Erinnerungen

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Erinnerungen

Erinnerungen

Sven Solge

Ich weiß nicht, wie es dem geneigten Leser oder Leserin geht, aber ich, als etwas introvertierter Mann, habe in meinem recht langem Leben so manche Begegnung gehabt, die mich oft nicht mehr losgelassen hat.
Ich meine nicht die erste große Liebe, die vergisst man sowieso nie, besonders weil man zu blöd, zu jung oder aus welchem Grund auch immer, diese Liebe nie ihre Erfüllung fand.
Der Stachel, etwas verpasst zu haben, wird ein ganzes Leben im Herzen bohren.
Nur die wenigen Menschen, denen es vergönnt war, ihre Jugendliebe fürs Leben zu gewinnen, können das beurteilen.
Ich meine die kurzen Begegnungen, die einem für den Bruchteil einer Sekunde den Atem stocken ließ.
Bei mir waren es im Regelfall, hübsche Frauen, meinem Alter entsprechend, die meinen Herzschlag zum Stolpern brachten, meine Hände feucht werden ließen und meine Fantasie anregten.
Oft waren es nur kleine Gesten, ein Lächeln zum Beispiel, oder eine angenehme Stimme.
Bei mir war es jedenfalls so, dass das Aussehen meiner unerfüllten Jugendliebe, ich nenne sie mal Inga, mein Suchen bestimmte.
Immer wieder ertappte ich mich dabei, bei anderen Frauen nach Merkmalen zu suchen, die Inga entsprachen. Das lief unbewusst ab, erst später, als diese Begegnung schon längst vorüber war, stellte ich fest, dass diese den schmalen, fein geschnittenen Mund meiner Angebeteten hatte.  
Es waren ja nicht nur die körperlichen Attribute von Inga, in die ich mich verliebt hatte, wie ihre süßen schmalen Lippen. Ihre Zähne, die schon ein besonderes Merkmal hatten. Ihre Eckzähne waren sehr spitz und standen etwas vor. Heute hätte man diese Fehlstellung mit einer Schiene behoben. Aber gerade das liebte ich an Inga. Ich glaube, ich hätte sie mit verbundenen Augen, nur durch Tasten, an den Eckzähnen erkannt.
Inga war schlank, hatte eine normale Größe und trug damals oft Zöpfe. Später dann eine lockige Kurzhaarfrisur. Ihre weiblichen Formen waren noch nicht sehr ausgeprägt, aber ich war noch jung und hatte aufgrund meiner erst erwachenden Sexualität noch nicht den Blick dafür. Ich war eben ein Spätzünder.
Als Inga dann nach dem Abitur ins Ausland ging, war ich tottraurig, aber so spielt das Leben.
Es sollten Jahrzehnte vergehen, bis ich Inga wieder sah.  
Aber davon später!
Gut kann ich mich noch an „Christina“ erinnern. Sie sah ich zum ersten Mal, morgens in der         U-Bahn. Wobei ich ihren Namen nicht kannte, ich nannte sie für mich Christina, weil ich glaubte, dass sie so heißen könnte.
Sie stand mir gegenüber an der Tür, weil an einen Sitzplatz in der Rushhour nicht zu denken war.
Christina hatte mittelblonde Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ihre hellgrauen Augen hatten mich kurz gemusterten, als sie einstieg, sie senkte aber sofort ihren Blick. Ich beobachtete sie heimlich, weil mich irgendetwas an ihr faszinierte, mir war nur nicht bewusst, was es war?
Sie trug einen sehr kurzen Jeansrock und darunter schwarze Leggins. Es stand ihr ausgesprochen gut, weil sie schmale Hüften und gerade, schlanke Beine hatte. Die weißen Sneaker und ihre beige Bluse passten perfekt zusammen.
In mir regte sich etwas, als mein Blick auf ihrem Dekolleté hängen blieb. Sie hatte die oberen drei Knöpfe ihrer Bluse offengelassen, sodass ich den Ansatz ihrer kleinen Brüste sehen konnte. Einen BH schien sie nicht zu brauchen, denn ihre Brustwarzen zeichneten sich zart unter dem seidigen Stoff ihrer Bluse ab.
