Chlamydien. Hepatitis A, B und C. Syphilis. Humanes Papillomavirus HPV. HIV (ja, leider auch).
Es sind diese – und zum Teil bis heute vollkommen unbekannte – Geschlechtskrankheiten, die Gonserdorf, das kleine 400-Seelen-Nest in einem schattigen Seitental, auf gerade mal 100 Einwohner hatte schrumpfen lassen. Tragischerweise waren es die Frauen gewesen, die viel zu früh das Zeitliche hatten segnen müssen. Tragisch auch deshalb, weil doch sie es gewesen waren, die Gonserdorf zum Leuchten, Duften und Klingen gebracht hatten. Zum Leuchten mit selbst gezogenen Kerzen, zum Duften mit selbst gebackenem Brot und selbst gebrautem Bier, zum Klingen mit hübschem, liebevoll ausgesuchtem Geschirr und Besteck.
400 Seelen. Allzu unvorsichtig waren die Männer mit den delikaten weibliche Ressourcen umgegangen, so, als seien sie unerschöpflich. Der Bäcker mit der Müllerin. Der Knecht mit der Gruberbäuerin. Die drei Dorfpolizisten mit der Sternenwirtin. Alle übers Kreuz, alle dann, wenn es passte, alle gedankenlos, die Männer schwanz- und die Frauen hormongesteuert.
Die Verantwortung für das schleichende Aussterben weiblicher Geschöpfe im Gonserdorf war keineswegs nur den Männern anzulasten. Die Frauen hatten bewusst ihre Lockenpracht spielen lassen, hatten den Männern ganz bewusst magische Einblicke in ihren Busen gegönnt, worunter man das Tal zwischen den beiden Hügeln versteht. Die Frauen hatten die Männer bewusst auch an ihre Scham gelassen, im Dachstock, im Steinbruch, im Weinkeller gar. Geilheit im Gonserdorf war ein ubiquitäres Phänomen, alle waren davon erfasst worden – auch die Tiere. Aber diese blieben, Gott sei Dank, unter sich.
So geschah es, dass am Ende des 20. Jahrhunderts nur Dunja überlebte. Dunja war gerade mal 18 Jahre alt und strahlte eine derartige Frische aus, dass die Vögel im Himmel hängen blieben, wenn sie ihrer gewahr wurden, den Wölfen das Heulen im Halse steckenblieb und die Kühe mehr Milch gaben – wenn sie Dunjas Stimme vernahmen. Dunjas Stimme. Ursache zahlloser feuchter Träume, und, ja, es sei hier erwähnt: Manchen männlichen Gonserdorfer Einwohnern ging glatt der Schuss ab, wenn sie Dunjas zarter, liebevoller Stimme lauschten. Dunja ahnte, aber sie wusste nicht. Dunja träumte, aber sie lebte nicht. Dunja, hoffte und sehnte sich. Sie sehnte sich nach ihren drei Schwestern, nach ihrer Mutter, nach ihren Tanten. Alle waren sie ihr abhanden gekommen, Chlamydien, Hepatitis und HPV sei Dank. Die Verstorbenen geisterten, so wollte es die Sage, auf dem Friedhof, der etwas ausserhalb des Dorfes lag, und Dunja hätte bezeugen können, dass in ganz bestimmten Nächten ihre Schwestern um die Grabsteine herumtanzten und -alberten. Nina, Senna, Sikrit. Wie sehr Dunja sie vermisste, hätte sie in keinerlei Sprache zu kleiden vermocht.
Es kam, wie es kommen musste. Die Frauen waren zwar tot, der Sexus, das männliche Verlangen nach weiblicher Wärme, loderte aber wie immer. Es loderte unauslöschlich, und das Verlangen projizierte sich nun auf die ahnungslose Dunja.
Sie lebte allein auf dem Hof ihrer verstorbenen Eltern, und während rundherum heilloses Chaos herrschte - welcher Mann ist schon imstande, den Hof zu wischen und die Kufen ordnungsgemäss aufzureihen -, war Dunjas kleine Heimat ein wahres kleines Paradies. Im Sommer blühte der Clematis, des Winters war der Feuerschein aus Dunjas kleiner Küche weitherum zu sehen. Während die einsamen Männer in der Umgebung trübselig kalte Grütze löffelten und sich zu später Stunde klamm in ihre Betten legten, durchlebte Dunja die Abende und Nächte einsam zwar, aber stets satt und stets in Wärme. Auch auf ihre Körperpflege achtete sie sehr, wusch sich immer gründlich und achtete penibel darauf, dass ihr lockiges Haupthaar zur Geltung kam. Zarte Zöpfe flocht sie hinein, zur Freude aller. Mit jedem Monat, der ins Land zog, wurde Dunja sich ihrer Eigenschaften, ihres Talents als Verführerin, besser bewusst, und sie hatte schon damit begonnen, ihre Waffen da und dort gezielt und raffiniert einzusetzen. Nur Dunja allein verfügte über die Waffe des wiegenden Gangs, die Waffe wogender Brüste, die Waffe halbgeöffneter Lippen, die Waffe zarter Hände, unter deren Haut ein hübsches und unwiderstehliches Venengeflecht schimmerte.
