"how beautiful do the words have 2 be
before they conquer every heart?" Prince, dolphin
"Solange Du Angst hast, Keo, schläfst Du nicht ein. Du bleibst nicht stehen und hältst die Augen offen.
Wenn Du Dich aber sicher fühlst, dann lehnst Du Dich behaglich zurück. Dann bist Du träge und zufrieden mit dem, was Du erreicht hast. Du genießt die Aussicht immer vom selben Aussichtspunkt aus.
Aber die Stelle, an der Du Dich befindest, ist wie Treibsand: wenn Du zu lange auf ihr verharrst, läßt sie Dich niemals wieder los."
„“Göttin!”, sagte ich, und verschwand. Verschwand mit heraushängender Zunge, weichen Eiern und ganz Schwanz in meinem Kopf.
Mein Verstand beschränkte sich zukünftig auf die ehrenvolle Aufgabe, meine Kopulationsbewegungen zu steuern. Er war vollends damit beschäftigt und hat sich niemals ernsthaft beklagt..."
"Ich glaube, ich begegnete ihr im Mai. Ja, ich bin sicher, es war im Mai. Es war schon heiß, sehr heiß, ungewöhnlich heiß für einen Tag Mitte Mai in diesen Breiten. Es war heiß, aber nicht so heiß, dass man glaubt, wirklich umkommen zu müssen. Es war in der Art heiß, dass man unentwegt an Sex denkt und dass man das Gefühl hat, schon zu kommen, wenn man sich zufällig im Schritt berührt.
Jedenfalls dann, wenn man jung ist.
Wir waren mit unserer zwölften Klassenstufe dort. Ich hatte die Wahl einer Studienfahrt: Rom, Südfrankreich, Prag oder Island. Jede zwölfte Klasse machte diese Studienfahrt, soweit ich zurückdenken kann.
Ich war also auf Island an diesem 10. Mai vor zwanzig Jahren, und ich begegnete ihr, als ich gerade mein Shirt über den Kopf zog, weil ich es nicht mehr aushielt in der Hitze. Und plötzlich war sie da.."
"Ihre Klassenkameraden erzählten von ihrem Hitzschlag und dass sie drei Stunden lang nicht bei Bewußtsein waren.."
"..und lächelte mich an. Ich weiß, ich hatte einen Hitzschlag...für all die anderen. Sie bekamen nichts mit, sahen gar nichts von diesem Wunder. Aber ich...ich sah alles ganz deutlich. Ich spürte nicht das Geringste von einem verdammten Hitzschlag. Ich war keine einzige Sekunde ohne Bewußtsein.
Ich weiß, alle sagten mir, dass ich die längste Zeit meiner Bewußtlosigkeit in einem Krankenhausbett verbracht habe, bis ich aufwachte. Aber alles war so wirklich, alles, was ich sah, und niemand sonst.
Deshalb haben sie mich auch alle für verrückt gehalten, vollkommen übergeschnappt, als ich erzählte. Sauerstoffmangel und all diese Scherze..
Aber ich war genausowenig verrückt wie der Papst keusch. Und sie waren auch nicht mehr völlig sicher, als sie es schließlich bemerkten."
"Was fiel ihren Klassenkameraden auf, Mister Lewis?"
"Sehen Sie selbst: mein Personalausweis. Ich war siebzehn, als ich ihn ausstellen ließ. Die Augenfarbe.."
"Braun. Und?"
"Ich habe blaugrüne Augen. Ich habe blaugrüne Augen, seit Tania mich berührt hat...oder seit ich vor zwanzig Jahren nach meinem Hitzschlag wieder zu mir gekommen bin, wenn Sie so wollen."
"Ich begegnete ihr also völlig unverhofft, und sie machte auf mich den Eindruck, als wäre sie nur kurz hier..als hätte sie sich entschlossen, dieser Insel einen Besuch abzustatten, einen sehr kurzen Besuch, um mich zu sehen und dabei etwas Grundlegendes in meinem Leben zu verändern."
