Dinner zu fünft

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Dinner zu fünft

Dinner zu fünft

T. D. Rosari

„Und? Zufrieden?“
Frederic saß in seiner antiken Chaise-Lounge, nahm einen Schluck von seinem Whiskey und betrachtete die Blondine, die sich vor ihm präsentierte. Und ob er zufrieden war! Er nickte der blonden Grazie bewundernd zu und hob sein Glas, als Zeichen der Anerkennung. Frederic liebte das Schöne. Dies galt für Sitzmöbel und Whiskeys, aber in besonderem Maße für attraktive Frauen.
Die Frau, die gerade vor ihm stand, war wirklich wandlungsfähig: Sie konnte elegant und stilvoll, souverän in charmanter Konversation, liebenswürdig und zurückhaltend sein. Sie hatte, wie er, einen Sinn für Ästhetik und gehobenes Ambiente. Als Karrierefrau pflegte sie oft eine sehr strenge Eleganz. Sie verlangte Bestleistungen, Teamwork und Loyalität. Trug Verantwortung.
Hier, in einer fremden Stadt, in einer fremden Villa und in Begleitung eines Liebhabers, durfte sie sich ganz anders geben. Sicher: Stil und Eleganz, Bildung, Charme und das Wissen über den eigenen beruflichen Erfolg waren auch hier von Vorteil, doch heute Nacht würde sie aufgrund viel animalischerer Begierden beurteilt werden.
„Dreh dich um!“, verlangte Frederic und Bridget gehorchte augenblicklich. Diese Beine, dieser Arsch – ein Leckerbissen für erotische Feinschmecker. Dies würde heute ein ganz besonderes Dinner werden. Frederic hatte alles im Detail geplant.
Bridget hatte vor einigen Wochen eine delikate Einladung nach Paris erhalten. Sie kannte Frederic. Schon einmal hatte sie hier in Paris ein sehr ausschweifendes Wochenende mit ihm verbracht. Er hatte Stil, Geschmack, Geld. Ein Gentleman, der in sündhaften Stunden sehr streng sein konnte. Das war ganz nach ihrem Gusto. Was die Einladung betraf, so hielt sich Frederic bedeckt. Das, was er jedoch verriet und das, was Bridget zwischen seinen Zeilen herauslesen konnte, hatte ihre sexuelle Neugierde geweckt.
Es ging um ein Dinner mit guten Freuden. Exquisites Ambiente, exquisite Speisen, nur die besten Getränke. Auch das Service sollte einzigartig sein, und da kam sie in Spiel. Die Damen und Herren, die von Catering-Dienstleistern für das Service abgestellt wurden, waren im besten Falle professionell, im ungünstigeren Falle jedoch lustlos. Diese Art Dienstleistung war für einen besonderen Abend, wie ihm Frederic im Sinn stand, unzureichend. Deshalb fragte er an, ob sie sich vorstellen könnte, an diesem speziellen Abend das Service zu übernehmen? Sie würde dafür zuständig sein, dass all die delikaten Köstlichkeiten auf höchst delikate Weise auf den Tisch kamen. Und was das Dessert für seine Gäste betraf – da würde er sich auf ihre erotischen Qualitäten verlassen…
Frederic hatte ihr mit dieser Einladung einen sexuellen Leckerbissen vor die Nase gehalten. Sofort sprang ihr Kopfkino an: Sie würde demütig diese Alphamänner bedienen, alle ihre Wünsche erfüllen. Nicht gezwungen sein, wichtige Entscheidungen zu treffen. Dies würde nicht ihre Aufgabe sein, im Gegenteil. Frederic und seine Gäste würden ihr klarmachen, was sie von ihr erwarteten, ja einforderten. Sie würden von ihr keine logischen Entscheidungen, Abwägungen, geschäftliches Kalkül und Verhandlungsgeschick verlangen. Endlich würde sie ohne Zurückhaltung völlig andere Qualitäten ins Spiel bringen können: Zu diesen Qualitäten zählte das Optische: Ihre langen Beine, ihr trainierter Arsch, ihr flacher Bauch, die runden Brüste, der lange Nacken, die blonden Haare. Bridget verspürte schon beim Durchlesen der Einladung eine unbändige Lust, ihre körperlichen Qualitäten zur Schau stellen zu können. Bridgets Qualitäten beschränkten sich aber nicht auf ihr Äußeres, das wusste Frederic genau. Noch mehr als ihre rassigen Formen zeichnete Bridget ihr sexueller Appetit, ihre ausgeprägte Tendenz zur Unterwürfigkeit und ihre erstaunliche Fähigkeit zu totaler erotischer Hingabe aus.
