Ich stand in der Dunkelheit, wartete und hatte schon kleine Frostbeulen an den Fingern. Wie immer trug ich keine Handschuhe, warum auch, ich hatte Taschen an meinem Wintermantel, ich brauchte keine Handschuhe. ‚Handschuhe sind etwas für Weicheier.’, hatte mal jemand lapidar zu mir gesagt, seither trage ich keine Handschuhe bei mir. Der kalte Wind blies durch meine Haare und die Wangen färbten sich rot, jedoch war mir nicht kalt. Geduldig tippelte ich auf und ab, kein Taxi zu sehen. Der Bahnhof war mittlerweile leer und die Beamten vom Sicherheitsdienst schlossen bereits die Türen am Haupteingang. Der Mond stand über der Metropole und hinter manchem Wolkenband konnte man die Sterne funkeln sehen. Und immer noch kein Taxi.
Geduldig wartete ich bereits zehn Minuten am Taxistand, als ich zwei Scheinwerferaugen auf mich zukommen sah. Innerlich freute ich mich, in ein warmes Auto zu kommen und mich etwas aufwärmen zu können. Das Taxi, im typischen cremeweiß, hielt an und ich konnte als Fahrer eine Frau ausmachen. Mit klammen Fingern öffnete ich die rechte hintere Seitentür und stieg in den Fond ein. Ich wurde von einem warmen Raum herzlich empfangen. Ein herrlicher Schauer lief durch meine Knochen, ich schüttelte mich und sah im Rückspiegel das Gesicht der Fahrerin. Sie lächelte, als sie nach meinem Ziel fragte.
„Reichelstrasse, bitte.“, antwortete ich und wie automatisch fügte ich noch hinzu: „Ginnheim, beim Seniorenwohnheim.“
Die Taxifahrerin nickte und stellte das Taxameter ein. Leuchtende Ziffern wurden sichtbar, ich dachte an die Fahrt, die vor mir lag. Eine Fahrtdauer von ungefähr zehn Minuten, ein Fahrpreis von ungefähr neunundzwanzig Mark, es war Nacht und dadurch entstand ein etwas erhöhter Nachtzuschlag. Ich lehnte mich zurück und schaute aus dem Seitenfenster.
Das Radio dudelte leise vor sich hin, die Straßenlaternen schossen an mir vorbei und die Straßennamen musste ich nicht lesen, zu oft bin ich hier entlanggefahren. Der ‚Platz der Republik’, die ‚Alte Oper’ dann die ‚Bockenheimer Landstrasse hinauf, am ‚Palmengarten’ vorbei, die ‚Bockenheimer Warte’ links liegen lassen, ebenso die ‚Universität’, in die ‚Sophienstrasse’ hinein und dann immer gerade aus bis zum ‚Markuskrankenhaus’, über die Ampel und dann in der ‚Ginnheimer Landstrasse’, bei der Apotheke links einbiegen, hier ein paar Schlangelinien fahren und am Ende der Strasse rechts rum und etwa einhundert Meter weiter anhalten, und ich war zuhause. Ich schloss meine Augen und ließ mich treiben, von der Musik im Radio und von der Vorfreude, nach Hause zu kommen. Es sollte eine Überraschung werden, ich wollte Julia eine Freude machen und konnte mich schon einen Tag früher vom Kongress in Berlin frei machen. Ich freute mich auf Julia und schmunzelte mit geschlossenen Augen in mich hinein.
Eine Taxifahrt ins Traumland
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