Erinnerungen an Zoé

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Erinnerungen an Zoé

Erinnerungen an Zoé

Andrea Pfister

Ich glaube es war 1986. Eines unserer Reisebüros in der Stadt bot zu dieser Zeit
Tagesfahrten nach Paris für 49 DM an. Zu dieser Zeit besuchte ich ein mehrmonatiges Fortbildungsseminar für computerunterstütztes Entwerfen und Darstellen.
Einen über den anderen Samstag fuhren ein paar meiner Freunde und Seminarteilnehmer und ich morgens um 6,00 Uhr nach Paris. Ankunft war ca. um 11,00 Uhr. Die Rückfahrt fand
aber, entgegen aller anderen Anbieter solcher Reisen, erst um 12,00 Uhr nachts statt. Zurück
waren wir dann morgens um 5,00 Uhr. Man hatte praktisch einen halben Tag zur freien
Verfügung. Der Veranstalter bot zwar fakultative Rundfahrten und Besichtigungen an, die wir als ortskundige Besucher aber nicht nutzten.
Auf diese Art und Weise lernte ich Paris in kürzester Zeit kennen und lieben.
Während meiner Studienzeit, einige Jahre zuvor, hatte ich eine Kommilitonin mit dem
Namen Zoé. Zoé besuchte mit mir zusammen während zweier Semester die sog.
Grundlehre, in der nach der Dessauer Bauhausphilosophie, das Sehen und das Handwerkszeug für bildnerische Gestaltung incl. Photographie gelehrt wurde.
Zoé war ein Paradiesvogel. Sie trug neben zerrissenen Jeans entweder Blusen und Jacken,
die sie selber entworfen und geschneidert hatte, oder sie trug Kleidungsstücke, die sie aus einem Theaterfundus herausgekauft hatte. So besaß sie unter anderem auch einen blauen
Gehrock aus Brokat, oder einen bestickten Kaftan aus grünem Samt. Unter letzterem
trug sie natürlich keine Jeans sondern Pluderhosen. Ihre Schuhe waren entweder goldene
Polini-Slipper oder lackschwarze Tod´s. Ihre Hauptmacke bei ihrer Kleidung war, das sie immer entweder goldene oder silberne Socken aus metallisierten Garnen trug. Immer!
Egal was sie sonst trug.
Um es gleich zu sagen, Zoé war nicht mein Typ, ich auch nicht ihrer und wir pflegten, nachdem ich ihr einmal gründlich meine Meinung gesagt hatte, eine friedliche Koexistenz.
Zoé war ein dominanter Typ der nicht alleine sein konnte. Sie hatte immer ihren Hofstaat,
bestehend aus zwei bis drei Kommilitoninnen dabei und lästerte über alles und jeden und das oft unter der moralischen Gürtellinie. Außerdem hatte Zoé die unangenehme Art jeden halbwegs vernünftig aussehenden Typen anzubaggern, mit ihm zu pennen und dann genüßlich alle Details, natürlich hinter vorgehaltener Hand, jedermann zu erzählen, egal ob er es wissen wollte oder nicht. Kurz , sie war eine richtige Schlampe.

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