"Na, Kleine, alles in Ordnung?" fragt er. Er liegt da, ganz entspannt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Ich hasse es, wenn man mich Kleine nennt!
"Natürlich," gebe ich zurück. "Was soll denn sein?" "Ich dachte nur," meint er, "vielleicht bist du ja nicht damit einverstanden, dass ich einfach so eine Woche alleine in Urlaub fahre." Ich spüre den unwiderstehlichen Wunsch, ihn zu ohrfeigen. Natürlich bin ich damit nicht einverstanden. Aber er hat es ja mehr als deutlich gemacht, dass ihm das völlig egal ist. "Nein, nein, fahr du nur," lüge ich. "Ich werde mich schon amüsieren in der Zeit."
Er runzelt die Stirn. "Amüsieren, was soll denn das heißen?" Sieh an, sieh an – er fährt ohne mich weg; mit Sicherheit ja nicht, um dann im Hotelzimmer zu versauern, und ich soll in dieser Zeit wohl als Nonne leben, oder was? "Du weißt," erklärt er sehr streng, "dass wir ausgemacht haben, keine Seitensprünge."
"Was du immer gleich denkst," wehre ich ab. "Als ob man nur mit einem Mann eine schöne Zeit erleben könnte! Nein, ich wollte mich endlich wieder einmal mit Katrin treffen." Katrin ist meine beste Freundin, und er kann sie nicht ausstehen. "Oh Gott," stöhnt er auch schon. "Ausgerechnet!"
Eigentlich liegt er schon ganz passend da; jetzt müsste ich ihn nur noch irgendwie fixieren; und dann kann ich über ihn herfallen und an ihm mein Mütchen kühlen. Ich erschrecke. In der letzten Zeit habe ich immer solche furchtbaren Fantasien davon, wie ich ihn schlage und quäle. Ich kenne das; solche Phasen habe ich immer wieder, seit Jahren. Bisher ist es mir jedes Mal erfolgreich gelungen, die hungrigen Mäuler wieder zurück in die Kiste zu drängen und den Deckel zu schließen. Aber sie werden immer größer, immer kräftiger; ich weiß nicht, wie lange ich sie noch einsperren kann. Das würde mich jetzt feucht machen, ihn solange auszupeitschen, bis er aufschreit und um Gnade winselt, dieser arrogante, überhebliche, unausstehliche Mistkerl!
Warum, zum Teufel, bleibe ich eigentlich bei ihm? Oh, verdammt, weil ich ihn liebe.
Ich bin also selbst schuld.
Am nächsten Morgen zischt er ab; strahlendster Laune. Deprimiert schleiche ich durch den Tag; habe abends nicht einmal genug Energie, Katrin anzurufen. So geht das bis zum Donnerstag; vier unerträglich lange, leere Tage lang.
Am Freitag morgen ruft sie mich an. "Lass uns ins Kino gehen heute Abend," schlägt sie vor. "Es kommt ein Superfilm, den muss ich unbedingt sehen. Bloß, alleine habe ich keine Lust." "Ich verstehe es natürlich," fügt sie nach einer kleinen Pause hinzu, "wenn du lieber zuhause bleibst. Ich weiß ja, dein Stecher mag es nicht, wenn du ohne ihn ausgehst; und schon gar nicht mit mir."
Die Sätze treffen mich wie Millionen kleiner Nadelstiche. So weit ist es also schon mit mir gekommen, dass ich mir mein Leben von ihm führen lasse. Was sie sagt, ist brutal – und damit meine ich weniger ihre fantasievolle Bezeichnung für ihn -, aber, verdammt, es ist wahr. Er bestimmt über mich, und ich lasse es mir gefallen. Das muss aufhören! "Klar komme ich mit," erkläre ich entschlossen.
"Das ist ja ein Pornokino," rufe ich entsetzt, als wir gemeinsam ankommen. Sie zuckt mit den Achseln. "Na und? Seit wann bist du denn so prüde geworden?" Innerlich die Augen verdrehend, lasse ich mich mitschleifen.
