Siggi war mal wieder pleite. Er war eigentlich immer pleite, nur jetzt war wieder mal der Moment gekommen, wo irgendwas passieren musste. So richtig arbeiten, auf´m Bau oder was, war nicht sein Ding. Aber ein Kumpel hatte ihm da einen ganz tollen Tip gegeben, der sich nicht nach Schwerarbeit anhörte: Pharma-Giering suchte Samenspender. Wohl für irgendein neues Verhütungszeug.
In Handarbeit hatte er eigentlich reichlich Routine. Die Produktionssituation bei Giering stellte er sich ganz konstruktiv vor, Pornos, - oder besser etwas erotisches Personal, um
Sex-Maschinen wie ihn zu Höchstleistungen anzuspornen. Da wären sicher ein paar leckere Mausis, mit kurzen, weißen Kitteln wie Krankenschwestern, dazu weiße Strapse. Und sonst weiter nichts, er dachte an hohe Schuhe und offene Knöpfe...
Die Spendesituation entwickelte sich vor seinem geistigen Auge, es wurde wirklich Zeit, Verschwendung drohte. Zeit ist manchmal tatsächlich Geld.
Vielleicht konnte aus dem Job bei seiner Begabung auch mehr werden, er sah sich als gesuchte Spermakanone, als liquider Subunternehmer.
Für die neue Karriere investierte er in eine frische Unterhose, und ab in die U-Bahn.
Bei Giering angekommen, drückten sich schon einige Figuren rum, es war nichts Verfängliches zu sehen, aber es herrschte eine Stimmung und Kontaktfreudigkeit wie in einem Hardcore-Laden.
Siggi ging zur Anmeldung, er musste einigen Kram unterschreiben und einen Fragebogen ausfüllen.
„Siegfried ...Gockul?“ fragte die Anmeldungstante.
„Gockel wie Hahn“ knurrte Siggi.
Die dumme Votze entwickelte in aller Ruhe ein süffisantes Grinsen und hatte auch Zeit genug abzuwarten, bis dieses genügend gewürdigt worden war.
Er bekam dann eine Nummer. Mit dieser Nummer wurde er ins nächste Zimmer geschickt, dort bekam er ein kleines Meßglas, auf das er dann die Nummer aufzukleben hatte. Okay. Damit in eine der Kabinen, winzige Dinger aus weißem Kunststoff, völlig kahl.
Siggi ging rein, riegelte die dünne Tür ab und blinzelte in die gemeine Neonbeleuchtung. Es war soweit, jetzt sollte er irgendwie das blöde Messglas bis zur Messmarke füllen. Keine Wichsvorlage zur Hand. Nicht dass er darauf so angewiesen wäre, aber das Ganze war alles andere als stimulierend.
Keine weißen Straps weit und breit.
Die Zelle war wie ein Klo ohne Klo. Die Wände hörten typischerweise ein Stück über dem Boden auf, sehr hygienisch, völlig unerotisch, und vor dieser lächerlichen Tür warteten schon weitere Männer. Vermutlich stoppten sie insgeheim die Zeit, die einer brauchte. Scheiße.
Wie kam er hier wieder raus?
Jedenfalls nicht mit leerem Messbecher. Es gab ja nicht viel, wovor er zurückgeschreckt wäre, er hatte allgemein auch nicht viel zu verlieren, aber ein solcher Gesichtsverlust wäre untragbar gewesen. Er stand also in diesem Klo-ohne-Klo und kramte verzweifelt in seiner Fantasie. Und die überkam ihn eher dann, wenn er sie nicht gebrauchen konnte.
Schließlich spuckte seine Erinnerung ein paar erfolgreich abgewichste Fragmente aus, in die er sich verbiß. Und unter enormer körperlicher und geistiger Anstrengung und handwerklichem Aufwand würgte sein halbgarer Schwanz schließlich einige Tropfen hervor.
Geschafft. Erleichterung. Er würde hier gut rauskommen.
Er holte tief Luft, lockerte den Doppelnelson um seine Eichel und zog die Projektionsflächen seiner inneren Porno-Show hinter den Augenliedern nach oben.
Er stellte den Messbecher ab, krempelte die Vorhaut wieder über sein sich beleidigt in sich selbst zurückziehendes Teil und knöpfte die Hose zu.
Dann schnappte er den Messbecher und riegelte die Tür auf, mit dem Gedanken, sich schließlich trotz allem ganz gut gehalten zu haben, seine Zeit war wahrscheinlich gar nicht so schlecht. Er konnte die Typen draußen angrinsen, die hatten ihren Job noch vor sich. Sie würden schon sehen.
Sein Blick fiel selbstbewusst auf das Messglas mit dem weißlichen Ergebnis seiner Mühe.
Das Ding war nur dreiviertelvoll. Bis zur Markierung fehlte deutlich noch ein Schuß.
Zu spät. Das war´s. Jetzt hatten sie ihn.
Das war wohl das, was die Kommunisten gemeint hatten. Jemand, der nichts zu verkaufen hatte, als sich selber, war beschissen dran. Denn zusätzlich wird man als armes Arschloch vom Kapital prinzipiell noch abgelinkt. Siggi fühlte sich als Paradebeispiel. Giering kassierte massenhaft lauwarmes Onanat aus zu knapp gefüllten Messgläsern umsonst. Der nächste Kunde wollte in die Kabine. Verfluchte Hacke.
Er packte das Glas so, das man die Menge des Inhalts nicht erkennen konnte. Er musste erst mal aus der Kabine raus. Und er stand wie angewurzelt mit seinem Glas in der Hand, verzweifelt nach einem Ausgang suchend, als ihn jemand an den Tisch zur Abgabe dirigierte.
Vor dem Tisch, an dem eine graue, korpulente Gefängniswärterin in weißem Kittel saß, stand noch eine Schlange. Siggi wand sich und schwitzte. Die Gefängniswärterin nahm die Messbecher in Empfang und hakte die Nummern ab. Alles anonymisiert. Hinter Siggi stellte sich ein Schrank von einem Typ an. Er sah ziemlich gut aus, sein Selbstbewusstsein schien in der Kabine nicht gelitten zu haben.
Die Gefängniswärterin brachte ein volles Tablett mit Messgläsern weg, eine Galgenfrist. Der Typ hinter ihm grinste. Er hielt sein Glas sehr vorsichtig, es war am Überschwappen. Er entdeckte Siggis mickrige Ausbeute, die Siggi unauffällig zu kaschieren versuchte. Siggi holte Luft zu einem verbalen Haken, ohne Rücksicht darauf, was der Schrank dann draußen auf der Straße mit ihm machen würde. Es gab passende Sprüche genug, denn der Schrank war offensichtlich stockschwul und sah schon die ganze Zeit so aus, als wolle er Siggi auf ein Messglas in eine der hautengen Kabinen einladen. Der Typ zwinkerte ihm zu, packte blitzartig Siggis Hand mit dem Glas und spuckte kräftig rein.
Ein Wunder war geschehen, das Ding war voll.
Die Alte kam mit einem leeren Tablett zurück, Siggi gab sein volles Glas ab, lässig. Der Schrank hinter ihm knallte seins so auf den Tisch, dass es überschwappte. Es war immer noch voll genug. Die Alte ärgerte sich über die Sauerei.
Sie gingen zur Kasse.
Heinz der Schrank lud Siggi noch ein, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, und Siggi war erst mal wieder alles egal.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.