„Und? Zufrieden?“ Das war natürlich nur eine rhetorische Frage. Bridget wusste, wie sie auf Männer im Allgemeinen und Frederic im Speziellen wirkte. Besonders in diesem Fetisch-Outfit, das Frederic für sie zusammengestellt hatte. Ihr Look schrie geradezu „Fick‘ mich!“, und das war Bridget auch sehr recht. So würde Frederics Gästen sofort klar sein, dass sie sich bedienen konnten. Bridget wollte heute Nacht nichts anderes sein als einer der vielen Leckerbissen im vielgängigen Menü. Das Ambiente, das von Frederic entworfene Szenario, ihr Look: Es sollte um hemmungslose Zügellosigkeit gehen. Und Bridget hoffte, dass die anwesenden Herren ihre Chance ergreifen würden. Nicht viele Männer waren zu ungebremster sexueller Ausschweifung in der Lage. Sie selbst war an sexuellen Halbherzigkeiten nicht im Geringsten interessiert.
Bald würden die ersten Gäste kommen. Ein Cateringservice hatte die Köstlichkeiten in der Küche des Hauses warmgestellt, der Tisch war gedeckt. Noch waren Frederic und Bridget allein. Frederic reichte Bridget ein gut gefülltes Glas. Der Rotwein war erstklassig und milderte ihr Lampenfieber ein wenig. Alle Augen würden auf sie gerichtet sein. Sie stand im Mittelpunkt dieser intimen Veranstaltung.
Bridget betrachtete sich noch schnell im Spiegel. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie trug keine Unterwäsche, sondern einen Body aus Lederriemen. Ein Riemen umschloss wie ein Choker ihren Hals, ein anderer führte zwischen ihren Brüsten zu einem metallenen O-Ring auf ihrem Brustbein. Dort führte je ein Riemen um ihre Brüste. Ein weiterer Riemen umschloss auf Höhe ihrer Taille ihren Oberkörper, zwei weitere führten in einem spitzen V in ihren Schritt. Frederic hatte ihr außerdem Hand- und Fußfesseln angelegt. „Damit wir uns später Zeit sparen! Wenn wir dich fixieren!“, meinte er mit süffisantem Grinsen. „Das klingt vielversprechend!“, antwortete Bridget atemlos. Sie merkte, wie ihr die sexuelle Erwartung beinahe die Luft zum Sprechen nahm.
Über ihrem Korsett auf Riemen und Bändern trug Bridget superkurze Hotpants aus Leder sowie ein enges, transparentes Top aus Mesh-Material. Ein Strapshalter, passende Strümpfe und laszive Heels rundeten den Look ab. Ihr Outfit war unmissverständlich vulgär und sorgte dafür, dass Bridget in sich eine Verwandlung spürte: All ihre anderen Qualitäten und Persönlichkeitsaspekte traten völlig in den Hintergrund, ja sie verschwanden regelrecht. Jetzt war sie nur noch ein Objekt sexueller Begierde. Diese Tatsache geilte Bridget über die Maßen auf, erregte sie schon jetzt auf das Heftigste und versetzte sie in einen Zustand fiebriger, lustvoller Ungeduld.
Dann klingelte es an der Tür. Frederic machte keine Anstalten, sich aus seinem Stuhl zu erheben. „Bridget, würdest du bitte unseren Gästen die Tür öffnen?“. Die Bitte klang wie ein Befehl, und Bridget machte sich in ihren High-Heels auf den Weg.
Der Mann vor der Tür stellte sich als Mr. Kevin Bloomingsdale vor. Er zeigte sich nicht im Mindesten darüber überrascht, dass eine in Fetisch-Outfit gekleidete Blondine die Tür zu Frederics Villa geöffnet hatte. Er wäre überhaupt die fleischgewordene Contenance gewesen, wäre sein Blick nicht für den Bruchteil einer Sekunde auf Bridgets nur von transparentem Mesh verhüllten und von Riemen umfassten Brüste gehuscht. Bridget fand Bloomingsdale ziemlich appetitlich: Er war groß und wirkte sportlich, trug einen dunklen Anzug und drückte sie sehr präzise aus. Ein Mann von Welt. Bridget konnte verstehen, warum sich Frederic mit Männern wie Bloomingsdale umgab.  
Bridget führte Frederic in den Salon. Die beiden Männer begrüßten sich herzlich und Bridget erkundigte sich artig, was Bloomingsdale zu trinken wünschte. Bloomingsdale Augenbraue zuckte kurz nach oben, dann wandte er sich anerkennend an Frederic: „Dein Personal an diesem Abend ist wirklich außergewöhnlich!“ Er ließ sich, wie Frederic, einen Whiskey geben und stieß mit Frederic auf den Abend an.
