Denn hatte ich bisher noch gehofft, es könnte vielleicht ein böser Scherz sein, was ich Lilly aber nicht zutraue, bin ich nun davon überzeugt, dass es stimmt. Meine Gedanken überschlagen sich, denn das mit der Reportage über die Treuetesterinnen kann Lilly nur von Hanna wissen. Schon damals hatte mich meine Frau so merkwürdig angesehen. „Es tut mir sooo leid.“, seufzt Lilly, während sie ihre Linke auf meine rechte Hand legt. Augenblicklich durchströmt mich ein wohliges, beruhigendes Gefühl. Doch sofort zuckt ihre Hand zurück, und sie schaut mich überrascht an. Ob sie wohl das Gleich gefühlt hat, wie ich? Meine Gedanken werden unterbrochen, als uns die große Brotzeitplatte serviert wird. „Also komm, lassen wir uns den Appetit an so einem schönen Tag davon nicht verderben.“ versuche ich abzulenken. Wir beide greifen erst einmal zu. „Ich bin aus allen Wolken gefallen.“, nimmt Lilly das Thema aber wieder auf, „Wie kann sie nur glauben, dass ich mich, auch bei aller Freundschaft, für so einen Schwachsinn einspannen lasse. Ich habe ihr ordentlich die Meinung gesagt. Wie kann sie einem so wunderbaren Mann wie dir so etwas antun? Du bist immer für sie da, kümmerst dich um alles, und dann so etwas. Ich verstehe sie einfach nicht mehr.“
„Trotzdem bist du jetzt da“, grinse ich kauend. „Was du wieder denkst.“, lacht sie, wird aber übergangslos ernst, „Du bist ein ganz lieber Freund und ich finde, du solltest unbedingt wissen, was Hanna über dich denkt. So kann sich dich doch nicht behandeln. … Aber ich wollte es dir nicht einfach so am Telefon erzählen, dafür finde ich es viel zu schlimm.“ „Danke, du bist wirklich eine besonders liebe Freundin.“ lächle ich sie an. So unterhalten wir uns über Gott und die Welt, versuchen uns den Abend nicht durch das unangenehme Thema verderben zu lassen. Doch ständig bohrt es weiter in meinem Kopf, wobei mich eine unglaubliche Gelassenheit befällt, eine geradezu unnatürliche Ruhe, so als ob die Sache mit dem Treuetest mich gar nicht betreffen würde, als ob Lilly vorhin von irgendwelchen fremden Personen erzählt hätte. Nach einem Moment des Schweigens muss ich aber doch noch mal auf das Thema zurückkommen: „Sag mal, ich habe den Bericht über die Treuetesterinnen ja auch gesehen, und da würde mich eines noch interessieren.“ Lilly schaut mir fragend tief in die Augen. Was für eine wunderbare Frau denke ich in diesem Moment.
„Also“, fahre ich fort, „die Testerinnen flirten ja meist in irgendwelchen Bars mit den Männern, und wenn die Typen dann soweit sind, mit ihnen ins Bett zu gehen, dann verabschieden sich die Damen mit ihren Tonaufzeichnungen unauffällig und werden nicht mehr gesehen. … Aber wie hättest du das denn machen sollen, schließlich kannst du nicht so leicht verschwinden, du übernachtest ja bei mir?“ Lilly lacht spöttisch auf: „Da hat Hanna mir auch einen Tipp gegeben. Ich könnte dir ja kräftig in die Eier treten, dann hätte ich Ruhe, … oder ich könne auch die ganze Nacht mit dir durchvögeln, schließlich sei ich ja Single, und ihr wäre es egal.“ Ich bin über die Aussage so erschreckt, dass ich mich direkt verschlucke. Doch ich glaube Lilly sofort, da ich meiner Frau so etwas unumwunden zutraue. Ein heftiger Hustenanfall ist die Folge. Als ich mich etwas beruhigt, und den restlichen Hustenreiz mit einem kräftigen Schluck Bier gestillt habe, berührt Lilly wieder meine rechte Hand. Erneut spüre ich die beruhigende Wärme, die davon ausgeht, zumal sie ihre Hand nicht gleich wieder erschreckt wegzieht. „Es tut mir so leid, aber das hat sie tatsächlich gesagt.“ seufzt sie, „Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen.“
Eine unerwartete Versuchung
Ein Treuetest - Teil 1
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Eine unerwartete Versuchung
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