Und bin, nach dem Gekicher während der Werbung, von der ersten Minute an wie elektrisiert von dem Film.
Es geht um das, was ich meine hungrigen Mäuler nenne; eine Frau, die ihre Männer (einer reicht ihr natürlich nicht) wie Sklaven, wie Hunde hält; sie fesselt, auspeitscht, mit Nadeln und Klemmen foltert, mit heißem Wachs und kaltem Eis.
Es ist, glaube ich, ein schlechter Film; von Liebe merkt man dabei nichts. Es geht einfach nur darum zu quälen. Aber egal – mich trifft es bis ins Mark, und ich bin total aufgewählt. So sehr, dass mich nicht einmal dieser Wichser schräg vor uns stört. Obwohl, wenigstens könnte er etwas leiser stöhnen, wenn er sich im nahezu vollbesetzten Kino einen herunterholt!
Er nervt wirklich. Wie soll man sich denn dabei auf den Film konzentrieren? Mich packt die Wut.
Und als sein Ächzen nach einem nahenden Höhepunkt klingt, lehne ich mich plötzlich vor und zische herrisch: "Schluss jetzt! Das kannst du nachher zuhause machen!"
Er erstarrt. Kurz sieht er sich nach mir um, nickt. Und schon herrscht Ruhe.
Das gibt es ja nicht – er hört auf mich! Er hört auf mich, während ich keinesfalls lieb und höflich bitte, wie ich das gewohnt bin, sondern ihn einfach nur giftig anfahre!
Vielleicht sollte ich das bei meinem "Stecher" auch einmal versuchen? Wenn ich lieb und höflich bin, macht er ohnehin einfach nur weiter, was er will.
Ja, ich denke, die Zeit ist wirklich gekommen, dass wir es einmal anders herum probieren. Meine ganze Kompromissbereitschaft, mein ständiges Nachgeben, meine Nettigkeit, wohin haben sie mich geführt? Dahin, dass er mir auf der Nase herumtanzt!
Damit ist jetzt Schluss. Sobald er wieder da ist, werde ich andere Seiten aufziehen. Und entweder spurt er dann, lernt es, auf mich und meine Belange Rücksicht zu nehmen, oder ich trenne mich von ihm. Ich habe es so satt, den Fußabtreter zu spielen; das macht auf Dauer keine Liebe mit.
Am nächsten Tag mache ich einen kleinen Einkaufsbummel. Ich bin lange unterwegs, denn ich weiß nicht, wo ich kriegen kann, was ich suche. Ein paar normale Sexshops besuche ich; aber was dort geboten wird, ist weitgehend Schrott. Endlich finde ich ein kleines Geschäft mit dem Namen SMile. Na, wenn das nicht das richtige ist, denke ich bei mir.
Es ist; und ich bekomme meine Hand- und Fußfesseln, einen Knebel, eine Reitgerte, eine kleine Anfängerpeitsche. Und wo ich schon einmal dabei bin, werde ich vollends leichtsinnig und verpulvere insgesamt fast das Gehalt einer Woche für dieses Zeug und einen wunderschönen, hochgeschlossenen Anzug aus dünnem Lack. Passende hochhackige Schuhe habe ich.
Als er am Sonntag Abend eintrifft, immerhin pünktlich zur verabredeten Zeit, erwarte ich ihn keineswegs mit einem Abendessen und lauter liebevollen Fragen, wie er es bestimmt erwartet hat, sondern in diesem Anzug und High Heels.
Er wirft einen Blick auf mich und beginnt zu grinsen. "Na endlich," sagt er. "Ich hatte schon Angst, ich muss noch gemeiner werden zu dir, damit du dich endlich traust! Hat Katrin mitgespielt, wie sie es versprochen hat?"
Ich bin sprachlos. Aber ich weiß ja jetzt, wie ich damit umgehen muss, wenn ich sauer auf ihn bin. "So, so, das war also alles ein abgekartetes Spiel," sage ich gedehnt. "Na, wir werden sehen, ob du dich in einer Stunde darüber auch noch so sehr amüsierst ..."
Die hungrigen Mäuler
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