Karin Kranz putzte ihr Küche. Wie jeden Samstag morgen räumte sie alle Regale aus, in denen sich der ein- Wochen alte Schutt der Großstadtluft ablagert hatte, putze jedes Brett mit einem neuen Mikrofasertuch fein säuberlich ab und kontrollierte die Lebensmittel auf ihr Verfallsdatum. Danach untersuchte sie mit einer Lupe die kleinen Löchlein, die für ein Verstellen der Regalbretter vorgesehen waren, auf die Ablage von Motteneiern. War dies der Fall, stellte sie das vor ein Problem. Erstens waren die Eier Zeugnis für die Verunreinigung der Lebensmittel, und das ekelte sie. Zweitens wusste sie nicht, wie sie dieser im status nasciendi begriffenen Plage auf eine angemessene Art Herr, oder sagen wir korrekt: „ Frau“, werden sollte. Sie griff in solchen Fällen zu einer kleinen Häkelnadel, bespritze diese mit Anti-Insektenspray und pulte die Eier aus den Löchlein. Würgereiz überkam sie in diesen Momenten, doch es hieß durchzuhalten. Denn wirklich übel war es, wenn, zB nach einem längeren Urlaub, die kleinen Motten aus den Eiern geschlüpft waren, mit ihren wirrenden Flügeln durch die Küche flogen, und - noch schlimmer - bald kleine, mottenfadenumsponnene Kokons hoch oben an der Decke ihrer Küche klebten.
Aus diesem Grund nahm sie die widerwärtige Prozedur der Häkelnadelmottenaustreibung auf sich. War dies erledigt, räumte sie Essenspackung für Essenspackung wieder einzeln zurück ins Regal, nicht aber ohne jede vorher sorgfältig mit einem neuen Schwämmchen abzuwischen. Danach putzte sie die Fenster und kontrollierte die Scheiben nach abgelegten Fliegenschiss. Als Karin Kranz heute zum glasklaren Fenster herausschaute, sah sie wieder den Exhibitionisten von der gegenüberliegenden Seite. Der Exhibitionist war ein schöner Mann, das hatte Karin Kranz schon gesehen. Sie verstand einfach nicht, wieso so einer so was tat. Seit Wochen schon stand er ab der Mittagszeit auf seinem sonnenbeschienenen, leider vollkommen unverblümten Balkon und wichste sein großes Glied. Sie blickte verschämt auf ihren hochpolierten Weißkachelboden und entdeckte dadurch leider noch einen kleinen Fleck, der ihr beim letzten Putzvorgang sträflicherweise entgangen war. Er stammte vom letzten Schwarzteebeutel, der beim Hineinwerfen in den Kompostmülleimer wohl gespritzt hatte. Unverzeihlich, wie sie fand. Sie hatte sich für solche Fälle nur für sie bestimmte Strafen ausgedacht, die sie vor dem Schlimmsten schützen sollten. Letztes Mal war diese Strafe 1 Woche absolutes Masturbationsverbot gewesen. Das aber war Karin sehr schwer gefallen. Nachts hatte sich ihre eigene Hand vorsichtig ihrem Geschlecht genähert, als sie meinte, es gar nicht mehr auszuhalten zu können. Doch dann war ihre Hand im letzten Moment vor Angst und Scham zurückgewichen. Dieses Mal, so fand sie, verlange das Verspritzen des Teebeutelinhalts nur eine mildere Strafe, und sie erlegte sich für heute ein Duschverbot auf.
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