Eine Fiktion

2 4-8 Minuten 0 Kommentare
Eine Fiktion

Eine Fiktion

Vera Stein

Es war nach meinem Kaffee am Morgen, ich las gerade von meinem Pocketdisplay die neuesten Nachrichten, vom Monitor hinter mir an der Wand wurde ich mit Musik berieselt. Die schönen tanzenden Körper nahm ich nicht kaum wahr, viel zu gespannt verfolgte ich den Textfluss vor meinen Augen.
Ja, spannend, was in der Welt so abgeht, dachte ich.
Fast hätte ich das Türsignal überhört, doch es wurde lauter und eindringlicher, außerdem blinkte zusätzlich auf meinem Display dieses S i e – h a b e n – B e s u c h auf.
Ich schlang mir das großes Handtuch noch einmal fest um meinen üppigen Körper, machte einen Knoten und blickte im Vorbeigehen schnell in den Spiegel: Das Haar liegt immer noch.
Und das nach einer Nacht voller erregender Träume! Als ich erwachte, da fühlte ich mich, wie in meinem eigenen Sud gebadet!
Ich drückte die Taste neben der Eingangstür, das nervende Ding Ding erlosch, öffnete die Tür und…
Eine Meute Uniformierter stürmte an mir vorbei, die letzten beiden packten mich an den Händen und schon schnappten die Handschellen zu.
(Oh wow, welch Überraschung am frühen Morgen. Er weiß eben, wie er mich aus der Fassung bringen kann. Das fühlt sich ja aufregend an. Oder ist das ein lieber Spaß meiner Freunde?)
"Sie werden verdächtigt, irrsinnige Phantasien zu haben, unerlaubte dazu! Oh mein Gott, und hören sie endlich auf damit!"
Der Uniformierte vor mir fasste sich genervt an den Kopf, verzog das Gesicht, als würde ihn eine heftige Migräne plagen. Dann zog er den Stöpsel aus seinem Ohr, die Verbindung zur Zentrale zum Empfang unerlaubter Gedanken war gekappt.
Plötzlich wurde mir klar: Das ist kein Spaß, purer Ernst.
Jäger!
Mein Herz knallte auf den blanken Boden unter meinen Füßen! Kein Spaß! Dann fiel auch noch das Handtuch zu Boden und alle starrten mich ganz entsetzt an. Splitternackt stand ich inmitten der Uniformierten. Nur Männer um mich herum.
"Auch das noch! Werft ihr endlich was über und glotzt nicht so!
Und dann a b f ü h r e n !"
Der Jäger brüllte seine Männer an und schon saß ich in der kleinen Transporteinheit.
Eine Stunde später.
In der Verhörzelle der Jäger fand ich mich wieder. Sie hatten mir einen Overall übergestreift und klebten lauter Sonden an meinen Kopf.
Da saß ich nun und permanent hörte ich meinen eigenen Puls aus einem der Geräte schlagen, Nadeln glitten kratzend über Papier, erfassten meine Hirnaktivitäten und eine so rabiate Gestalt zapfte mir auch noch Blut ab.
Eine Frau ganz in Weiß baute sich vor mir auf.
Verächtlich schaute sie mich an, rümpfte die Nase und setze sich an das Pult. Wild begann sie auf der Tastatur zu tippen, schaute hin und wieder zu mir herüber, ob ich auch noch da bin, obwohl ich so oder so nicht flüchten konnte. Ich war immer noch gefesselt und zwei schwere Stahlmanschetten an meinen Füßen, fest im Boden verankert, verhinderten wahrlich jede Flucht.
(Hm, das hatte ich mir schon immer gewünscht, einmal gefesselt zu sein, nicht fliehen zu können, verhört zu werden… Wird sie mich jetzt verhören? Darf ich jetzt wieder gehen?)
"Sie sind?"
"Ich bin 49110749"
"Was soll das?"
"Das ist meine Bezeichnung."
"Diese Bezeichnung ist unzulässig! Ebenso wie ihre Gedanken, Phantasien! Noch einmal, wer sind sie?"
"49110749"
"Das ist keine zulässige Bezeichnung!"
Sie schrie mich an und rief ein neues Programm auf.
Ein Bild nach dem anderen verglich sie mit denen der registrierten. Ewig und ewig!
"Sie sind AlphaK605!"
"Nein!"
So heiße ich schon lange nicht mehr, da kann sie sich auf den Kopf stellen, schoss es mir durch den Kopf.
Ich hatte doch vor über zwei Jahren in einem Club diesen überaus interessanten Mann kennen gelernt. Wir gingen diese Beziehung ein und ich durfte seine Sklavin werden. Doch eine Sklavin, oder irgendetwas anderes als nur Frau zu sein, das ist ja nicht erwünscht.
Trotzdem, wir trafen uns. Immer wieder. Er inspirierte mich, meine Phantasien zu ergründen, mutig zu sein, ihm davon zu erzählen, um vielleicht eines Tages gemeinsam darin zu baden. Aber auch das ist nicht erlaubt.
Kurz, nachdem er mich als seine Sklavin angenommen hatte, ließ er mich zum Schutz meines Standes registrieren.
Ich bekam von der Szene eine neue Identität und zog in eine andere Stadt.
Das war eine sehr bewegende und gefährliche Zeit für mich.
Plötzlich leuchteten die Augen dieser Weißkittelfrau auf. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn.
