„Na schön, dann überleg noch ein Bisschen während ich es mir bequem mache.“
Er zog sein Jackett aus, warf es über einen Sessel, entledigte sich seiner Krawatte und krempelte die Hemdärmel auf. Aufmerksam beobachtete sie ihn unter halb gesenkten Lidern hervor. Von den Fotos her hatte sie zwar gewusst, dass er nicht nur eine hervorragende Figur besaß sondern außerdem auch verdammt gut aussah, aber seine raubtierhafte Kraft und Schnelligkeit hatten sie in Erstaunen versetzt. Als er den Kragen seines Hemdes aufknöpfte, erstarrte sie. An einer massiven Platinkette hing ein edel verzierter Speichstick um seinen Hals. Mist! Sie fluchte innerlich und überlegte fieberhaft, wie sie unbeschadet, natürlich mit dem Stick, aus dieser Nummer rauskommen sollte.
In der Zwischenzeit hatte er sich einen Drink eingeschenkt und lehnte nun, mit dem Glas in der Hand an der Bar. Sie spürte, wie er sie musterte, und eine Idee begann in ihrem Kopf Gestalt anzunehmen. Da sie wirklich ein wenig Angst hatte, fiel es ihr nicht schwer, ein furchtsames Zittern in ihre Stimme zu legen, als sie fragte:
„Was haben sie jetzt mit mir vor?“ und ihn dabei mit ihrem besten Kleinmädchenblick anzusehen.
Er runzelte die Stirn und trat auf sie zu, ließ allerdings genug Abstand zwischen ihnen, um nicht nochmal von ihr überrumpelt werden zu können.
„Ich will wissen, was du gesucht hast!“ knurrte er.
Sie senkte leicht den Kopf und murmelte:
„Geld, Schmuck, Kreditkarten. Und alles, was sich schnell zu Barem machen lässt.“
Dann hob sie ihr Gesicht und bettelte mit flehentlich weit aufgerissenen Augen:
„Bitte rufen sie nicht die Polizei, ich habe nichts von ihren Sachen fort genommen. Und“, sie schluckte, „es tut mir leid, dass ich sie gebissen habe.“
„Hm“, er genehmigte sich einen Schluck aus seinem Glas und näherte sich ihr vorsichtig.
Seine Augen glitten über sie und er stellte fest, dass ihm gefiel, was er sah. Das blonde Haar reichte ihr bis zu den Hüften und ihr Gesicht war äußerst ansprechend. Nicht fein genug, um dem gängigen Schönheitsideal zu genügen, aber genau dies machte sie in seinen Augen sehr interessant. Sie war, soweit er es erkennen konnte, nicht geschminkt und ihre cremefarbene Haut hob sich hervorragend von der schwarzen Kleidung ab. Eigentlich hatte er vor gehabt, sich nur kurz der unbequemen Krawatte zu entledigen und danach einen Abstecher in die Hotelbar zu machen, um sich nach einer hübschen Gesellschaft für die Nacht umzusehen.
Die Ehre der Diebe
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