Dunja war zwar kräftig gebaut, was ihren grossen Hintern und ihre ausladenden Brüste anging, um die Taille herum war sie aber eher zierlich, und auch ihre Hände waren ausgesprochen filigran, wie geschaffen eigentlich, um männliche Zentralorgane in einen Glückstaumel zu versetzen.
Gleichzeitig war Dunja eher menschenscheu – sie mied die plumpen Einladungen der Bauern aus der Umgebung, und liess sich noch nicht einmal vom Wirt zu einem Rindsschmorbraten einladen – obwohl ihr schon beim Gedanken daran das Wasser im Mund zusammenlief. Aber Dunja mochte die anzüglichen Bemerkungen nicht, die sich immer und überall auf ihren «reifen», wie die Männer sagten, Körper bezogen. Der reife Frauenkörper. Dunjas reifer Frauenkörper. Heute würde man dazu unverschämt «fuckable» sagen. Jeder Zentimeter von Dunjas Körper dürstete im Grunde nach Liebe und strahlte Verlangen aus. Unerschöpfliches Verlangen. Aber Dunja war nicht dumm und erinnerte sich sehr wohl, welchen Weg ihre drei Schwestern, ihre Mutter, ihre Tanten gegangen waren. Welch leidvollen Weg sie hatten beschreiten müssen, bis dass sie endlich ein milder Tod erlöste.
Silbert, der Hangbauer, war der Erste. Dunja hatte ihm den ganzen Tag beim Rechen geholfen, hatte ihn dabei unterstützt, den Kartoffelacker am Hang von Steinen zu befreien und die paar kärglichen Reben an der Hauswand hochzubinden. Ein hübsches kleines Mahl bei dem gutaussehenden jungen Mann hatte Dunja ebenfalls nicht ausgeschlagen. Silbert war einer der Wenigen, die ausgezeichnet kochen konnten.
Der Nachmittag neigte sich dem Abend, der Abend der Nacht zu. «Bleib», sagte Silbert mit einem derart verlangenden Blick zur jungen, hübschen Dunja, dass diese ihr Jäckchen wieder auszog und sich lächelnd auf die Ofenbank setzte. «Und jetzt…?», frage sie sibyllinisch. Mit einem Kopfnicken wies Silbert hinüber zum Schlafgemach. Dunjas Herz schlug bis zum Hals. Sollte sie… hier…? Aber sie hatte Silbert ins Herz geschlossen, und ihr war sehr wohl bewusst, dass man nur ein einziges Mal lebte. Also knöpfte sie ihre Bluse auf und zeigte dem verdatterten Hangbauern ihre schweren, appetitlichen Zaubertitten. Dunjas steife Nippel brachten den jungen Mann nahezu um den Verstand, aber er war zu höflich, um danach zu greifen – wie man es etwa tat, wenn man von einem Spalier eine Aprikose pflücken wollte. Silbert beliess es dabei, Dunjas Aprikosen zu bestaunen, und weiter zu staunen, als Dunja sich an ihrem Rock zu schaffen machte. Als sie splitternackt vor Silbert stand, war es um diesen geschehen. Er ging auf Dunja zu und drückte sie an sich – mit einer Zärtlichkeit, die die Welt noch kaum je erlebt hat. Intuitiv liess Silbert seine Händer über Dunjas festen Hintern gleiten und streichelte ihre Kehrseite mit kreisenden Bewegungen, so, dass ihr Unterleib ganz warm wurde. Als Silbert aber versuchte, Dunja zu küssen, wich sie zurück. Sie verstand nichts von Übertragung, Ansteckung, nichts von Krankheitserregern – aber eine innere Stimme verriet ihr, dass die Dorffrauen beim Liebemachen oder durch das Liebemachen verendet waren.
Dunja taumelte, halb bewusstlos vor Lust, hinter Silbert in dessen Schlafzimmer, in dem gerade eine Kuckucksuhr 20:00 Uhr schlug. Wortlos entkleidete sich Silbert und legte sich aufs Bett, wobei er eine Mulde für seine Gespielin frei liess. Dunja setzte sich zu ihm und blickte ihn fragend an. Dann zog er sie zu sich auf die Matratze, kuschelte sich in ihren Rücken und erkundete Dunjas Prachtskörper mit seinen Bauernhänden. Sie waren erstaunlich gepflegt, gänzlich ohne Schwielen, was Dunja mit einem wohligen Seufzer quittierte. Dann liess sie den jungen Mann an ihre Titten, an ihren Bauch, und, klar, an ihren warmen Unterleib, an ihren Busch. Dunja liess aber nur Silberts Hände gewähren, er durfte sie streicheln, so lange er wollte. Seinen harten Schwanz wies sie ab und versteifte sich.
