlieren. Pater Anastasios müsste es am Buß-Freitag öffentlich vorlesen und ihn danach coram publikum auspeitschen lassen. Das ist, wie bisher auch, glattweg unmöglich. Diesen Gedanken konnte er gar nicht zu Ende denken.
Außerdem wäre das Fazit, dass er offiziell jeglichen Kontakt zu Pawlow meiden müsste und das schien ihm in seiner derzeitigen Verfassung und unter der Lage der Dinge, unmöglich. Dieser Abend hatte die Schleusen zu seiner ganz privaten Hölle geöffnet. Es lag ein Pfad vor ihm, der ihn zwar erschreckte aber gleichzeitig in einen Zustand der Verzweiflung, Geilheit, Unterwürfigkeit und Euphorie gegenüber Pawlows führte.

Der Ausweg aus dieser Zwickmühle war, wie bisher, eine Beichte bei seinem Sub Prior Jarolym. Nur so könnte er dem ewigen Fegefeuer entgehen. Sie waren ja immerhin zwei gleichgeschaltete Seelen. Das wurde bisher schon auch von den Mitbrüdern so akzeptiert.
Er auferlegte sich noch einige Gebete und ging dann zu Bett.

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