“Puedo ayudarte?” Der Mann mit der rauen Stimme hatte ihm eine Frage gestellt. Es musste eine Frage gewesen sein, obwohl er nur ahnen konnte, was sie bedeutete. Der Mann wollte vermutlich wissen, ob er ihm helfen könne. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Mittagshimmel, gleißend, schweißtreibend, alles lähmend. Er hatte seinen Wagen von der Straße weg auf einen freien Platz vor einem Wohnblock gelenkt, nachdem er erst vermutet, sich dann aber sehr rasch sicher war, dass mit den Reifen etwas nicht stimmte. Dieses verdammt Holpern rührte nicht nur von den zahllosen Schlaglöchern auf der maroden Straße. Es musste mehr sein. Als er ausstieg und nachschaute, sah er gleich den Grund: ein Platten hinten links.
Es war keine schöne Gegend, in der er eine unfreiwillige Pause machen musste. Die Häuser sahen heruntergekommen aus. Vierstöckige Wohnblocks mit schmutzigen Fassaden, die früher einmal weiß oder rosa gewesen waren. Statt Vorgärten nur Massenansammlungen von Unkräutern, zwischen denen ab und zu ein Baum stand. Ein Pferd, mit einem langen Seil an einen in den Boden geschlagenen Pflock gebunden, weidete auf einer dieser Unkrautwiesen. Außer dem Pferd schien die Gegend in der Mittagshitze ausgestorben zu sein. Er fluchte, als er den Schaden begutachtete, und wischte sich den Schweiß von der Stirn, der sich schon eingestellt hatte, noch ehe der erste Handgriff getan war. Dann öffnete er den Kofferraum und schaute unschlüssig hinein. Sein letzter Reifenwechsel war unendlich lange her. Wie ging das noch mal? Wo waren denn überhaupt das verdammte Ersatzrad und der Wagenheber und an welcher Stelle musste man den am besten ansetzen? In seine Entschlusslosigkeit platzte das „puedo ayudarte? – kann ich dir helfen.”
Der Mann war aus einem der Wohnblocks gekommen und hatte die Lage wohl gleich richtig eingeschätzt. Hier stand ein Tourist mit einem Mietwagen, der keine Ahnung und noch weniger Lust hatte, in der brütenden Hitze einen Reifen zu wechseln. Und trotzdem hätte er von dem Fremden fast eine ablehnende Antwort erhalten. Man solle aufpassen, mit wem man sich einließe, war ihm vor Antritt der Reise eingeschärft worden. Keine Männer als Anhalter mitnehmen, am besten gar niemand und wenn schon, dann nur Frauen mit kleinen Kindern. Aber Leute per Anhalter mitzunehmen war sehr sinnvoll in einem Land, in dem es kaum eine Straßenbeschilderung und keine brauchbaren Karten gab und wo er manchmal gezwungen war, den Sonnenstand zur Orientierung heranzuziehen. Sie kannten den Weg, wussten, wo man gerade war und sagten einem, in welche Richtung man weiter fahren musste. Er hatte immer Leute mitgenommen, meistens Frauen und nie ein Problem gehabt. Doch jetzt stand ein Mann vor ihm, ein Mann, der nicht gerade sehr vertrauenerweckend aussah: so um die vierzig, dunkelbraune Haut, kurze krause Haare, ein eher grobes Gesicht mit Drei-Tage-Bart. Andererseits machte er trotz oder wegen seiner dreckigen Jeans, seines zerschlissen, dunklen T-Shirts und seiner klobigen Arbeiterschuhe doch einen vertrauenerweckenden Eindruck. Jedenfalls traute er ihm sofort zu, einen Reifen zu wechseln. Deshalb nickte er und der Mann stellte, ohne ein weiteres Worte zu verlieren, das Gepäck auf die Straße, hob die Bodenabdeckung des Kofferraums hoch, holte das Ersatzrad und das Werkzeug heraus, bockte das Auto auf und wechselte innerhalb kürzester Zeit den Reifen.
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