Plötzlich spürte ich, dass Christina mich ansah. Ich fühlte es einfach und als ich jetzt in ihr Gesicht blickte, überzog ein leicht spöttisches Lächeln ihr zauberhaftes Gesicht.
Ich fühlte mich ertappt, brachte es aber dennoch fertig auch zu lächeln, hob aber dazu noch entschuldigend die Schultern.
In dem Moment hielt der Zug und es drängten sich unglaublich viele Menschen hinein.
Während ich meinen Platz behaupten konnte, wurde Christina weiter in den Zug gedrängt und ich verlor sie aus den Augen. Erst als ich an meiner Station ausstieg und am Waggon entlang zum Ausgang strebte, sah ich Christina noch einmal. Sie hatte einen Fensterplatz und als sie mich sah, hob sie kurz ihre Hand und wackelte mit den Fingern und winkte mir zu.
Das kam für mich so unerwartet, dass ich abrupt stehen blieb und dem Zug nachschaute, wie er im Tunnel verschwand.
Diese Begegnung verfolgte mich den ganzen Tag. Immer wieder sah ich dieses süße Lächeln und ihre Finger, die mir zuwinkten vor meinen Augen. Und auf einmal wurde mir bewusst, was mich an Christina so faszinierte, sie hatte die gleichen, kleinen Ohren wie meine Inga.
Am nächsten Tag war ich zur gleichen Zeit wieder auf dem Bahnhof, doch ich hielt vergebens nach Christina Ausschau. Ein paar Tage später, ohne dass ich sie gesehen hätte, gab ich es auf. Es sollte nicht sein.
In der folgenden Nacht träumte ich von Christina. Wir standen uns in einem Waggon der
U-Bahn gegenüber, doch dieses Mal war der Wagen leer.
Christina blickte mich so intensiv an, dass mir heiß und kalt wurde und mir das Blut in die Lenden schoss. Unvermittelt stand Christina so dicht vor mir, dass ich vermeinte ihren Duft zu riechen.
Sie nahm auf einmal meine Hand und schob sie sich in die Bluse und legte sie auf ihre rechte Brust. Deutlich spürte ich ihre harte Brustwarze und die Form ihrer festen Brust.
Das alles fühlte sich so echt an, dass ich leise vor mich hin keuchte.
Plötzlich neigte Christina sich vor und flüsterte mir ins Ohr: „Das wolltest du doch schon lange!“
Schweißgebadet erwachte ich und hing diesem intensiven Traum nach. Meine Erregung zeigte sich deutlich in einer schon fast schmerzhaften Erektion.
Auch wenn ich weiterhin nach Christina Ausschau hielt, ich sah sie nicht wieder.
-*-
Die Jahre vergingen, ich war in der Zwischenzeit verheiratet. Wobei ich sagen muss, dass meine Frau keines der Attribute meiner Jugendliebe trug und das war gut so, es hätte nicht gepasst!
Es gab eine andere Begegnung, bei der ich gleich zwei Merkmale von Inga feststellen musste.
Es begann mit einem Anruf im Büro und als ich die Frauenstimme hörte, lief es mir eiskalt über den Rücken.
Es war eindeutig Ingas Stimme!
Ich glaubte zu träumen, war so verdattert, dass ich gar nicht auf das hörte was diese Stimme fragte.
„Hallo, sind sie noch da?“, hörte ich die Stimme fragen.
„Entschuldigung, ich bin etwas überrascht!“, stotterte ich etwas verlegen in den Hörer.
„Wieso, weil ich angerufen habe?“
„Nein, weil ihre Stimme bei mir ein Déjà-vus ausgelöst hat!“, sagte ich mit etwas gebrochener Stimme.
„Oh la, la! Das war nicht meine Absicht!“, sagte „Ingas“ Stimme.
Ich beeilte mich, ins normale Leben zurückzufinden.
„Was kann ich für sie tun?“, fragte ich und atmete erst einmal tief durch.
Doch Ingas Stimme bohrte nach: „War es eine wichtige Person in ihrem Leben?“
„Ja!“, gab ich einsilbig zurück. Ich wollte einer fremden Frau nicht von meiner Jugendliebe erzählen.
Die Anruferin war feinfühlig genug, nicht weiter zu fragen.