"Hören sie, Mister Lewis, ich möchte ihnen keinesfalls zu nahe treten, aber ich denke, dass sie sich doch etwas in Schwärmereien verlieren, die ihnen den Blick für die Realität verstellen. Ihre Eheprobleme liegen mit ziemlicher Sicherheit nicht in einem traumartigen Erlebnis begründet, das sie als Gymnasialschüler vor mehr als zwanzig Jahren..."
"Sie mochte es, wenn ich sie leckte. Ihre Möse schmeckte wie ein frischer Pfirsich, jung und saftig. Sie mochte es, wenn ich mich obszön ausdrückte. Vielleicht war sie sechzehn Jahre alt. Sie sah aus, wie ein Mädchen mit sechzehn Jahren aussehen mag und hatte langes, blondes Haar. Ihre Beine gingen bis zum Himmel, und ihr Arsch...
Sie wollte, dass ich ihre Muschi und ihr kleines Arschloch gleichzeitig lecke, und sie können mir glauben, dass ich nichts lieber getan hätte, so sehr war ich voller Lust. Aber eine Zunge...
Schwärmereien? Sie mögen mich ja für verrückt halten; die Farbe meiner Augen mag sie nicht überzeugt haben, und vielleicht hätte ich sogar selbst geglaubt, dass ich verrückt geworden bin - aber Tania konnte Dinge bewirken, Dinge, die bleiben, die die Zeit überdauern. Sehr real...unsere Lust war sehr real, Doc.
Ich habe blaugrüne Augen, gut. Es gibt Irre mit farbigen Kontaktlinsen und es gibt auch ohne weiteres gefälschte Ausweise. Einem echten Schizo ist eben nichts zuviel, nicht wahr? Aber sehen sie, es ist alles nicht so einfach, wie es vielleicht aussieht. Mein Problem ist real, und ich möchte, dass sie mir helfen. Sie können mir nur helfen, wenn sie mir glauben, also hören sie zu..und sehen sie her.
Ich habe Veränderungen durchlaufen an diesem zehnten Mai vor zwanzig Jahren: meine Augen wurden klar wie der Himmel, wenn er ohne Wolken ist, und meine Zunge lernte, grenzenlose Lust zu schenken, wie die Zunge einer Noggta zu lieben..."
Keoma Lewis' Augäpfel verdrehten sich nach oben, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
Dann öffnete sich sein Mund.
Ganz weit.
Es blieb sehr lange sehr still in dem überwiegend weiß gestrichenen und nur spärlich möblierten Raum.
Die beiden Männer, die nur durch den langen, schweren Schreibtisch aus Eichenholz voneinander getrennt waren, wirkten wie vollendete, für die Ewigkeit erstarrte Statuen aus einem unbekannten biologischen Material. Sie schienen schon lange Zeit zur Einrichtung zu gehören, wie sie da einander gegenübersaßen und kein einziges Wort laut werden ließen. Ihre Augen schienen sich zu durchdringen.
Nichts war zu hören außer dem leisen Geräusch ihres Atems. Nichts regte sich außer den kleinen schwimmenden Lebewesen in dem großen Glasbehälter an der Westseite des Raumes, der die halbe Wandlänge einnahm. Im Wasser gebrochenes grünes Licht waberte in unregelmäßig großen Flecken auf dem tiefblauen Kunstteppich. Die alte Wanduhr schlug dreimal.
"Was haben sie gesehen, Doc?"
Keoma Lewis' Stimme war leise, fast unhörbar gewesen. Dennoch ließ sie Dr. Peter Bolton erschreckt zusammenfahren. Auf seiner Stirn hatten sich dicke Schweißtropfen gebildet, obwohl die Klimaanlage für eine unverändert angenehme Raumtemperatur sorgte. Ein Augenlid zuckte nervös.
