Eine Nacht im Supermarkt

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Eine Nacht im Supermarkt

Eine Nacht im Supermarkt

Sven Solge

Nun war er diese Woche schon zum dritten Mal hier und wieder hatte er kein Glück.
Wieder hatte die süße Kassiererin keinen Dienst. Silas war schon am Verzweifeln, doch was sollte er machen.

Vor drei Wochen hatte er sie zum ersten Mal im Supermarkt entdeckt und sich sofort in dieses zarte Geschöpf verliebt.

Er hatte heute nur ein paar Sachen in seinen Einkaufswagen gelegt. Eigentlich brauchte er ja nichts, war nur hier um seine Angebetete zu sehen. Abermals saß die etwas betagte Frau an der Kasse und grinste ihn wissend an.
„Wieder kein Erfolg gehabt?“, fragte sie und schob die beiden Joghurtbecher über den Scanner.

„Was meinen sie?“, fragte Silas und spielte den Ahnungslosen.

„Na, meinst du ich merke nicht warum du jeden zweiten Tag kommst und nur Kleinigkeiten einkaufst?“ Grinsend zeigte sie auf das Display der Kasse und nannte ihm die Summe:
„Macht 1,38 €!“

„Ich habe leider keinen Kühlschrank in meiner Studentenbude!“, versuchte er sich zu rechtfertigen.

Silas bezahlte und als er sich schon abwenden wollte, flüsterte die Kassiererin: „Lara hat morgen Nachmittag von 15 – 22 Uhr Dienst.

Silas tat so als wenn er es nicht gehört hatte und entfernte sich schnell von der Kasse. Im Stillen frohlockte er, Lara hieß sie also. Was für ein schöner Name.

Am nächsten Tag war Silas kurz nach drei im Supermarkt. Da noch Semesterferien waren, konnte er jederzeit einkaufen gehen. Heute hatte er sich für ein paar Äpfel und ein Paket Brot entschieden, zusätzlich hatte er noch ein kleines Mitbringsel gekauft. Ihm war die Idee gekommen, als er im Süßwarenregal kleine Päckchen mit zwei Mozartkugeln drin, entdeckt hatte. Jedes Päckchen hatte eine kleine Fahne, auf der verschiedene Sprüche standen. Er entschied sich für „Ich liebe Dich“, auch wenn er das für etwas zu voreilig fand, waren die anderen Sprüche noch unpassender.

Langsam schlenderte er zu den Kassen. Zum Glück waren zwei geöffnet, sodass sich der Kundenstrom etwas verteilte. Trotzdem waren beide Kassen voll.

Silas schlich in der Nähe durch die Regale, immer mit einem Blick in Richtung Kassen. Aber es nahm kein Ende, die Kassen wurden nicht leerer. Irgendwann gab er auf und stellte sich in die Schlange. Plötzlich sah er ein kleines Schild am Anfang des Laufbandes, womit dem nächsten Kunden signalisiert wurde, dass die Kasse geschlossen wird und man eine andere Kasse aufsuchen solle. In einem unbeobachteten Moment als seine Lara mit dem Kunden beschäftigt war, stellte er das Schild hin.

Und es wirkte!

Kein neuer Kunde stellte sich an.
Dann war er an der Reihe. Langsam scannte Lara seine drei Teile und als sie die Mozartkugeln sah, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Silas bezahlte und schob, nachdem er sein Wechselgeld bekommen hatte, die Mozartkugeln zu ihr rüber und sagte dann zu ihr: „Das ist für dich und dein zauberhaftes Lächeln!“

Überrascht nahm Lara das Geschenk in die Hand und schaute ihn skeptisch. Dann meinte sie: „Das kann ich nicht annehmen.“

„Doch bitte! Das kannst du annehmen. Es würde mich sehr freuen!“
„Ich will damit sagen, ich darf es so nicht annehmen. Damit musst du zur Information gehen und mit einem Aufkleber versehen lassen, dann darf ich es annehmen!“

„Ach so, verstehe! Bin gleich wieder da.“

Wenig später war er zurück und sah in ein ernstes, nicht mehr ganz so zauberhaftes Gesicht. Sie hielt ihm das Schild unter die Nase und meinte: „Mach das nie wieder!“

Mit schuldbewusstem Blick, schaute er sie an und sagte: „Nein mache ich nicht, aber ich wollte nur einen kurzen Moment mit dir alleine sein. Hatte nicht damit gerechnet noch zur Info zu müssen, dann hätte ich es selber wieder weggenommen. Bitte entschuldige!“ Damit schob er ihr die Mozartkugeln rüber und bevor sie sein Geschenk nochmals ablehnen konnte, drehte er sich um und ging.

Mit weicheren Gesichtszügen schaute sie ihm verdutzt nach. So etwas war ihr noch nie passiert.

-*-

Lara war fix und fertig. Ihr Dienst ging bis 22 Uhr und jetzt war es gerade erst 20:30 Uhr. Um diese Zeit kam sowieso kaum noch ein Kunde. Höchstens die, die zu wenig Bier eingekauft hatten und eigentlich schon stramm waren. Das waren die unangenehmsten Kunden, weil die sie immer auf obszönste Art anmachten.

„Wann hast du Feierabend? Kannst du mir nachher einen blasen? Oder willst du mal richtig durchgefickt werden?“

Das waren noch die harmlosesten Sprüche.

Dagegen war das was ihr heute passiert war, richtig süß. Immer wieder holte sie die kleine Schachtel mit den zwei Pralinen hervor und las den Spruch >Ich liebe Dich<. Was hatte der junge Mann sich nur dabei gedacht? Man kann doch nicht einfach zu einer jungen Frau sagen: „Ich liebe Dich“. Nun gut er hatte es ja auch nicht gesagt. Aber etwas befremdlich war es schon. Wobei, der junge Mann hatte ihr schon gefallen. Besonders sein geknicktes Gesicht, als sie ihn wegen dem Schild zurechtgestutzt hatte. Lara fand die Idee besonders lieb und lustig. So etwas hatte noch keiner für sie gemacht. Sie lächelte still vor sich hin.

Am nächsten Tag hatte sie Frühschicht und wurde gleich von ihrer mütterlichen Kollegin Roswita beiseite genommen.

„Na, war er da?“, fragte sie ganz aufgeregt.

„Wer soll da gewesen sein?“ Unwissend zog Lara die Schultern hoch.

„Na der Typ, der jeden zweiten Tag nur deinetwegen in den Markt kommt, ein, zwei Teile kauft und dann enttäuscht von dannen zieht, wenn er dich nicht sieht?“

„Ich weiß nicht wen du meinst?“ Tat Lara ahnungslos. Obgleich sie ahnte wen Roswita meinte.

„Ich glaube du weist genau wen ich meine und so wie ich dich mittlerweile kenne, war er da und er hat dich beeindruckt! Habe ich recht?“ Dabei knuffte sie Lara leicht mit der Faust gegen die Schulter.

Etwas verlegen bestätigte sie ihrer Kollegin die Vermutung. „Aber woher kannst du wissen, dass er da war?“

„Nun, weil er vorgestern mal wieder da war, zwei Joghurt gekauft hat und ganz enttäuscht war, weil er dich nicht gesehen hat. Da habe ich ihm den Tipp gegeben nächsten Tag wieder zu kommen, weil du von 15 – 22 Uhr Dienst hast.“

„Aber das kannst du doch nicht einfach machen!“, empörte sich Lara. Musste dann aber doch dankbar grinsen und ihre Kollegin umarmen. Dann erzählte sie Roswita von den Mozartkugeln und wie er mit dem Schild die Kasse gesperrt hatte.

„Sage ich doch, das ist ein ganz lieber! Außerdem sieht er auch verdammt gut aus!“, bekräftigte sie noch ihre Feststellung.

-*-

Silas war in Gedanken immer noch bei der süßen Kassiererin. Er war immer noch über seinen eigenen Mut überrascht. Im Grunde war das nicht seine Art, war eher zurückhaltend. Aber dieses Mädel hatte ihn erwischt und verfolgte ihn Tag und Nacht. Ja er hatte sogar schon von ihr geträumt.

Ein seltsamer Traum. Er war in den Markt gekommen und zwischen den Regalen rumgelaufen. Plötzlich stand sie vor ihm, lächelte ihn wissend an und küsste ihn. Der Kuss war so intensiv, dass er davon aufgewacht war. Dieses Gefühl verfolgte ihn nun schon Stunden.

Am Nachmittag ging er wieder in den SB-Laden. Mit klopfendem Herzen ging er zur Kasse und wurde enttäuscht, keine Lara.

Betrübt zahlte er und ging zum Ausgang.

Bevor er die Straße betrat, entdeckte er die Tafel. Gesehen hatte er sie schon öfter, aber er war noch nie ran getreten. Hier konnten von Kunden Sachen annonciert werden, die sie verkaufen, oder auch verschenken wollten. Er hatte seine kleine Wohnung zwar weitestgehend eingerichtet, doch ein vernünftiger Couchtisch fehlte ihm noch. Leider gab es aber nichts Passendes.

Er wollte sich gerade abwenden, als er ein kleines Plakat des Marktbetreibers entdeckte:

>Lagerarbeiter auf 400 € Basis gesucht! < Bei Interesse an der Information melden.

Silas war wie elektrisiert, hatte er doch schon lange nach einem Job gesucht. Sein Vater bezahlte zwar die Kosten für die kleine Wohnung und kam später auch für die Studiengebühren auf. Aber für seinen Lebensunterhalt musste er selber sorgen. Und dann schoss ihm siedend heiß durch den Kopf: >Du kannst jeden Tag Lara sehen. <

Er hatte Glück, schon am nächsten Tag konnte er anfangen!

Nach der Einweisung durch den Marktleiter, der ihm zeigte was er zu tun und zu lassen hatte und Ermahnungen nichts mitgehen zu lassen, war der erste Tag schnell rum. Anfangs sollte er nur die Ware mit einem anderen Kollegen zusammen in Empfang nehmen, die täglich angeliefert wurde.

Von Lara keine Spur.

Am nächsten Tag lief er im Flur zu den Umkleideräumen, Roswita über den Weg. Erstaunt ihn hier zu sehen, fragte sie ihn: „Was machst du denn hier? Das ist doch nur dem Personal vorbehalten!“, fügte sie noch hinzu.

Nun musste Silas lachen, „ich gehöre seit gestern zum Personal und darf also hier sein!“

Dann er zählte er Roswita warum er die Stelle angenommen hatte. Zum Schluss meinte er: „Vielleicht lerne ich Lara dann mal etwas näher kennen. Übrigens noch, danke für den Tipp wann Lara Dienst hat. Soviel Joghurt kann ich gar nicht essen, wie ich in letzter Zeit gekauft habe.“ Beide fanden das köstlich. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte Roswita ihn. „Tschuldigung hätte mich ja auch vorstellen können, ich heiße Silas!“

Erst am nächsten Tag sollte er Lara treffen und das verlief völlig anders als er es sich in seinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können.

Da er nur vier Stunden am Tag arbeitete, war die Chance relativ klein, Lara zu sehen. Einmal, als er Waren in einem Regal nachfüllte, sah er sie von weitem. Doch sie sah ihn nicht.
Er kam gerade aus dem Umkleideraum der Männer, als er mit jemanden heftig zusammenprallte. Sie stießen so hart mit den Köpfen zusammen, dass vor Silas Augen Sterne blitzten. Unwillkürlich umfassten seine Arme den Körper des Kontrahenten und hielten ihn fest. Erst dann konnte er sich die Person, die schlaff in seinen Armen hing, ansehen.

Es war Lara.

Sie schien besinnungslos zu sein. Silas schaute sich nach Hilfe um, aber es war niemand auf dem dunklen Flur zu sehen. Entschlossen hob er sie auf seine Arme und trug sie in den Umkleideraum der Männer. Hier legte er sie auf eine Bank und kniete sich vor ihr hin.
Sein Herz schlug heftig, als er in dieses zauberhafte Gesicht sah. Vorsichtig strich er ihr eine Haarsträhne von der Stirn, unter der sich eine Beule gebildet hatte. Sofort sprang er auf, befeuchtete ein Papierhandtuch und kühlte ihr die Stirn. Ein leises Stöhnen ließ ihn zurückzucken, würde sie jetzt zu sich kommen? Musste er einen Krankenwagen rufen? Er war sich nicht sicher was in so einem Fall zu tun war. Voller Mitgefühl und aufkeimender Liebe betrachtete er ihr Antlitz.

Diese langen, samtweichen Wimpern, ihr süßer Mund, ließen ihn vor innerlicher Aufregung zittern. Vorsichtig öffnete er den obersten Knopf ihrer Bluse, um ihr eine freiere Atmung zu ermöglichen. Dann, ohne dass er sich über die eventuellen Konsequenzen klar war, berührten seine Lippen ihren Mund.

Als Lara plötzlich ihre Arme bewegte, schreckte er zurück und hielt sich die Hand vor den Mund. Hatte sie seine Tat bemerkt? Damit hätte er wahrscheinlich alles zunichte gemacht was er sich erhoffte.
Ihre Hände strichen unruhig auf der Bank auf und ab und plötzlich schlug sie die Augen.

„Was ist passiert?“ Unruhig schaute sie sich um und blieb auf einmal in seinem Gesicht hängen. „Du?“, kam es ungläubig von ihren Lippen. „Was machst du hier?“ Langsam richtete sie sich auf und betastete ihre schmerzende Stirn.

Silas bemühte sich um eine Erklärung: „Wir sind eben an der Tür heftig zusammengestoßen und du bist ohnmächtig gewesen, da habe ich dich hier rein getragen und deine Beule gekühlt.“

„Aber wie kommst du hier her? Dies sind doch Personalräume, da darfst du doch gar nicht rein?“, meinte sie nachdem sie sich umgeschaut hatte.

„Ich arbeite seit vorgestern hier im Lager und wollte gerade Feierabend machen.“, fügte er erklärend hinzu.

„Du arbeitest hier im Markt?“, fragte sie erstaunt. Sie setzte sich auf und schaute sich etwas Hilflos um.

„Wie geht es dir?“, fragte Silas besorgt. „Soll ich dir was zu trinken holen? Oder brauchst du sonst irgendetwas?“

Lara betaste erneut ihre Beule, die aber schon deutlich zurück gegangen war. „Nein, mir geht es glaube ich gut, fühle mich noch etwas benommen und habe leichte Kopfschmerzen.“

„Es tut mir sehr leid, dass wir zusammengestoßen sind!“, sagte Silas betrübt. „Ich hätte dich lieber auf andere Art kennen gelernt!“, meinte er und verzog dabei den Mund zu einem schiefen Grinsen.

Dann kam ihm plötzlich eine Idee: „Hast du jetzt auch Feierabend, würde dich als kleine Widergutmachung, sonst gerne zu einem Kaffee einladen?“

Lara schaute ihn überrascht an. „Aber du hast doch keine Schuld an unserem Zusammenstoß, zu mindestens habe ich genau so viel Schuld daran. Ja, ich habe jetzt auch Feierabend!“, beantwortete sie seine Frage.

„Und, magst du mit mir noch einen Kaffee trinken gehen, oder auch was anderes?“, ließ Silas nicht locker.

Lara schaute ihn nachdenklich an, irgendwie imponierte er ihr. Außerdem konnte sie spüren, dass ihr Herz eine sehr deutliche Sprache sprach. „Ok, gehen wir einen Kaffee trinken.“ Aber als sich erhob, wurde ihr doch leicht schwindelig und musste sich an Silas festhalten. Doch nach wenigen Augenblicken gab es sich und sie bedankte sich mit einem Lächeln bei ihm. „Sag mal wie heißt du eigentlich? Ich weiß immer noch nicht deinen Namen?“

„Entschuldige, ich heiße Silas!“, stellte er sich vor.

Sie verbrachten einen wirklich netten Nachmittag in einem Eiskaffee und merkten sehr schnell, wie groß die gegenseitige Sympathie war. Lara lachte viel über Silas kleine Anekdoten, die er von seinem Dorf, aus dem er kam, zu erzählen hatte. Immer wieder legte sie eine Hand auf seinem Arm, wenn sie sich vor Lachen krümmte. Irgendwann schaute Lara auf die Uhr und erschrak. „Was schon so spät! Jetzt muss ich mich aber sputen, ich wohne noch bei meinen Eltern und die machen sich immer gleich sorgen.“

Silas der Lara noch nicht gehen lassen wollte fragte: „Kannst du nicht anrufen und Bescheid sagen, dass du später kommst?“

„Nee, das geht heute nicht. Ich habe meiner Mutter versprochen Fisch mitzubringen und die hat sich schon darauf vorbereitet!“

„Gibst du mir dann bitte noch deine Handynummer, ich würde gerne mit dir in Kontakt bleiben?“

Sie tauschten ihre Handynummern aus und nachdem Silas bezahlt hatte, verließen sie das Kaffee. Vor der Tür bedankte sich Lara für den Kaffee und das Eis mit einem Küsschen auf die Wange und schon wandte sie sich ab, wenige Schritte später, drehte sie sich noch mal um und sagte: „Ich mag dich Silas, du bist sehr nett!“

Silas klopfte das Herz bis zum Hals. Am liebsten wäre er ihr nachgelaufen und hätte sie in die Arme genommen und geküsst, aber Lara war schon um die nächste Ecke verschwunden.

-*-

Mit schnellen Schritten eilte Lara zum Fischgeschäft. Sie hätte es beinahe vergessen, zu sehr hatte Silas sie gefangen genommen. Unwillkürlich tastete sie ihre Stirn ab, aber die Schwellung war verschwunden. Etwas Ungläubig dachte sie an die Letzten Stunden zurück. Was war damit ihr passiert? An den Zusammenstoß mit Silas konnte sie sich nicht erinnern, erst kurz bevor sie die Besinnung wiedererlangte, hatte sie ein eigenartiges Gefühl gehabt. Etwas Warmes hatte ihre Lippen Berührt. Was war das gewesen?

Nachdenklich versuchte sie, sich das Gefühl in Erinnerung zu rufen, doch sie fand keine Erklärung dafür.
Dann erreichte sie das Fischgeschäft und kaufte drei Rotbarschfilets und eilte Nachhause, wo ihre Mutter sie mit einer leichten Zornesfalte über der Nasenwurzel empfing. „Wo bleibst du denn, wir warten schon seit einer halben Stunde auf dich?“

Lara hatte ja eine glaubwürdige Erklärung und zeigte ihrer Mutter ihre Stirn mit der roten Stelle. Danach musste sie erzählen wie es dazu gekommen war.

Am Abend, als sie im Bett lag und nochmals das Geschehen Revue passieren ließ, kam ihr plötzlich die Erkenntnis, Silas hatte sie geküsst, als sie besinnungslos auf der Bank gelegen hatte. Dieser Schlingel hatte ihre Hilflosigkeit ausgenutzt. Aber irgendwie konnte sie ihm nicht böse sein, bei dem Gedanken wurde ihr richtig warm ums Herz. Trotzdem, eine kleine Strafe für sein Vergehen, würde sie sich einfallen lassen. Darüber schlief sie ein und träumte von Silas.

-*-

Das was Lara zum Schluss gesagt hatte, ließ einen Schauer nach dem Anderen über seine Rücken laufen. Hatte er sich bei dieser schönen Frau eigentlich nur geringe Chancen ausgerechnet, so war er jetzt frohen Mutes, dass es mehr werden könnte.

Am nächsten Tag schaute er sich den Dienstplan der Kassiererinnen an. Er hatte einen Plan. Lara hatte die folgenden vier Tage Spätdienst und darauf spekulierte Silas. Er ließ sich vom Marktleiter auch zur Spätschicht eintragen, so konnte er Lara nachhause begleiten und sie eventuell überreden mit zu ihm zu kommen.

Am Abend, Silas war schon fertig umgezogen, wartete er hinter einem Regal auf Lara. Sie brauchte wegen der Abrechnung etwas länger. Nach und nach gingen Die Kolleginnen an seinem Versteck vorbei. Plötzlich sah er Lara kommen und als sie auf seiner Höhe war, packte er sie am Arm und zog sie hinter das Regal. Damit sie nicht schrie, legte er ihr einen Finger auf die Lippen und deutete ihr an, leise zu sein.

„Was machst du?“, sagte sie entsetzt. „Der Marktleiter schließt gleich ab und dann kommen wir hier nicht mehr raus.“

„Ok, wir gehen ja gleich. Ich wollte dich doch nur fragen ob du noch ein, zwei Stunden mit zu mir kommst?“

Ganz dicht stand Silas vor ihr und schaute sie mit seinen klaren Augen an. Sie spürte eine innerliche Unruhe und fühlte sich unglaublich zu diesem verrückten Kerl hingezogen. Und als dann plötzlich seine Lippen zart ihre Lippen berührten , bekam sie weiche Knie und gab sich ganz diesem berauschenden Gefühl hin. Zart stupste seine Zunge ihren Mund an und automatisch öffnete sie ihre Lippen.

Urplötzlich wurde es dunkel um sie. Da aber beide die Augen geschlossen hatten, bemerkten sie es nicht sofort.

„Oh Gott!“, erschauderte Lara! „Wir müssen hier raus, sofort!“

Hektisch tastete sie sich zum Ende des Regals. Es war stockfinster und bis zum Personaleingang mussten sie den ganz Flur runter. So schnell es irgend ging eilten sie zum Ausgang, doch es war zu spät. Durch ein Oberlicht drang etwas Licht herein, sodass es nicht mehr ganz so dunkel war. Die Eisentür war zu und alles rütteln und klopfen half nichts, keiner öffnete die Tür.

Lara schluchzte leise vor sich hin und als Silas sie tröstend in den Arm nehmen wollte, hob sie abwehrend die Hände. „Las mich, ist doch alles deine Schuld! Ich brauche diesen Job, will doch endlich bei meinen Eltern ausziehen und dafür spare ich.“ Wieder erschütterte ein Schluchzer ihren Körper.

„Darf ich dir einen Vorschlag machen?“ Ohne auf Laras Zustimmung zu warten, fuhr Silas fort. „Wir gehen jetzt zurück zu den Umkleideräumen und dort überlegen wir was wir tun können.“ Silas nahm sie einfach bei der Hand und zog sie mit. Widerstreben folgte Lara ihm.

Auf dem Weg zu den Umkleideräumen viel Silas ein, dass es noch einen Sanitätsraum gab. Dort konnte sie auch Licht anmachen, weil der Raum kein Fenster hatte. Außerdem gab es dort Sitzgelegenheiten und eine Liege und soweit er sich erinnerte gab es dort auch Wolldecken. Es konnte ja sein, dass sie die ganze Nacht hier verbringen mussten und dann könnte es kühl werden.

Gleich die erste Tür vor den Umkleideräumen musste der Sanitätsraum sein. Es war zwar recht dunkel, aber ihre Augen hatten sich schon etwas an die Dunkelheit gewöhnt. Silas öffnete die Tür, die zum Glück nicht verschlossen war und tastete nach dem Lichtschalter. Flackernd erwachten die Neonlampen zum Leben.

Lara ließ sich zum Sessel führen. Mit einem Seufzer nahm sie Platz und rieb sich die verweinten Augen. Silas der sich vor ihr hingekniet hatte, nahm ihre Hände, nachdem sie die auf ihren Oberschenkeln abgelegt hatte und entschuldigte sich noch mal, für die unangenehme Situation.

„Hast du zufällig die Telefonnummer des Marktleiters, dann könnten wir ihn bitten uns rauszulassen?“ Vorsichtig hob er eine Hand von Lara und küsste ihre Finger. Überraschend ließ Lara es sich gefallen.
„Nein, ich habe die Nummer von Herrn Brandes nicht. Der wohnt auch nicht hier im Ort. Soweit ich weiß, braucht er immer fasst eine Stunde, für die Heimfahrt.“ Betrübt schaute sie auf Silas herunter, der es sich mittlerweile zwischen ihren Beinen bequem gemacht hatte. Seine Unterarme ruhten auf ihren Oberschenkeln und seine Hand streichelte unentwegt ihre Finger. Ihr Blick war aber nicht mehr ganz so böse. Sie schien die Lage jetzt besser einschätzen zu können.

„Weißt du wann Herr Brandes morgens kommt?“, fragte Silas, ohne aufzuhören ihre Hand zu halten.

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