Eine Reise zu Dritt - Tag 1a

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Eine Reise zu Dritt - Tag 1a

Eine Reise zu Dritt - Tag 1a

Yupag Chinasky

Der erste Tag

Die Begegnung

Rosa und Ima standen an diesem Tag vor einem Laden und warteten - auf nichts. Es war ein Tag, der ohne Höhepunkte zu Ende gehen würde, wie die Tage davor und wie auch die vielen, die noch kommen würden, die sich aneinanderreihten wie billige Holzperlen auf einer Kette, einer langweiliger als der andere. Sie standen vor einem belanglosen, langweiligen Laden, in dem es eigentlich alles geben sollte, was man zum Leben in der Provinz brauchte, aber in dem meistens genau das, nicht vorhanden war, weil nur wenig geliefert wurde oder vieles rasch ausverkauft war. Sie warteten, nicht um etwas zu kaufen, denn selbst wenn es etwas gegeben hätte, ohne Geld kann man nichts kaufen und genug Geld hatten sie selten, sie warteten, weil sie sonst nichts zu tun hatten. Bei Imas chinesischen Billigschuhen war der Absatz schon beim ersten Einsatz abgebrochen und das Handy von Rosa ist ständig drauf und dran, den Geist aufzugeben. Es war das reinste Lotteriespiel, das mächtig nervte, denn ohne Handy war das Leben noch beschissener, aber wie sollte sie sich ein neues kaufen, das lag jenseits aller Möglichkeiten. Die beiden waren hier, weil ab und zu Freunde vorbeikamen, ein Platz, auf dem man sich traf. Sie starrten in die leeren Schaufenster, starrten auf die leere Straße, starrten sich manchmal gegenseitig an. Starrten auf ihre Kleidung, Rosa hatte eine weiße Bluse mit großen bunten Blumen an, wie immer mit großem Ausschnitt und einen super kurzen Rock. Ima trug ihre schwarzen, hautengen Jeans, mit natürlichen Löchern, die zum Glück gerade Mode waren, und ein hochgeschlossenes, schwarzes T-Shirt. Heute wussten sie wirklich nicht, was sie tun sollten und nicht einmal Rosa hatte eine Idee. Aber sie hofften und warteten, vielleicht würde doch etwas passieren, vielleicht würde sich jemand hierher verirren, jemand der etwas Abwechslung in ihr Leben bringen könnte. Aber wer verirrte sich schon in dieses Kaff, in diese Gegend? Schon gar kein Ausländer, keiner, der Geld hatte und dazu noch spendabel war, dem man mit etwas Lächeln, mit schönen Augen, mit etwas Arschgewackel und Busenrecken ein paar Scheinchen abknöpfen könnte, für neue Schuhe, für ein neues Telefon. So etwas gab es, solche Geschichten sprachen sich herum. Vielleicht wäre sogar mehr drin, eine richtige Beziehung, ein paar schöne Tage zusammen, eine Einladung zu einer schönen Reise. Wer weiß, was sich so alles ergeben könnte, an ihnen beiden würde das Vergnügen gewiss nicht scheitern, nein ganz bestimmt nicht, nicht an ihnen.
Und doch war dieses unerwartete Glück ganz nahe, denn wider Erwartung war doch jemand in dieses verlassene Kaff gekommen. Ein Mann, der soeben langsam mit seinem Mietwagen, einem chinesischen Jeely, durch die Straßen der Stadt fuhr, auf der Suche nach einem Platz für eine Pause, um etwas zu trinken und vielleicht auch etwas zu essen, einen heißen Kaffee, eine kühle Limonade, ein frisches Bier, ein kleiner Imbiss. Ein Mann, der nicht mehr jung ist, sich aber immer noch jung fühlt, einer der noch Illusionen hat, genau das hier zu finden. Einer, der das Land auf individuelle Art kennenlernen will, eine Reise auf gut Glück, ohne genaue Pläne und ohne große Erwartungen, ohne konkrete Vorstellungen. Einer, der nicht damit gerechnet hatte, dass es so heiß werden konnte, aber um diese Zeit, am frühen Nachmittag, ist es hier immer besonders heiß.

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