Die Gegensprechanlage summte.
Dr. Boltons Augen lösten sich von seinem Gegenüber. Es gelang ihm erst beim zweiten Versuch, die Verbindung herzustellen.
"Dr. Bolton? Mr. Smith ist hier wegen seinem Termin um 15.30 Uhr."
"Sagen sie ab. Sagen sie alle Termine für heute ab."
"Aber Mr. Smith hatte einen sehr weiten Anfahrtsweg, und sie wissen, sein Terminplan.."
"Verdammt, Claire, es ist einfach nicht möglich. Geben sie ihm einen neuen Termin und lassen sie sich irgend etwas einfallen. Und stellen sie nichts mehr durch. Wenn sie alle Termine abgesagt haben, machen sie Schluß für heute. Haben sie verstanden?"
"Ja, Dr. Bolton. Wenn sie mich wirklich nicht mehr brauchen?"
"Nein, Claire. Bis morgen."
"Bis morgen, Doctor."
Stille.
Das Glucksen des Aquariums.
Der Schweiß auf Peter Boltons Stirn.
Hektische rote Flecken in seinem Gesicht.
"Sagen sie mir, Dr. Bolton: was haben sie gesehen?"
Lewis' Stimme, jetzt deutlicher, eindringlicher.
"Ihre Zunge...zunächst normal, dann...ein Wabern, ein Zerren, ein gegenläufiges Kräftespiel im Fleisch ihrer Zunge. Mein Gott, ich kann nicht.."
"Sie sind dabei, Doc. Sie können. Was haben sie dann gesehen?"
Lewis' Stimme, keinen Widerspruch zulassend.
"Der Länge nach auseinandergerissen...die blutenden Ränder zu beiden Seiten des Risses in Sekundenschnelle verheilt, vielleicht schneller. Wie in einem Zeitraffer - wie in einem Traum.
Ich denke, ich bin einfach überarbeitet. Alles zuviel in den letzten Wochen. Mr. Lewis, ich kann ihnen nicht helfen, bin nicht der richtige Mann für sie, bin..."
Boltons Stimme drohte sich zu überschlagen, völlig aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Dann Lewis. Beruhigend. Kühl.
"Reißen sie sich zusammen, Doc. Sie haben etwas gesehen, das sie nicht einordnen können. Verständlich, wenn sie etwas die Fassung verlieren, aber bedenken sie bitte eines dabei: sie wurden lediglich damit konfrontiert, Dr. Bolton. Ich aber lebe damit.
Bemühen sie sich. Sprechen sie weiter. Es ist real, Doc.."
Unerbittlich.
"Der Riß...verheilt. Die beiden Zungen expandierten, traten weiter aus dem Mund hervor. Die Zungenenden spitz zulaufend - immer noch weiter hervortretend. Dann die Zungenbasis - ein Teil, eine Zunge, eine gespaltene Zunge, mein Gott...die Enden unabhängig voneinander bewegend.
Dann zurückschnellend, miteinander verschmelzend im Vorgang des Zurückschnellens - der absolute Wahnsinn."
Lewis lächelte.
"Gut, Dr. Bolton. Sie können darüber sprechen. Dann werden sie auch keine Angst davor haben. Es wird ihnen vertraut."
"Diese Mutation, Mr. Lewis...auch seit zwanzig Jahren?"
"Seit damals. Ja."
"Entschuldigen sie, dass ich einen Moment lang...es ist dermaßen ungewöhnlich und es ist das erste Mal. Ich meine, eine derartige Mutation sieht man wirklich nicht alle Tage, oder etwa doch? Tut mir leid, ich bin etwas nervös und es fällt mir im Augenblick schwer, sachlich zu bleiben. Man bekommt ja einiges mit im Laufe der Zeit, aber manches verschlägt einem dann doch die Sprache.
Was halten sie von einem Drink, Mr. Lewis, einem Drink für uns beide?"
