Diese verdammte Nacht mit Vivian

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Diese verdammte Nacht mit Vivian

Diese verdammte Nacht mit Vivian

Yupag Chinasky

So war er denn mit dem Bus in der Stadt seiner Jugend angekommen und von seinem Freund, den er kaum noch erkannte, so dick und hässlich war dieser geworden, freudig begrüßt worden. Er hatte sich überlegt, mit dem Auto zu fahren, aber die Entfernung war sehr weit und er mochte auf so langen, monotone Strecken nur ungern selbst fahren. Aber es gab ja komfortable Fernbusse und auch der Fahrplan war optimal, er konnte am Freitag anreisen, zwei Nächte in der Stadt verbringen und am Sonntag wieder zurückkommen. Die Fahrt war lange, sie hatte sechs Stunden gedauert, aber er hatte die Zeit ganz angenehm verbracht, er hatte gelesen, Musik gehört, gedöst oder die Landschaft betrachten, die ihm einst vertraut war, die er aber schon lange nicht mehr gesehen hatte. Auch die Stadt, in der er nun wieder war, erschien ihm einerseits vertraut, andererseits aber doch sehr fremd. Es waren nicht nur die Veränderungen im Stadtbild, vierzig Jahre sind eine Lange Zeit und der Fortschritt hatte natürlich auch hier, in der tiefsten Provinz, stattgefunden, auch in den Köpfen der Leute schien die Zeit trotz aller Veränderungen still gestanden zu haben, wie er noch schmerzlich erfahren würde. Dem Bürgermeister war es jedenfalls eine Ehre, ihn als erstes zu einem üppigen Mittagessen einzuladen, zu einem, wie er sich ausdrückte, bescheidenen Imbiß. In seinem Garten war ein luxuriöser Grill aufgebaut und es gab die Spezialität der Gegend, beste Rindersteaks der berühmten Rasse "flechas doradas", sehr gutes Fleisch in Hülle und Fülle, wie es nur in diesem Land möglich ist und dazu einen wirklich guten, regionalen Rotwein, dem der Autor allerdings nur mäßig zusprach, er müsse für die Lesung am Abend einen klaren Kopf behalten, so seine Begründung dem Freund gegenüber, der ihm immer mehr und mehr aufnötigen wollte.

Nach dem Essen war eine kleine Stadtrundfahrt im Jeep des Bürgermeisters angesagt, verbunden mit einem kurzen Ausflug zu den wenigen Highlights in der näheren Umgebung, zu Haciendas und Weinbergen. Aber die Fahrt zog sich schon in der Stadt in die Länge, weil der Bürgermeister alle Nase lang anhielt, um dem Gast alle möglichen Leuten vorzustellen, immer mit der Frage verbunden: "Du kennst doch noch.den José, du erinnerst dich doch noch an die Marta". Er kannte niemanden mehr, weder José noch Marta und sein Interesse, überhaupt jemanden wieder kennenzulernen war gleich Null. Eine seiner Bedingungen, quasi die Voraussetzung seiner Zustimmung, war gewesen, dass er nur zwei Nächte bleiben wollte. Am Freitag Mittag ankommen, am Abend die Lesung, am Samstag Abend den Ball , am Sonntag Mittag zurück mit dem Fernbus. Der Bürgermeister hatte gejammert, der wichtige Festakt zum Stadtjubiläum sei am Sonntag Nachmittag und da müsse er unbedingt dabei sein. Sie einigten sich schließlich darauf, dass ein Teil der Feier, bei der er unbedingt anwesend sein müsse, auf den Vormittag verlegt werde. Der Bürgermeister war zwar nicht ganz zufrieden, zu gerne hätte er sich vor allen Leuten, besonders auch vor wichtigen Gästen aus der Umgebung, im Glanz des berühmten Autors gesonnt, dem wichtigsten, dem bedeutendsten Sohn der Stadt, dazu sein persönlicher Freund, der nur dank einer jahrelangen Freundschaft eigenes für diesen erhabenen Moment angereist sei. Doch vor die Alternative gestellt, entweder Abreise am Sonntag Mittag oder gar nicht kommen, hatte er zähneknirschend nachgegeben und seine Pläne geändert.

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