„Mein Name ist Natalie Wegner und ich hätte gerne einen Beratungstermin. Ich möchte meine Küche erneuern.“
Wir kamen schnell zu einem passenden Zeitpunkt, der schon in drei Tagen sein würde.
Zur angegebenen Zeit stand ich vor der Tür des Reihenhauses und war gespannt, ob die Stimme zur Erscheinung passte. Ich klingelte und wenig später, sah ich hinter der schmalen Glasscheibe eine Bewegung und trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
Das was ich sah war nicht Inga, aber ebenfalls sehr hübsch.
Es ist schon verwunderlich was der Mensch in Bruchteilen einer Sekunde aufnehmen kann. Denn ich sah sofort, dass Natalie noch ein Attribut von Inga hatte.
Natalie Wegner reichte mir lächelnd die Hand und bat mich in ihr Haus und führte mich in die Küche.
Zu meinem Erstaunen klang ihre Stimme jetzt ganz anders als am Telefon. Das ließ ich mir aber nicht anmerken.
Frau Wegner schaute mich etwas abschätzend von der Seite an, erläuterte mir dann aber sehr anschaulich, wie sie sich ihre neue Küche vorstellte.
Bevor wir in das Beratungsgespräch einstiegen, maß ich kurz die Küchenzeile auf und gab sie in meinen Laptop ein. Dann nahmen wir am Küchentisch Platz und bevor ich mein Programm aufrief, schaute ich Frau Wegner an und entdeckte eine weitere Ähnlichkeit mit Inga und die war wirklich frappierend. Sie hatte die gleichen hellgrauen Augen wie meine Jugendliebe.
„Mögen sie einen Kaffee?“, fragte Natalie plötzlich und erhob sich.
„Ja, gerne!“
Während meine Kundin den Kaffeeautomaten startete, gab ich die Maße in mein Programm ein, schielte aber immer wieder auf den Rücken dieser attraktiven Frau.
Ich schätzte ihre Größe auf ungefähr 1,70 m, sehr schlank und sportlich durchtrainiert. Sie hatte mittelblonde, lockige Haare, mit einem leicht rötlichen Stich. Und was ich auf dem ersten Blick erkannt hatte, waren ihre weiblichen Attribute. Busen, Hüften und  der runde Po waren ausgeprägt, aber Passend zu ihrer schlanken Figur.
Natalie stellte einen Kaffeebecher vor mich hin: „Nehmen sie Milch und Zucker?“
„Ja, beides bitte! Kann aber auch Süßstoff sein.“, antwortete ich.
Sie ging wortlos an mir vorbei zum Schrank und dabei schwebte eine Wolke ihres betörenden Dufts hinter ihr her.
Natalie setzte sich mir gegenüber an den Tisch, hatte beide Hände um ihren Becher geschlossen, so als wenn ihr Kalt wäre. Dabei schaute sie auf den Kaffee, doch plötzlich hob sie den Kopf und fragte übergangslos: „Und hat sich ihr Déjà-vus bestätigt, seit sie mich persönlich gehört haben?“ Dabei strahlte sie mich so verständnisvoll an, dass ich versucht war, ihr zu erklären, was ihre Stimme bei mir ausgelöst hatte.
Ich hob etwas bedauernd die Hände: „Nein leider nicht, in Wirklichkeit klingt ihre Stimme anders.“
„War es ihre Mutter, an die sie erinnert wurden?“, hakte sie nach.
„Nein!“ Blieb ich einsilbig.
„Entschuldigung, geht mich ja auch nichts an!“ Sie trank einen Schluck aus ihrem Becher und starrte dann wieder auf die Kaffeeoberfläche.
„Es war meine Jugendliebe, an die mich ihre Stimme erinnert hat. Ich habe lange nichts von ihr gehört, deshalb war ich etwas überrascht.“
Ich bearbeitet den Küchenvorschlag schweigend und als ich fertig war, erhob ich mich und ging mit meinem Laptop an ihre Seite und zeigte ihr meinen Entwurf. Sie war hell auf begeistert und hatte nur wenige Änderungswünsche. Nachdem sie sich noch das Dekor der Türen und Blenden ausgesucht hatte, waren wir uns schnell einig. In den nächsten Tagen würde ich ihre den Kostenvoranschlag zuschicken.

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