"Nein, danke. Ich bin den Anblick bereits gewohnt."
"Ja. Stimmt wohl. Sie haben sicher doch nichts dagegen, wenn ich mir einen genehmige?"
"Nur zu, Doc, nur zu. Ich bin so satt, ich mag kein Blatt."
"Gefällt es ihnen, sich über mich lustig zu machen, Mr. Lewis?"
"Ganz im Gegenteil, Dr. Bolton. Ich bedauere die Tatsache. Und ich bedauere es, dass sie ihre klare Sicht der Dinge unter einer dicken Schicht Alkohol ertränken wollen. Sie kennen mit Sicherheit andere Möglichkeiten, um mit der Realität fertig zu werden - ganz zu schweigen davon, dass sie mir in angetrunkenem Zustand wohl kaum eine Hilfe sein werden.
Aber vielleicht habe ich einfach zuviel erwartet. Vielleicht muß ich mit meinem Problem alleine zurande kommen, wie bisher."
Keoma Lewis erhob sich mit Bestimmtheit aus dem großen, überaus bequemen Ledersessel - einem Instrument weitaus besser dafür geeignet, die Voraussetzungen zu schaffen, um jemandem seine verborgensten Geheimnisse zu entlocken, als die katholische Inquisition.
Auf halbem Weg zur Tür verstellte ihm Dr. Peter Bolton, ein sportlich wirkender, graumelierter Mann Ende Vierzig, den Weg.
Lewis blieb abrupt stehen und blickte ihm verärgert in die Augen.
"Bitte, Mister Lewis, ich bin kein Übermensch.
Aber ich werde mich auf die mir bestmögliche Weise ihres Falles annehmen, wenn sie mir vertrauen wollen. Bedenken sie, dass derartige Erscheinungen durchaus wie ein Schock wirken können. Ich bin dagegen keineswegs gefeit."
Ein belustigter Zug stahl sich in Keoma Lewis' Gesicht, hellte es auf.
"Es gibt also noch Dinge, die sogar einen Psycho von Rang aus der Ruhe bringen können..
Sagen sie mir, Dr. Bolton: in welchem Verhältnis stehen sie zur sogenannten Wirklichkeit des Lebens?"
"Ich habe ein sehr ambivalentes Verhältnis zur Wirklichkeit. Wäre das nicht so, Mr. Lewis, dann hätte ich auf ihre Verwandlung nicht mit den Symptomen eines leichten bis mittelschweren Schocks reagiert. Das Resultat meiner Konfrontation wäre eine Psychose gewesen - wenn ich Glück gehabt hätte."
"Und schon befinden wir uns wieder in vertrauten Gewässern. Zurück auf ihrem Terrain, möchte ich sagen. Alles wieder in Ordnung, Doc?"
Bolton fixierte Lewis und bemühte sich, nicht den Blick abzuwenden.
"Ihre herablassende Art kann mich nicht verletzen, Mr. Lewis. Sie sind es, der zu mir gekommen ist. Wenn sie sich selbst helfen könnten, hätten sie das bestimmt längst getan."
"Mit Sicherheit." Lewis wirkte nun völlig sachlich. "Es liegt mir fern, sie provozieren zu wollen. Die Mutation ist nicht das Problem. Wenn sie sich auf meinen Fall einlassen wollen, Doc?"
Bolton schmunzelte.
"Ein Fall wie ihrer wird mir wohl in den nächsten vierzig Jahren nicht mehr begegnen. Ich wäre mehr als dumm, wenn ich ablehnen würde."
Keoma Lewis lächelte, und mit einem Mal sah er überaus jung aus, fast wie Mitte Zwanzig, obwohl er die Vierzig bereits überschritten hatte.
"Wenn sie ablehnen würden, wer weiß, Doc? Vielleicht würden sie die nächsten vier Jahrzehnte besser schlafen? Oder lieben sie es, dem Leoparden die Pranke zu schütteln?"
