Drachenopfer

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Drachenopfer

Drachenopfer

Irena Böttcher

Der Ritter war müde. Drei Jahre war er nun bereits unterwegs auf der Suche nach dem gelben Drachen. Und immer, wenn er ihn beinahe gefunden hatte, erhob dieser sich mit einem markerschütternden Schrei in die Lüfte und suchte einen anderen Teil des Landes heim. So, als ob er nur darauf gewartet hätte, daß der Ritter nahe genug heran war, um seinen Aufbruch zur nächsten Welle der Zerstörung beobachten zu können.
Daheim warteten Frau und Kinder. Aber an die dachte der Ritter schon fast nicht mehr. Zu lange war es her, daß er einen von ihnen in den Armen gehalten hatte. Inzwischen konnte er sich nicht einmal mehr an das Gesicht seiner Frau erinnern.
Die Sonne senkte sich bereits herab und färbte die Spitzen der Hügel in der Entfernung golden, den Himmel selbst aber blutrot. Ein böses Omen, dachte der Ritter erschrocken. Die Stadttore, die er bereits am frühen Morgen vor sich gesehen hatte, schienen noch immer etliche Stunden entfernt zu sein. Er blickte sich um. Der Wald um ihn herum wirkte feindselig. Nein, hier will ich nicht bleiben, beschloß der Ritter. Zu viele Nächte schon hatte er in Einsamkeit verbracht. Er hatte Hunger und Durst, und er brauchte endlich wieder einmal eine Frau. Seine inzwischen fast ständig steil aufragende Männlichkeit brachte ihn beinahe um. Sich selbst berühren durfte er nicht, das hatte ihm die weise Frau eingeschärft, die er vor seinem Aufbruch befragt hatte. Denn das würde ihn mit Gewißheit den Sieg über den Drachen kosten. Er verstand die Zusammenhänge nicht, aber er glaubte der weisen Frau.
Mitten in der Nacht erreichte der Ritter endlich die Tore der Stadt. Er hatte erwartet, daß um diese Zeit alles schlafen würde, bis auf ein paar wenige Wachleute. Doch zu seiner Verwunderung hatte er schon seit einiger Zeit Gesänge und Geschrei vernommen, und die Lichter waren nicht weniger geworden, sondern mehr.
Als er sich der Zugbrücke näherte, traten eilfertig zwei Wachen zu ihm und knieten zu seiner Verwunderung vor den Hufen seines Pferdes nieder. Ob es sich bereits herumgesprochen hatte, daß er der Drachenjäger war, dem bei seiner Geburt geweissagt worden war, er werde eines Tages dem gelben Drachen gegenüberstehen und ihn besiegen, wenn er sich streng an die alten Lehren halte?

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