Nach zehn Jahren steht es mit meiner Ehe nicht zum Besten. Meine Frau Hanna und ich sind beide Ende dreißig, und es geht uns in jeder Beziehung richtig gut, beruflich, privat, gesundheitlich. Da ich zeugungsunfähig bin, haben wir keine Kinder, doch das ist kein Problem für uns. Trotzdem ist meine Frau seit geraumer Zeit mit wirklich allem unzufrieden. Sie mault und meckert nur noch herum. Mache ich es dann anders, ist es auch wieder nicht recht. Verzweiflung, nein Resignation, macht sich bei mir breit. Das Nervigste ist aber ihre ständige, grundlose Eifersucht. Ich brauche nur eine Frau anzusehen, schon brummt sie mich an, als ob ich der Typ bin, der gleich alles bespringt, was bei drei nicht auf dem Baum ist. Dementsprechend läuft es auch im Bett nicht mehr. Nur noch selten gibt es eine lustlose Nummer, die mich mehr frustriert, als befriedigt zurücklässt. Trotzdem bin ich ihr treu.
Gegenwärtig habe ich viel Zeit, über uns nachzudenken, denn seit knapp zwei Wochen ist Hanna stationär in einer Klinik zur Reha. Wir telefonieren regelmäßig miteinander und ich werde sie am kommenden Wochenende das erste Mal besuchen. Dafür habe ich bereits für die Nacht von Samstag auf Sonntag ein Zimmer in einer kleinen Pension gebucht. Die Zeit ohne meine Frau tut mir wirklich gut, denn meine Gedanken klären sich mit jedem Tag. Auch am heutigen Donnerstagabend sitze ich grübelnd mit einem Bier auf dem Balkon, als mich das Klingeln meines Handys aus den Gedanken reißt. Es ist Elisabeth, die alle Welt nur Lilly nennt. Sie ist eine Schulfreundin meiner Frau, und in all den Jahren auch eine gute Freundin von mir geworden. Vor zwei Jahren ist sie aus beruflichen Gründen fortgezogen, lebt jetzt etwa fünfzig Kilometer entfernt. Doch nur zu gerne besucht sie ‚ihre alte Heimat‘, wie sie es nennt. Wir drei unternehmen bei solchen Gelegenheiten gerne etwas zusammen, auch wenn Hanna mich seit einiger Zeit immer argwöhnisch im Auge hat. Dabei stellen wir Lilly unser aufblasbares Reisebett in meinem Arbeitszimmer gerne zur Verfügung, sodass sie sich nach einem Biergartenbesuch keine Gedanken um die Rückfahrt machen muss.
Eine unerwartete Versuchung
Ein Treuetest - Teil 1
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Eine unerwartete Versuchung
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