Dr. Bolton hob schicksalsergeben die Hände.
"Neugierde und Ehrgeiz, Mr. Lewis, Neugierde und Ehrgeiz. Die beiden haben alle Zeit den wahren Forschergeist ausgemacht. Niemand meiner Art kann sich dagegen wehren."
Lewis' Augen funkelten tückisch.
"Aber jeder ihrer Art, Dr. Bolton, sollte zumindest in groben Zügen wissen, worauf er sich einläßt. Berühren sie mit ihrem Zeigefinger, gleich welcher Hand, das Zentrum meiner Unterlippe. Nur ganz leicht. Sie werden die Berührung genau zehn Sekunden lang aufrechterhalten - auf keinen Fall kürzer und mit Sicherheit nicht länger. Tun sie, was ich ihnen gesagt habe!"
Bolton einen Moment lang unschlüssig, überrascht - nicht fähig, sich zu bewegen. Lewis bestimmt, seiner Sache absolut sicher - keinen Widerspruch zulassend. Und Peter Boltons Finger legte sich auf Lewis' Unterlippe.
Sieben Sekunden später riß Bolton die Hand zurück, mit aufgerissenen Augen und jagendem Pulsschlag.
"Es braucht ihnen wirklich nicht peinlich zu sein, Doc."
Lewis lachte, als wäre ihm ein besonders ausgefallener Spaß gelungen, während ein hochrot angelaufener Dr. Peter Bolton an dem hoffnungslosen Unterfangen scheiterte, seine Ejakulation zurückzuhalten und sich in seine maßgeschneiderten Hosen ergoß.
"Es hat ihnen wirklich gefallen, nicht wahr, Doc? Und es wäre das Beste gewesen, was sie jemals erlebt haben, wenn sie nur noch einen kleinen Moment länger durchgehalten hätten. Sie haben ihren Finger etwas zu früh zurückgezogen. Ich wette, sie hätten geschrien vor Lust!"
Peter Bolton, immer noch hochrot, nestelte nervös und völlig außer Fassung an seiner Hosennaht im Schritt herum, wo sich langsam ein feuchter, klebriger Fleck ausbreitete. Dann setzte er sich abrupt, mit ein paar schnellen Schritten, in den Sessel hinter seinem Schreibtisch, die Beine übereinanderschlagend, um zu vertuschen, was nicht mehr zu vertuschen war. Lewis aber lachte noch immer. Die Tränen standen ihm nun in den Augen, so sehr mußte er lachen.
"Neugierde und Ehrgeiz! Ich darf sie doch sicher wiederholen, Dr. Bolton? Wahrer Forschergeist! Praktischer Forschergeist, Dr. Bolton! Das ist es, worauf es ankommt. Sie müssen die Dinge ficken, in ihr tiefstes Inneres dringen, um ihnen ihr Geheimnis zu entlocken. Sie müssen erfahren - sie dürfen nicht haltmachen vor den Dingen, die ihnen Angst einjagen."
Keoma Lewis schien sich nun beinahe vollkommen zu verändern. Seine Augen leuchteten, hatten einen fast schon fanatischen Ausdruck angenommen, und sein Gesicht - sein Gesicht wirkte wie das eines höchstens zwanzigjährigen Jungen, der sich auf der Höhe seiner Kraft befindet, eines Jungen, der glaubt, die Welt aus den Angeln heben zu können.
Er hatte sich direkt vor Bolton aufgebaut, leicht vorgebeugt und beide Hände auf den Lehnen rechts und links von dessen Knien abgestützt, sein Gesicht gefährlich nahe vor dem Gesicht Boltons.
"Sie müssen die Dinge ficken, Dr. Bolton."
Leise. Eindringlich.
Die einzige zulässige Wahrheit.
Ein falsches Wort...
Die alte Wanduhr schlug viermal.
