Dann kam Vivian und plötzlich war alles anders. Sie war zutiefst überrascht, ihren nächtlichen Freier im Kreis ihrer Familie zu sehen, ihr Gesicht nahm einen starren Ausdruck an und die Farbe ihrer Haut veränderte sich sichtbar. Auch dem Autor ging es nicht viel anders, er wurde bleich und sein Redefluss war schlagartig unterbrochen. Diese Veränderungen der beiden entgingen weder der Gastgeberin noch den Jungs, nur der Rinderbaron und der Bürgermeister waren so in ihre wichtigen Gespräche vertieft, dass sie die plötzliche Stille und die Veränderungen zunächst gar nicht bemerkten. Die Gastgeberin fand als erstes ihre Worte wieder. Was denn mit ihr los sei und wo sie denn jetzt herkomme, es sei schon reichlich spät, ob man ihr nicht gesagt habe, dass Besuch hier sei, der berühmte Autor und wenn sie noch länger weggeblieben wäre, hätte sie ihn gar nicht kennengelernt. Vivian gewann wieder etwas Sicherheit und stotterte, sie sei bei der Lesung gewesen, habe ihn also schon kennengelernt, aber sie sei doch sehr, sehr überrascht, ihn hier zu sehen. Wenn sie das geahnt hätte, wäre sie früher gekommen, warum man nicht bei der Cousine angerufen habe. Das habe sie, herrschte die Mutter sie an, die habe versprochen es ihr auszurichten, aber es wohl nicht getan. Darüber, und dass sie überhaupt die ganze Nacht weggeblieben sei, müssten man noch reden, aber nicht hier und jetzt und nun solle sie sich hinsetzen und etwas essen. Vivian setzte sich, vermied aber, den Autor anzuschauen und auch der schaute krampfhaft von ihr weg. Beiden war die Begegnung sichtlich peinlich und dieser Umstand entging weder der Mama noch den Brüdern, die endlich wieder etwas Interessantes hatten und beide scharf beobachten. Nun begannen ihre Brüder sie auszufragen und es kam, wie es kommen musste. Vivian verstrickte sich in Widersprüche, wurde immer unsicherer, immer wütender, die Brüder hetzen und stichelten und kombinierten und der älteste von ihnen, offensichtlich mit glasklarem Verstand ausgestattet, rief schließlich laut, diese Schlampe habe mit diesem Typ gepennt, das sei doch sonnenklar und es sei wohl logisch, dass er sie entjungfert habe, wenn das nicht schon vorher ein anderer gemacht habe. Er brachte diese Anschuldigung so laut vor, dass die Mutter erschrocken den Finger auf den Mund legte, um ihn zum Schweigen zu bringen und nun auch der Vater auf die verfahrene Situation aufmerksam wurde. Er ließ sich von seinem Ältesten ein paar Details erklären, über die Schwester, die kleine Nutte, die mit dem Schreiberling gevögelt habe, dann riss er das Heft des Handelns an sich und richtete scharfe, insistierende Fragen sowohl an seine Tochter als auch an den Gast, der am liebsten im Boden versinken würde und so kam recht schnell heraus, was tatsächlich in der Nacht geschehen war. Ja, sie waren zusammen im Hotelzimmer, ja sie haben miteinander geschlafen, ja er habe sie entjungfert, aber es war ihr freier Wille, sie habe ihn verführt, sie wollte unbedingt mit einem Mann wie ihm ihre Unschuld verlieren und von Vergewaltigung konnte keine Rede sein. Aber die Details interessierten keinen, Entschuldigungen und Erklärungen waren sinnlos, die ganz große Schande war offensichtlich geworden und nun galt es zu rächen und zu bestrafen. Es brach die reinste Hölle los und der geballte Zorn der Familie richtete sich auf die beiden Übeltäter, doch schon rasch war klar, dass vor allem der alte Lüstling und Verführer unschuldiger, minderjähriger Mädchen bestraft werden müsse.
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