Auszug aus dem Roman „Kybele“, von Elmar Woelm
… … »Komm, laß uns schwimmen«, sagte er, nachdem er schon eine Weile die Flöte beiseite gelegt hatte. Lebhaft stimmte Kybele zu. Sie zogen sich aus, standen sich gegenüber und sahen sich an, vertraut und doch ein wenig verlegen, was sie früher nicht gekannt hatten. Die Sonne brannte auf der Haut und ein leichter Wind wehte Kybele das lange Haar ins Gesicht. Sie ergriff Tilos Hand, hauchte ihm einen Kuss auf den Mund und rannte mit ihm zum Wasser. Sie planschten wie die Kinder im seichten Ufersaum, bespritzten sich übermütig und jauchzten vor Vergnügen über die kalten Schauer. Schließlich warf sich Kybele mit einem schnellen Sprung in den eiskalten See und rief Tilo zu: »Komm, wer als erster auf der anderen Seite ist!«
Sie schwammen um die Wette, neckten sich und versuchten, sich gegenseitig unterzutauchen. Fast gleichzeitig erreichten sie das andere Ufer und setzten sich auf einen Felsen. Völlig außer Atem sagte Tilo: »Auf dem Rückweg mußt du mir Revanche geben«, und Kybele nickte. Auch sie kämpfte mit dem Atem, fühlte, wie sich ihre Brust in kraftvollen Schüben hob und senkte. Die Tropfen perlten von ihrer Haut und tropften auf den sonnenerwärmten Fels. Auch Tilos Haut glänzte und die Sonne brach sich in tausend blitzenden Strahlen in den Tropfen, die seinen Körper benetzten. Sie faßte nach seiner Hand, ohne ihn anzuschauen und er nahm sie in die Seine, drückte sie sanft und war dankbar über ihre Nähe.
Als sie sich etwas erholt hatten, sprangen sie erneut hinein und strebten dem jenseitigen Ufer entgegen. Das Wasser schien noch kälter geworden zu sein, biß auf der Haut und ließ die Muskeln sich zusammenziehen, die kaum noch Kraft fanden, den Körper voranzutreiben. Erschöpft schleppten sie sich an Land, Tilo nun um Längen vor Kybele. Als sie das Ufer erreichte, stand er bereits da und hielt ihr ihre Decke entgegen, die sie dankbar nahm und sich schnell darin einhüllte. Sie zitterte am ganzen Körper vor Anstrengung und Kälte. Tilo schien es nicht anders zu gehen, denn er hatte Schwierigkeiten, seine Zähne aufeinander zu halten, die ein leises Klappern von sich gaben. Sie legten sich auf den kiesbedeckten Boden in die Sonne, die heiß durch die Decke brannte und sie bald wieder wohlig aufwärmte.
Kybele lag auf dem Rücken und schaute nach der silbrigen Mondsichel, die hoch am blauen Tageshimmel stand. Sie schlug die Decke auf, die ihr zu heiß wurde, legte sich auf die Seite und sah Tilo an. Ihre Augen begegneten sich, erlaubten ihren Seelen für einen kurzen Augenblick, sich zu berühren. Doch was sie berührte, war ungewohnt, zu fremd, als daß sie es geschehen lassen konnten. Schnell senkten sie die Blicke, suchten sich abzulenken. Bis bald wieder ein verstohlener Blick den Körper des anderen streifte, mit neugieriger Erregung und wachsendem Verlangen.
Tilo begann Kybele mit kleinen Steinchen zu bewerfen. Dann nahm er eine Handvoll Sand und ließ ihn auf ihre gebräunte Taille laufen. Schnell waren sie wieder mitten im Spiel. Kybele tat es ihm nach, bewarf auch Tilo mit Steinchen, bis sie ihn etwas unglücklich traf. Er mimte ein wütendes Gesicht und wollte sich auf sie stürzen. Lachend sprang sie jedoch hoch und lief ihm davon. Er folgte ihr, und schon jagten sie hinter einander her, über die nahen Felsen, spritzend am flachen Ufer entlang und weiter durch den nahen Wald und wieder zurück zum See. Immer wenn Tilo sie gerade fassen wollte, wich sie ihm geschickt aus, begleitet von fröhlichem Kreischen, schlug einen Haken und war wieder verschwunden. Endlich bekam er sie am Arm zu fassen. Sie versuchte sich loszuwinden, doch beide stürzten auf den Boden, kugelten über einander her und blieben lachend liegen. Sie sahen sich an und langsam verebbte das Lachen zu einem zufriedenen Glucksen, dann einem sanften Lächeln, bis sie beide ganz still wurden, tief atmend, ihre Augen ineinander versunken, die nun nicht mehr voneinander lassen wollten.
»Du bist so schön!« sagte Tilo, und Kybele spürte, wie seine Worte ihr durch den Körper liefen. Langsam rückten sie näher, begannen mit den Fingerspitzen ihre Körper zu erforschen. Zögernd erst, doch immer stürmischer ihrem Verlangen folgend, bis sie sich endlich eng umschlungen hielten, um in sanften Wogen fortgetragen zu werden aus Raum und Zeit.
Später saßen sie dicht beieinander am Feuer. Die Flammen flackerten auf ihren Gesichtern, warfen ihren Schein zwischen die Bäume des Waldes und hinaus auf den glatten Spiegel des Sees, der versunken im Dunkel dalag. Ringsum Stille - nur das leise Knacken und Zischen der Flammen und von den Ufern das Quorren der Frösche, die ihr Nachtlied sangen. Kybeles Augen waren voll von dem, was nachmittags geschehen war und schauten versunken hinaus auf den See. - … …
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