Es war das erste Mal an diesem Tag, dass Dr. Bolton wirklich Angst hatte, zutiefst empfundene Angst.
Das jugendliche Gesicht mit den klaren, stechenden Augen nahm beinahe sein ganzes Gesichtsfeld ein, schien zu lauern auf seine Reaktion - und irgend etwas in Bolton wußte mit absoluter Sicherheit, dass er seine Angst auf keinen Fall nach außen dringen lassen durfte, wenn er diesen Tag überleben wollte. Was immer mit Mr. Lewis vor zwanzig Jahren (oder heute?) geschehen sein mochte, es hatte ihn mehr Tier als Mensch werden lassen. Das Gefühl der Angst provoziert den Jagdinstinkt.
Dr. Peter Bolton konnte die triefenden Giftzähne hinter den geschlossenen Lippen mehr ahnen als sehen - aber er war sicher, dass sie da waren.
"Sagen sie mir, Mr. Lewis.."
"Keoma, Doc, nennen sie mich Keoma. Ich darf doch sicher Peter zu ihnen sagen, nach allem, was wir gemeinsam erlebt haben?"
"Nun gut...Keoma. Können sie mir erklären, was das...bei mir ausgelöst hat?"
"Sie meinen, dass sie abgespritzt haben, Peter?"
"Wenn sie es so ausdrücken wollen."
"Es beunruhigt sie, nicht wahr? Sie berühren einen Mann ein paar Sekunden an der Unterlippe und bekommen einen Orgasmus, vielleicht sogar einen stärkeren, als sie jemals erlebt haben, und das beunruhigt sie, Peter!
Ich bin aufgeladen, Peter. Es ist Tania, die sie spüren, Doc. Sie hat es ihnen besorgt. Sie hat mich vor langer Zeit berührt und zu dem gemacht, was ich nun bin - und ich bin mir selbst nicht sicher darüber, was ich eigentlich bin."
"Sagen sie mir, Keoma: was wäre geschehen, wenn ich sie länger als zehn Sekunden an ihrer Unterlippe berührt hätte?"
Keoma Lewis lachte aus vollem Hals und schlug Peter Bolton kameradschaftlich auf die Schulter, prustend vor Lachen.
"Sie hätten es nicht ausgehalten, Peter. Ihre Sicherungen wären durchgeknallt und sie wären gestorben im gleichen Moment, in dem sie mit aller Macht gekommen wären. Bei Gott, Peter! Sie hätten ihre Innereien an alle vier Wände des Raums gespritzt, wenn sie nicht rechtzeitig genug bekommen hätten."
Peter Bolton wurde käseweiß im Gesicht.
"Und jetzt lassen sie mich endlich weitererzählen, was in diesem verdammt heißen Sommer passiert ist, nachdem ich mein Shirt über den Kopf gezogen habe, sonst sitzen wir ja morgen früh noch hier - und das wollen wir doch beide nicht, oder?"
Dr. Peter Bolton kam zu der glücklichen Einsicht, dass es klüger war, nicht auf die Frage zu antworten.
Sein Patient setzte sich wieder und begann zu erzählen.
"Ich blinzelte in die Sonne und da sah ich sie stehen, mitten auf der Straße. Ich konnte sie zuerst nur undeutlich, schemenhaft erkennen - so sehr war ich vom Sonnenlicht geblendet. Ich hielt mein schweißnasses Shirt in der linken Hand und blieb wie angewurzelt stehen - ich hätte schwören mögen, dass sie Sekunden zuvor nicht da gewesen war; und niemand sonst war hier auf der Straße. Es war ein verschlafenes Fischernest, und hätte man nicht abends ein paar Typen auf der Straße sehen können..mein Gott - es hätte wirklich eine gute Kulisse abgegeben für The Day After oder Das unheimliche Verschwinden derer, die unreine Gedanken hegen.