In den nächsten zwanzig Minuten trafen der Reihe nach Philippe Tillion und Noel Simon ein. Philippe war älter als Bloomingsdale, kräftiger gebaut und legte eine unterkühlte Arroganz an den Tag, zumindest gegenüber Bridget. Im Gegensatz zu Bloomingsdale taxierte er die Blondine, die ihn an der Tür empfing, unverhohlen von oben bis unten. Er tat aber so, als würde ihn das, was er da sah, nicht im Geringsten beeindrucken. Völlig anderes reagierte Noel, der nächste Gast. Dieser war mit Abstand der jüngste Gast und mochte vielleicht Mitte zwanzig sein – war also deutlich jünger als Bridget. „O-la-la!“, verkündete er, als ihm eine langbeinige, blonde Fetish-Queen auf hohen Absätzen die Tür öffnete. Er drückte Bridget sofort - links, rechts – zwei charmante Küsschen zur Begrüßung auf die Wangen. Noch bevor ihn Bridget in den Salon führten konnte, hielt er sie kurz am Armgelenk zurück. „Ich weiß, Sie geben heute die Submissive und es gehört zum Spiel, dass wir uns nur nonverbal unterhalten. Frederic schätzt es nicht, wenn wir mit der Sexsklavin Konversation betreiben.“, begann Noel fast flüsternd und in einem verschwörerischen Tonfall. „Aber ich würde Sie trotzdem gerne kennenlernen. Hier ist meine Karte! Melden Sie sich, wenn Sie sich morgen von BDSM, Champagner und vier Männern erholen wollen! Ich kenne da ein Bistro ohne Touristen, dort ist es wirklich nett!“ Noel grinste spitzbübisch, ließ ihr Armgelenk los und sich von Bridget zu Frederic und Philippe führen. Dieser Noel war jung und auf so unschuldige Art charmant und zuvorkommend – Bridget konnte sich nicht vorstellen, dass er in sexuellen Dingen glaubhaft den dominanten und fordernden Part spielen konnte.
Nun war das Kleeblatt komplett. Bridget gefielen die Männer und die Vorfreude auf den intimeren Teil des Abends wuchs. Nun wusste sie, mit wem sie es zu tun hatte. Sie war erleichtert. Ihr würde es nicht schwerfallen, diesen Männern sexuell zur Verfügung zu stehen. Noch trieben die Herren Konversation. Bridget huschte hin und her, füllte Gläser nach, bot Zigarren an, kümmerte sich um Aschenbecher und kleine Snacks. Bridget war den Männern sehr nahe, bewegte sich geschickt zwischen ihnen, um ihre kleinen Dienste zur deren Zufriedenheit leisten zu können. Es war wirklich erstaunlich, wie diszipliniert die Vier waren: Es gab keine anzüglichen Blicke, keine Bemerkungen, keine Berührungen: Sie schenkten ihr nicht die geringste Aufmerksamkeit. Selbst der vorhin so charmante Noel übersah sie konsequent. Es war, als wäre sie unsichtbar. Das war eine seltsame Erfahrung für Bridget, die es gewohnt war, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen.
Alle taten so, als wäre es völlig normal, dass die Bedienung nur spärlich in Lack und Leder gekleidet war. Trotzdem spürte Bridget die sexuelle Spannung im Raum. Den Männern war genauso wie ihr klar, worauf dieser Abend zusteuern würde. Doch noch ließen sie es nicht zu, sich ihren sexuellen Gelüsten hinzugeben. Noch war Bridget tabu.
„Es ist Zeit für den ersten Gang!“, sagte Frederic schließlich und nickte Bridget zu. Dies war die erste Äußerung nach einer gefühlten Ewigkeit, die sich direkt an Bridget richtete. Die Männer übersiedelten an den Esstisch.  Bridget servierte einen Wassermelonen-Büffelmozzarella-Salat mit rotem Basilikum. Die sitzenden Männer befanden sich nun auf Augenhöhe mit ihrem Po und ihrem Schritt. Beim Servieren trat sie bewusst eng an sie heran, streifte hier und dort an ihren Armen an, inszenierte ihren Auftritt und versuchte, die Aufmerksamkeit der Herren auf sie zu lenken. Noch diese zeigten sich unbeeindruckt.
Süßkartoffel-Kokos-Suppe mit gebratenen Scampi. Das war der zweite Gang. Ohne Zweifel handelte es sich um Köstlichkeiten, die Bridget hier kredenzte. Auch der Wein war erstklassig. Die delikateste Zutat an diesem Abend war aber ohne Zweifel sie, Bridget. Trotzdem widmete sich die Tafelrunde nur den Speisen, den Getränken und ihrer Konversation. Das wurmte Bridget.

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