Silbert begriff sofort. Wollte er Dunja halten, wollte er ihre weibliche Wärme, wollte er etwas Glück in seinem harten Bauernleben, durfte er die schöne junge Frau lediglich ausgiebig streicheln, niemals aber mit seinem Zentralorgan ihr Inneres erkunden.
So schliefen die beiden Liebenden innig umschlungen ein.
Silbert war kein Mann von Traurigkeit, und schon gar kein Mann der Verschwiegenheit. Am nächsten Tag schon, über Mittag, in der Dorfkaschemme, über der Erbsensuppe, schilderte er nach zwei Schlucken Dunkelbier seine nächtliche Episode mit der einzigen Frau im Dorf. Auf einen Schlag röteten sich die Ohren der Bauern und weiteren Dorfbewohner am langen Eichenholztisch. Sie alle waren zwar überarbeitet, aber geil bis ans Halszäpfchen hinan, und jeder stellte sich Dunjas Prachtskörper in schillernden Farben vor. Ein Teil der Fantasien zielte vollkommen an Dunja vorbei, andere Fantasien wieder trafen das Aussehen von Dunjas Brüsten und von ihrem Hintern punktgenau. Es waren die Fantasien all jener Männer, die bereits mit Dunjas drei Schwestern, ihrer Mutter und ihren Tanten zugange gewesen waren.
Allgemeines Raunen erhob sich, als plötzlich Dunja die Kaschemme betrat. «Willkommen, Kleines», orgelten die Männer, und es klang wie ein Rudel röhrender Wölfe. Keck zwinkerte Dunja Silbert zu, wohl ahnend, dass sie soeben Gegenstand eines Männergesprächs gewesen war. Es machte ihr nichts aus. Dunja war alles andere als prüde und besorgte es sich Nacht für Nacht selbst, mit vom Mond beschienenem offenem Haar. In ihren Fantasien waren die Männer in ihr, aber sie hing am Leben und ahnte, ohne wirklich jemals aufgeklärt worden zu sein, dass sie alles tun durfte, auch nackt, nur eben dieses eine nicht. Kein Mann durfte in ihr Allerheiligstes eindringen. Auf ihrer Kommode hatte Dunja sogar ein kleines Kunstwerk aus getrocknetem Lehm stehen. Eine Vulva, seitlich von einer Kerze beleuchtet. Zu Lebzeiten ihrer Familie hatte dort die Mutter Gottes gestanden, gegenüber einem Jesulein in der Krippe. Dunja hatte beides entsorgt – denn was ist schon Maria, was ist schon Jesus gegen eine hübsch modellierte Vulva.
Es begab sich bald darauf, dass Dunja reihum gereicht wurde. Sie wurde aber nicht etwa passiv herumgereicht, sondern sie gab sich den Männern selbst, auch dem geistig beeinträchtigten Joseph, Knecht auf dem Hof des Gruberbauern. Und alle hielten sich eisern ans Gesetz, das Silbert ihnen eingebläut hatte. «Streicheln dürft Ihr sie, dann gehört sie noch lange uns. Aber nur streicheln, nicht vögeln». So die derbe, unmissverständliche Sprache der Männer aus dem Gonserdorf. In zarten Schwaden kam ein Hauch von Glück ins Dorf zurück, und alle wussten, dass sie drei bis vier Mal pro Jahr eine Nacht mit Dunja verbringen durften. 100 Männer. 365 Tage.
Dunja, das Streichelmädchen. Dunja wurde auf dem Dachboden, im Heu, in den Weinkellern, in den Bäckereistuben, auf dem Schanktresen, auf der Weide, im Kuh- oder Schweinestall, in den Küchen und den rustikalen Schlafkammern von Gonserdorf gestreichelt, gestreichelt und nochmals gestreichelt – von schwieligen, gepflegten, grossen, kleinen, kräftigen, sehnenreichen oder weichen, schwammigen Männerhänden. Und alles war gut. Obwohl Dunjas Nacktheit die Vögellust der Eingeborenen ins Unermessliche steigerte, hielten sie sich an den Kodex, dass diese letzte innige Verbindung mit dieser Frau allen untersagt war.
Dunja wurde und blieb Allgemeingut, sie selbst genoss all die Männer als eine Art Privateigentum, die ihr nichts taten, als sie zu streicheln.
Dunja, das Streichelmädchen.
Und wenn sie nicht gestorben ist, so lebt sie noch heute. Kerngesund, sinnlich, frei von Chlamydien. Hepatitis A, B und C. Syphilis. Humanem Papillomavirus HPV und HIV.
Dunja, das Streichelmädchen
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Dunja, das Streichelmädchen
schreibt Huldreich