Da stand sie also und lächelte mich an. Einfach so, ohne mich zu kennen. Es war, als ob ich träumte. Sie war wunderschön mit ihren blonden Haaren und blaugrünen Augen. Sie trug weiße Slipper an den Füßen und ihr im Wind spielender Rock war mit roten Rosen auf weißem Grund bedruckt (die Rosen sahen allerdings seltsam echt aus, fast so, als seien sie in den Stoff eingenäht). Ihre kleinen, festen Brüste wurden von einem schwarzen, ärmellosen Shirt vor meinen Blicken verborgen.
Sie sah sehr jung und unschuldig aus, jedenfalls war das mein erster Eindruck, und sie lächelte mich in einer Art an, als wollte sie mit mir spielen. Aber ich wußte, dass es keine unschuldigen Spiele sein würden, als sie sich einfach umdrehte, über die Schulter schaute, kess ihren hübschen Po betonte, indem sie ein leichtes Hohlkreuz machte und sagte:
“Willst du?”
Ich war sicher, dass ich jeden Augenblick platzen müßte vor Geilheit, so scharf machte mich ihre einfache Pose.
“Wer bist du?”, war alles, was ich in dem Moment stammeln konnte angesichts dieses unglaublich schönen, göttlichen Wesens.
“Ich bin Tania. Du wirst Keoma für mich sein. Willst du mit mir kommen, süßer Keoma?”
Sie nannte mich Keoma und ich war Keoma - von dem Augenblick an. Es gab keinen Namen, der besser zu mir hätte passen können.
Keoma - das klang fremd, wild und aufregend...und so wollte ich für sie sein.
Keoma - das war mein geheimer, mein wahrer Name, ganz so, wie es in den alten Religionen überliefert wird. Keoma war mein innerster Wesenskern, und nur Keoma war es, der wirklich zählte. Können sie begreifen, was sie wirklich tat, Peter?
Tania nannte mich. Dieses eigenartige Mädchen rief mich hervor, brachte Keoma an die Oberfläche. Sie schuf Keoma, wenn sie so wollen. Das war es, was sie tat - und von dem Moment an hatte sie mein Leben in der Hand.
“Willst du mit mir kommen, süßer Keoma?”
Eine Wahl hatte ich nicht und wollte sie auch nicht. Ich war nicht mehr derselbe, Peter. Den Jungen, der mit seiner Klasse nach Island reiste - den gab es nicht mehr. Es gab nur noch Keoma - und Keoma war dazu bestimmt, fremd und wild zu sein, denn Keoma war untrennbar mit ihr verbunden.
“Ich bin Tania. Du wirst Keoma für mich sein.”
Sie hat mich für sich geschaffen, Doc, ganz zu ihrem Vergnügen.
Ich war das Kaninchen, das starr vor Faszination in die Augen der Schlange schaut. Ich war das Männchen der furchtbaren Gottesanbeterin, das sich nach dem vollzogenen Geschlechtsakt bereitwillig verzehren läßt.
Keoma war zu Tanias Lust geschaffen. ER war vollkommen IHR Geschöpf.
Dennoch glaubte ich lange Zeit, es wäre mein eigener Entschluß gewesen, der mich mit ihr gehen ließ. Keoma wollte, Keoma ging. Das war es, was ich glauben wollte. Aber wollen wir erwachsen werden, Peter? Wollen wir uns verlieben in die und die bestimmte Frau? Wollen wir älter werden? Wollen wir sterben, Peter?
Es gibt zu viele Dinge, die sich unserem direkten Zugriff, unserem Wollen entziehen. Vielleicht ist jeder Wille nur Illusion.
Aber was sage ich eigentlich, Peter! Ich war das Kaninchen, ich war das Männchen, doch sie - sie war weder Schlange noch Gottesanbeterin. Diese Attribute werden ihr nur teilweise gerecht. Sie war weitaus mehr.
Tania nennt die Dinge. Tania will und bekommt. Tania bewegt sich weit jenseits von Gut und Böse, Peter. LUST ist das Prinzip, das SIE am besten umschreibt.
TANIA ist LUST - und das erhebt sie zur GÖTTIN. SIE kennt keine Regeln.
Dieses bezaubernde, unschuldige, raffinierte Mädchen streckt mir also äußerst einladend ihren hübschen Po entgegen und fordert mich auf, mit ihr mitzukommen, wohin auch immer. Und so trat ich eine Reise an, die mich weiter wegführte, als ich jemals hätte zu träumen wagen.
Sie müssen bedenken, Peter, ich war lediglich ein etwa zwanzig Jahre alter Junge, der der unerklärlichen Faszination eines langbeinigen Teenagermädchens verfallen war, der auf unheimliche Weise berührt worden war, und der nicht im mindesten wußte, auf welches haarsträubende Abenteuer er sich da einlassen sollte."
“Ja, ich will - wohin immer du gehen willst.”
Ich war wie betäubt, fast wie hypnotisiert. Alles erschien mir wie ein Traum, auf seltsame Weise unwirklich - und dann doch wieder völlig intensiv, erschreckend real. Ich befand mich in einem instabilen Zwischenzustand meiner persönlichen Wirklichkeit, auf einem äußerst schmalen Grad der Wahrnehmung.
Einer Art der Wahrnehmung, die es mir erlaubte, auch ungewöhnliche Dinge - ganz wie im Traum - unbefangen auf- und hinzunehmen, ohne dadurch aus der zerbrechlichen Grundform meiner Realität katapultiert zu werden, um dann unweigerlich angesichts des Unbekannten in einen schockartigen Zustand zu geraten.
Dieser Zwischenzustand erlaubte mir also, bewußt zu bleiben - und auch dafür war Tania verantwortlich.
Sie hatte nichts anderes als meine Zustimmung erwartet.
“Dann komm!” sagte sie und drehte sich um, so dass sie nun wieder frontal zu mir stand. Ihre Arme hatte sie schräg nach hinten ausgestreckt, so als hielte sie sich an einem unsichtbaren Bühnenvorhang fest.
Die Luft hinter ihr begann zu flirren und zu wabern - fast so, wie Luftspiegelungen an einem sehr heißen Sommertag über einer erhitzten Landstraße aussehen, und dann tat sich ein Riß auf in der Wirklichkeit.
Es war heiß auf Island, aber nicht so heiß - jedenfalls nicht so heiß, dass Luftspiegelungen hätten entstehen können - und ich konnte Grün durchschimmern sehen, viel Grün. Sattes Grün, helles Grün, alle Arten von Grün. Ich konnte "Laute" hören, allerlei fremde Laute, noch fern zwar wie unter Wasser, doch real vorhanden.
Es war, als hätte jemand ein Bild eingerissen, ein Bild auf einer Leinwand...und dabei festgestellt, dass dahinter, hinter dem Bild, durch das Bild hindurch...
“Komm schon, Keoma! Sei kein Feigling!”
Tania lächelte mich an, so als würde überhaupt nichts Ungewöhnliches passieren, und hielt mit beiden Händen den Riß für uns offen.
Ich ging zu ihr, ohne lange zu zögern - und wir glitten beide widerstandslos in das grüne Gewabere und Geflimmere hinein. Einen Augenblick lang fühlte es sich an, als hätte ich unter Wasser die Augen offen. Ich spürte ihre Hand um meine Hand - und schon waren wir hindurch."
"Ich wußte, dass es schwierig sein würde...und dass dennoch die Chance da war, etwas Phantastisches, absolut Faszinierendes zu erleben, das mich mein ganzes Leben lang beschäftigen würde...und ich versuchte zu glauben, dass es möglich war.
So legte ich all meine Kraft in das unglaubliche Unterfangen, diese Brücke zu schlagen und den Weg zu markieren!"
- Ende Teil 1 -
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