Ich umfaßte sachte ihren linken Knöchel, befühlte ihn ausführlich und murmelte versunken:
„Ich kann keine Schwellung fest stellen. Vermutlich muß das Gelenk lediglich etwas massiert werden, damit es zu schmerzen aufhört.“
Ich wußte genau, welche verblüffend erotisierende Wirkung die Massage der Fußknöchel herauf beschwören kann. Gleichzeitig bereitete ich mich auf das unvermeidliche Spiel vor, das die reizvolle Jungfrau inszenieren würde, um ihre Ehre zu verteidigen. Ihre unschuldig drein blickenden großen runden Mädchenaugen signalisierten mir bereits, daß Ornella gedachte, ihre Standhaftigkeit wie einen goldenen Schild vor sich her zu tragen. Doch ich kannte das Phänomen, das dieser scheinbar unvernünftigen Haltung zugrunde lag, bereits aus vielen anderen Erfahrungen mit dem schöneren Geschlecht. In dem Weib herrscht stets ein Widerstreit zwischen ihren Gefühlen, die zu körperlicher Nähe regelrecht Ja schreien sowie sich bereitwillig hingeben wollen und dem kontrollierenden Verstand, der sie mit all ihren Erziehungs Dogmen und kirchlichen Regeln hemmt. Auf diese Weise wird jedes Weib zur Heiligen erzogen, während in jedem Weib auch die lustvolle Dirne steckt. Männer, die in ein und demselben Weib beides suchen, müssen nur lernen, den jeweils gewünschten Seelenanteil in ihrer Liebsten zu erwecken und den unerwünschten für eine gewisse Zeit vergessen zu lassen.
Ich beobachtete aufmerksam wie sich die Augen der jungen Gräfin verschleierten und erahnte welch köstlicher Liebestau sich in ihrem unberührten Schoß sammelte.
Einmal schloß sie für eine Minute ihre Augen, leckte sich unbewußt mit ihrer vorwitzigen kleinen Zungenspitze über die Oberlippe und stöhnte wohlig.
Doch als ich das Kleid bis zu ihren Knien hinauf schob und begann, die Kniekehle zu streicheln, öffneten sich die Augen mit einem vorwurfsvollen Blick und sie sagte empört:
„Aber werter Don Juan! Ihr werdet die Situation doch wohl hoffentlich nicht ausnutzen wollen! Denkt nur an die Gastfreundschaft und die Ehre des Grafen, von der meinen mal ganz abgesehen.“
Die Kunst der Liebe
aus "Die amourösen Memoiren des Don Juan"
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