Diese Begegnungen am Schluss der Lesung und das Essen im Restaurant versöhnte ihn wieder. Es war vorzüglich und alles war reichlich vorhanden, vor allem das wirklich gute Fleisch der "flechas doradas". Es war auf unterschiedliche Weisen zubereitet und üppig garniert, dazu wurden verschiedene Soßen, Salate und Beilagen gereicht. Der sehr gute Rotwein, den schon der Bürgermeister angeboten hatte, wurde von der aufmerksamen Bedienung sofort nachgeschenkt, kaum dass ein Glas leer war. Das war ihm sehr recht, denn nun hatte er keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten, im Gegenteil, er konnte seinen Frust reichlich ertränken. Das störte niemanden, es viel auch keinem auf, denn niemand sprach während des Essens über Literatur, niemand interessierte sich für den Ehrengast, abgesehen von ein paar höflichen, unverbindlichen Fragen, die nur von den Damen gestellt wurden. Den Gastgeber, den Rinderbaron, hatte der Bürgermeister gleich beim Eintreten vorgestellt. Es war ein kleiner, stämmiger, vierschrötiger Typ mit gegerbtem, dunklem Gesicht, das, wie bei dem hübschen Mädchen auf Indianerblut hinwies, nur dass seine Haare pechschwarz und glatt waren. Man sah ihm den Bauer und Viehzüchter sofort an, den erfolgreichen Unternehmer eher nicht. Ein Mann, dem jede Intellektualität fehlte, ja der nicht einmal in den schwarzen Anzug passen wollte, den er, wie auch die anderen Männer, trug. Der Rinderbaron hatte ein paar unverbindliche Worte gesagt, wie sehr er sich über den Gast freue und welche Ehre es für ihn sei und noch etwas Blabla, dann entschuldigte er noch seine Frau, die gerne an der Lesung teilgenommen hätte und auch jetzt liebend gerne anwesend wäre, aber sie sei unpässlich. Er räusperte sich, aber am nächsten Morgen, beim Frühstück, da würde sie ihn gerne kennenlernen. Er sagte nicht, wann und wo dieses Frühstück stattfinden sollte und fragte auch nicht, ob er überhaupt kommen wollte. Von diesem Frühstück war bisher nicht die Rede gewesen, aber hier schien schon alles eingefädelt zu sein und Widerstand war zwecklos, deshalb verkniff er sich eine despektierliche Bemerkung und nickte nur gottergeben. Nachdem der Gastgeber das Wichtigste los geworden war, widmete er sich ausschließlich seinen guten Freunden, die mit ihren Frauen gekommen waren. Diese Frauen, die weibliche crème de la crème der hiesigen Gesellschaft, hatten ihre beste Garderobe ausgeführt sich selbst reichlich mit teuren Parfüms eingesprüht, das täuschte aber nicht darüber hinweg, dass alle schon ziemlich alt waren, ziemlich verlebt aussahen und nur noch dank Schminke und Schönheitsoperationen einigermaßen attraktiv erschienen. Aber was hilft Attraktivität, wenn die Köpfe hohl sind. Denn ihre Fragen am Anfang waren unverbindlich, bezogen sich nicht auf sein Werk, vielmehr nur auf seine Person, wie er lebe, wo er lebe, ob er verheiratet sei, ob Kinder habe. Danach hatten sich rasch zwei Gesprächskreise über die große Tafel hinweg gebildet und es ging nur noch um wirklich interessante Themen. Zum einen um Rinder und Sport, zum andern um Mode und Soap-operas. Die Männer rauchten nach dem Essen schwere Zigarren und tranken noch mehr Rotwein und Weinbrand, während die Damen zu Schampus und kleinen Törtchen übergegangen waren. Er saß ziemlich verloren zwischen den Blöcken, der einzige, der mit ihm redete, war der Bürgermeister. Er kam sich überflüssig vor, langweilte sich, sein Magen war voll und mehr Wein konnte er auch nicht mehr vertragen, er meinte, schon im Sitzen zu schwanken. Es war Zeit zu gehen. Der Bürgermeister protestierte zwar, als er ihn bat, ihn in das Hotel zu fahren, kam aber der Bitte dennoch ganz gerne nach. Als er sich verabschiedete, versuchte keiner der Anwesenden, auch keine der Damen, ihn zum Bleiben zu überreden, aber sie waren auch nicht unfreundlich, vielleicht , weil sie etwas besser erzogen waren, als die Zuhörer in der Schule.
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