Ich sah auf dem Monitor meine 49110749 aufleuchten. Danger! Sie klatschte in die Hände und rollte mit dem Stuhl bis vor meine Nase, so dicht, dass ich sogar den Stempel auf ihrem Goldkettchen entziffern konnte.
"So, sie Pseudosklavin, haben wir sie also erwischt!"
Ich war enttarnt!
***
Sie steckten mich in meine Zelle, in der ich bis zur Verurteilung bleiben sollte. Ja, ich fragte mich, was sie mit mir wohl anstellen würden. Bisherige Fälle von Enttarnten gab es ja, doch niemand hat je erfahren, was aus ihnen geworden ist.
Was für eine schreckliche Zelle!
Es mangelte an nichts. Auch wenn die Zelle so wundervoll klein war, ich hatte alles, was ein normaler Mensch brauchte. Einen Minikühlschrank mit Minikocher und Geschirr, einen Schreibtisch mit Büchern und Schreibeinheit, so ein weiches Bett mit Bettwäsche und über dem Waschbecken neben der Dusche einen Spiegelschrank.
Was für ein Luxus! Für eine Sklavin, wie mich?
Wann würde mein Herr wohl beginnen, mich zu vermissen, fragte ich mich. Und meine Freunde? Es war mir unmöglich, ihm eine der geliebten Nachrichten zuzusenden. Sobald auch nur eine fehlte wurde ich bestraft. Ich hasse Strafen!
Ob er mich befreien würde?
Ich versuchte, das Beste daraus zu machen und streifte den Overall von meinem Körper und kniete mich vor das Bett.
Meine Knie versanken im weichen Teppich.
(Wie schön, auf diesem weichen Teppich - mal abgesehen von den eingeschlafenen Beinen, kann ich endlich einen ganzen Tag lang für dich auf den Knien sein, wundervoll. Ich stelle mir vor, wie du mich von hinten beobachtest, dich freust. Aber auch so ein kalter Steinboden hat etwas an sich. Das geht durch Mark und Bein!)
Aus meinen Gedanken riss mich plötzlich das Quietschen der Tür heraus. Zwei Wächterinnen traten ein.
"Sie spinnt schon wieder!"
Sie packten mich links und rechts unter meinen Armen, zerrten mich hoch und verfrachteten mich auf das Bett.
"Lies ein gutes Buch!"
Kaum hatten sie sich umgedreht, um zu gehen, tippte ich mir an die Stirn und verfluchte die beiden Dragonerweiber ein erstes Mal.
Die Tür knallte zu und ich schaute kurz zum Tisch, las die Buchtitel und versank wenige Sekunden später schon wieder im Teppich. Ich konnte mich gerade noch darüber aufregen, was ich mit Büchern wie Heidi oder der Bergsteiger am Hut hätte, als die beiden Dragoner wieder in meine Zelle eindrangen und mich wieder auf das Bett verfrachteten.
Gut, dieses Spiel betrieben wir sicher eine halbe Stunde.
Sklavin. Sie kannten eben meine Ausdauer nicht!
"Das melden wir!"
"Ja, bitte, melden sie das!"
Nachdem sie dann begonnen hatten, mich einfach hier auf den Knien zu lassen, wie ich es liebe, fiel mir plötzlich auf, dass ich meinen Ring nicht am Finger trug und auch mein Halsband nicht bei mir hatte. Mein Herz verkrampfte sich. Ich hier alleine und ohne meinen Herrn und meine Zeichen war nur noch ein halbe Sklavin.
Wie schrecklich!
Die Sachen lagen noch immer bei mir in der Stube auf dem Tisch. Ich hatte sie vor dem Duschen abgelegt und vergessen wieder anzulegen. Da war ich also selber Schuld!
Ich musste unbedingt eine Liste meiner Verfehlungen verfassen, ebenso für Dinge, die mir einfach so einfielen und suchte nach einem Stück Papier und fand ein ganz kleines. So schrieb ich: Halsband und Ring nicht angelegt.
Den Zettel versteckte ich in einem der Bücher und hoffte, dort würde keiner nachschauen.
Der Nachmittag verging, der Abend in Zelle nahte.
Ich duschte vor dem Schlafen, aber eine Klinge zum Rasieren fand ich nicht. Auch das noch, nun werde ich hier zuwachsen und dann bin ich total entstellt, ärgerte ich mich.
Auf dem versteckten Zettel notierte ich: unter diesen Umständen ist es mir nicht möglich, den Sklavinnenkörper von überschüssigen Haaren zu befreien.
In der folgenden Nacht hätten die Wächter mich sicherlich am liebsten mit diversen Eimern Wasser übergossen. Die Enge der Zelle inspirierte mich zu wilden Träumen. Natürlich hätte ich mir gewünscht, ganz real nicht in dieser Zelle zu sein, aber der Mensch träumt nun mal! Dann eben von einer anderen Zelle!
Ich träumte, ich wäre in einer sehr spartanisch eingerichteten Zelle mit einem Lager am Boden, einem Schälchen zum Trinken und daneben dieser graue Blechteller mit kleinen Kanten Brot. Und wie in der Geschichten der O, einem alten Kultwerk unserer Urahnen, kam des Nachts jemand zu mir in die Zelle, um mich anzuketten und zu peitschen. Natürlich hatte ich dabei eine ganz bestimmte Person vor meinen verträumten Augen.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 2175

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben