Eine Reise zu Dritt - Tag 5

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Eine Reise zu Dritt - Tag 5

Eine Reise zu Dritt - Tag 5

Yupag Chinasky

Der steile Anstieg

Das nächste Abenteuer an diesem total verregneten Tag ließ nicht lange auf sich warten. Sie waren mittlerweile am Fuß des Gebirges angekommen, die Straße stieg schon deutlich an und sie mussten sich entscheiden, ob sie weiter hochfahren oder doch lieber auf der Ebene bleiben sollten. Eigentlich hatte er den beiden versprochen, auf den Gipfel zu fahren, zumal es auch der kürzere Weg in die Stadt war, die sie heute als Tagesziel vorgesehen hatten. Aber bei diesem Wetter hatte er nun keine große Lust mehr, denn die Route versprach weder eine schöne Sicht von dort oben noch eine angenehme Fahrt durch den Wald, vielmehr laut Landkarte steile Anstiege, einen schlechten Straßenzustand und sicher auch noch Probleme mit der Nässe. Aber als er diese Änderung verkündete, rastete Rosa aus. Diesmal ging es aber nicht um verpassten Sex, sondern um Heimweh und Sehnsucht nach ihrer Tochter. Ganz plötzlich fehlte sie ihr, behauptete sie. Sie wolle nach Hause, gleich jetzt, heute noch, ohne eine weitere Übernachtung. Deswegen müsse er den schnelleren Weg nehmen, unbedingt, schluchzte sie. Ima war fassungslos. Ob sie noch bei Verstand sei, die schöne Reise abzubrechen, nur wegen der kleinen Göre, die sie jeden Tag um sich habe und die ihr oft auf die Nerven gehe. Nein, sie, Ima, wolle unbedingt noch eine Übernachtung, unbedingt noch einen weiteren Tag, unbedingt diese schöne Reise noch weiter genießen. Rosa war nun auch noch wütend, sie behauptete, dass es morgen immer noch regnen würde, das spüre sie, und dass sie den ganzen Tag lang sowieso nichts machen könnten und deswegen könnten sie gleich heute durchfahren, über den Berg, weil es kürzer sei. Ima blieb unerbittlich und bestand auf wenigstens einer weiteren Übernachtung. Die Situation war verfahren, und wenn er nicht eingriff, würde der Zwist wieder eskalieren. Er hielt an und studierte intensiv die Landkarte und fand auch eine Abkürzung, eine schmale Nebenstraße, laut Karte eher ein Feldweg, auf der sie seitlich am Berg vorbei schneller in der Stadt sein würden. Sie hätten Zeit für Besichtigungen und früh am nächsten Tag, könnte er sie dann direkt wieder nach Hause bringen. Beide stimmten zu, Rosa eher verhalten, Ima hatte noch eine Nacht vor sich und war zufrieden.

Sie fuhren versöhnt weiter, erst durch einen Wald, dann kam ein kleiner Fluss, den sie überquerten, hinter der Brücke bog die Straße scharf ab, ihr weiterer Verlauf war durch Felsen verdeckt. Er fuhr langsam über die Brücke, sie hörten, wie Compay segundo von Liebe sang, dann waren sie in der Kurve und direkt hinter der Kurve stieg die Straße völlig unerwartet und ungewöhnlich steil an. Es war die steilste Steigung, an die er sich erinnern konnte, sagte er später. Er gab Gas, dann schaltete er einen Gang herunter, dann noch einen und gab noch mehr Gas. Sie waren jetzt auf halber Höhe der Steigung, denn oben sah man schon das Ende und ein Haus und davor standen Menschen und beobachteten, wie sich das Auto quälte. Und wie es sich quälte, es wurde immer langsamer, obwohl er das Gaspedal voll durchdrückte und schon im niedrigsten Gang war. Der Motor wurde leiser, das Auto stand schon fast, gleich würde es ganz stehen bleiben und dann? An diesem Berg anfahren, mit diesem schwachen Motor? Schlimmer noch, der Wagen könnte zurückrollen, unkontrolliert. Sie sollen raus, schrie er panisch den Mädchen zu, schnell aussteigen und schieben. Dann drückte er die Kupplung voll durch, der Motor heulte auf, die Handbremse verhinderte, dass der Wagen zurückrollte, aber vorwärts ging es auch nicht mehr. Er ließ die Kupplung wieder langsam los, lockerte die Bremse, hoffte auf die Mädchen, doch die waren zu schwach. Die Reifen drehten durch, es stank nach verbranntem Gummi, das Auto bewegte sich leicht rückwärts. Was tun, mein Gott, was tun, schoss es ihm durch den Kopf? Und wieder nahte im entscheidenden Moment Hilfe. Zwei der Männer von dem Haus auf dem Berg kamen angerannt und mit vereinten Kräften gelang es schließlich das Auto dazu zu bewegen, weiter hochzufahren. Die Reifen griffen, der Motor heulte, dann das normale Arbeitsgeräusch und endlich, endlich, nach bangen Sekunden hatten sie es geschafft, die Kuppe des Berges war erreicht. Dampfend und stinkend stand das Auto vor dem Haus. Einer der Männer holte Wasser, um den Motor zu kühlen, der andere bot ihnen einen Kaffee auf den Schrecken an. Das sei nicht das erste Mal, erklärte er, dass ein Auto an diesem Berg Schwierigkeiten bekäme, bei solch einem schwachen Motor sei das nicht erstaunlich. Da sei schon manch einer gescheitert und zurückgerollt, fuhr er fort. Einmal habe eine Frau, eine Holländerin, die Kontrolle verloren, das Auto sei immer schneller zurückgerollt, bis zu der Brücke, habe das Geländer durchbrochen und sei in den Fluss gestürzt, die Frau habe schwer verletzt überlebt. Aber bei ihnen, der Mann schaute die Drei an, die alle ziemlich blass gewordenen waren, bei ihnen sei ja alles noch einmal gut gegangen. Das sei im Übrigen die einzig wirklich schlimme Stelle, alles, was jetzt komme auf dem Weg in die Stadt, sei wirklich kein Problem mehr. Und so war es auch. Noch bevor es dunkel wurde, erreichten sie ihr Ziel und damit kam schon das nächste Problem auf sie zu, kein bedrohliches, aber ein unangenehmes, die Suche nach einer Unterkunft für dich Nacht.

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