Der lockige Jüngling
Es war eine kleine Stadt, in der sie nun waren, eine Stadt, in die kaum Touristen kommen, weil diese in diesem Land das Meer aufsuchen und nicht einen mäßig hohen Berg. Es gäbe nur eine Unterkunft, nur eine casa particular, sagte man ihnen, als sie sich erkundigten. Sie fuhren zu dem besagten Haus, keine der beiden Mädchen wollte in den strömenden Regen, deswegen stieg er aus und klopfte an die Haustür. Eine Frau öffnete, schaute ihn an, sehr unfreundlich, wie ihm schien. Er fragte, ob er ein Zimmer für eine Nacht bekommen könne. Sie schaute ihn immer noch skeptisch an, dann schüttelte sie den Kopf, nein, sie habe keines, es sei nicht frei. Sie wollte die Tür wieder schließen, da kam Rosa eilig an und überschüttete sie mit einem Wortschwall. Vielleicht war es ihre Überredungskunst, jedenfalls war die Frau auf einmal ganz freundlich und bat die beiden in das Haus. Rosa flüsterte ihm zu, die Frau habe geglaubt, er sei ein Russe, sie möge keine Russen, sie sei eine gute Christin, die Russen würden nicht an Gott glauben. Als sie gehört habe, dass er Deutscher sei, habe sie gesagt, der alte Papst sei Deutscher, Deutsche seien ihr deswegen hochwillkommen. Dann zeigte sie ihnen das Zimmer. Es war eng und roch nicht gut, aber für eine Nacht würde es gehen. Der Preis war moderat, wie immer in den casas particulares, er stimmte zu, und während die Frau die Papiere vorbereitete, die sie unterschreiben mussten, holten sie das Gepäck aus dem Auto, und als sie zurückkamen, war Ima dabei. Die Frau schaute sie fragend an, was sie denn wolle, auch ein Zimmer. Sie gehöre zu den beiden, sagte Ima freundlich. Da sei doch schon eine Frau, ob der Deutsche zwei Frauen habe, ob er vielleicht Mohammedaner sei? Rosa tat erstaunt, ob zwei Frauen ein Problem seien. Ja, bestätigte die Frau, ein großes Problem. Das Zimmer dürfe sie nicht an eine solche gemischte Gesellschaft vermieten, das sei verboten, zwei Frauen und ein Mann in einem Zimmer, das sei verboten. Außerdem sei es nicht christlich, mit zwei Frauen in einem Bett zu schlafen. Wer weiß, spekulierte sie weiter, vielleicht seien die beiden Prostituierte, die der Ausländer bezahle, um unsittliche Sachen zu machen, aber Prostitution sei in diesem Land streng verboten, das müsse sie doch wissen. Rosa redete auf sie ein, Ima redete auf sie ein, sie seien keinesfalls putas, sie seien ehrenwerte Frauen, und wenn sie zu zweit im Zimmer seien, könnten auch keine unsittlichen Dinge passieren. Die Frau blieb jedoch bei ihrem Entschluss, es sei nicht möglich drei in einem Zimmer. Wenn ihr Mann nach Hause komme, würde er toben. Er sei ehemaliger Polizist, Hüter des Gesetztes und auch ein guter Christ mit viel Moral und deshalb würde er sie umgehend wieder rausschmeißen. Ob es nicht ausnahmsweise doch möglich sei, zu dritt, bettelte Rosa, es sei spät, sie seien Freundinnen, bestimmt keine putas, es würde bestimmt nichts Unmoralisches geschehen in der Nacht, ganz bestimmt nicht. Nun mischte auch er sich ein und bot an, den doppelten Preis zu bezahlen, wenn das hilfreich sei. Die Frau war empört, ob er glaube, sie sei eine Kupplerin oder auf sein dreckiges Geld angewiesen, er sei ja noch schlimmer als ein Russe, er sei ganz bestimmt ein gottloser Mohammedaner. Nichts ging mehr, sie verließen die unbeugsame Christin und gingen wieder hinaus in den Regen, hinein in die Nacht, setzten sich in das Auto und waren ratlos.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.