Erwachen

III.

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Erwachen

Erwachen

Dreaming Dolphin

Ich muss so zwölf, dreizehn Jahre alt gewesen sein, als ich das erste Mal „erwachte“.
Ich nenne es ein „Erwachen“, weil das, was davor war – meine Kindheit – mir im Rückblick wie ein langer, tiefer Schlaf erscheint, wie eine endlose Wanderung im Morgennebel, durch den irgendwann in diesen Jahren jäh das Licht der Sonne fiel.
Ich nenne es „Das Erwachen“ und meine damit das mehr oder weniger plötzliche Aufbrechen eines Verlangens, das aus bis dahin kaum wahrgenommenen Mädchen in meiner Umgebung mit einem Schlag „Objekte der Begierde“ machte, die Lust und Neugier weckten; ein Verlangen, das mich heimlich die Dessous-Fotos in den Versandkatalogen meiner Mutter betrachten und die schlüpfrigen Passagen in den Romanen meines Vaters lesen ließ.
Auf einmal übten die mehr oder weniger nackten Frauen auf den Titelseiten der Männermagazine im Kiosk um die Ecke, die ich bis dahin überhaupt nicht wahrgenommen hatte, eine magische Anziehungskraft auf mich aus – auch wenn es noch Monate dauern sollte, bis ich den Mut fand, mir zum ersten Mal mit hochrotem Kopf ein solches Magazin zu kaufen, um die auf schwarzen Satinlaken oder an sonnengefluteten Stränden sich räkelnden, nackten Frauen intensiver zu betrachten.
Ich begann zu onanieren, noch ohne zu wissen, was das eigentlich war, was ich da tat, und Selbstbefriedigung blieb lange Zeit die einzige Form sexueller Betätigung, die ich praktizierte. Bis heute habe ich die Lust am einsamen Sex mit mir selbst nicht verloren. Natürlich wünschte ich mir schon bald, auch mal „richtigen Sex“ zu haben, war aber viel zu schüchtern, um diesbezüglich die Initiative zu ergreifen. So blieb es bei nächtlichen, feuchten Träumen. Ich machte es mir morgens nach dem Aufwachen und abends vor dem Einschlafen und manchmal auch mitten am Tag, wenn sich die Gelegenheit dafür ergab.
Zur „Anregung“ – oder sagen wir es, wie es ist: als Wichsvorlagen! – dienten mir Fotos aus Magazinen und Bilder in meinem Kopf. Stars und Sternchen aus dem Fernsehen, frühreife Mädchen aus meiner Klasse und manchmal auch deren ältere Schwestern oder jugendliche Mütter. Je unerreichbarer diese Mädchen und Frauen für mich waren, desto intensiver waren meine Fantasien.
Meine tatsächlichen sexuellen Erfahrungen beschränkten sich in dieser Zeit des Erwachens auf gelegentliche Küsse, flüchtige Umarmungen und verstohlene Berührungen. Sie bestanden aus stundenlangem Händchenhalten, ausgiebigem Kuscheln und ungeschickten Zungenküssen mit der ersten Freundin, die ich hatte. Später – bei der zweiten und dritten Freundin – kam ausgiebiges Petting hinzu, wobei wir jedoch niemals nackt waren. Wir erforschten den Körper des anderen Geschlechts, indem wir unter der Kleidung nach nackter Haut, Brust und Po tasteten. Der Griff zwischen die Beine, also ins eigentliche Zentrum der Lust blieb ein unausgesprochenes Tabu. Wir tasteten uns – im wahrsten Sinne des Wortes – aneinander heran und blieben letztlich doch immer auf Abstand.
Ich war 18 Jahre alt, als ich das erste Mal mit einem Mädchen schlief. Meine damalige Freundin – Nummer vier – war zwei Jahre älter und hatte ihr „erstes Mal“ schon hinter sich. Sie war also die „Erfahrenere“ von uns beiden und nahm, als es endlich so weit war, dann auch das Heft in die Hand. Eine Erektion zu kriegen, war zu dieser Zeit überhaupt kein Problem für mich. Das Problem war eher, sie in unpassenden Momenten zu verbergen. Was Ann-Katrin, so hieß das Mädchen, an diesem frühen Morgen im Mai `83 bewerkstelligte, war, meiner Erektion den richtigen Weg zu weisen, dafür zu sorgen, dass ich nicht allzu ungestüm und ungeschickt zu Werke ging, und mir den richtigen Rhythmus zu zeigen, der nicht nur mir, sondern auch ihr Lust verschaffte. Ob sie bei unserem „ersten Mal“ einen Orgasmus hatte, vermag ich nicht zu sagen. Ich war zu sehr mit meinen eigenen Empfindungen beschäftigt, als dass ich auf die ihren hätte achten können. Auch heute noch ist dieser Moment, wenn mein Schwanz zum ersten Mal in das Allerheiligste einer Frau eindringt, ein besonders intensiver und aufregender Moment für mich!
Ann-Katrin war eine kleine, schlanke, sehr zierliche Frau mit mädchenhaften Brüsten und einer frechen Kurzhaarfrisur. Sie liebte es, auf meinem Schwanz zu reiten, vielleicht weil sie so die Kontrolle über unseren Liebesakt ausüben konnte. Ich liebte es ebenfalls, weil ich sie auf diese Weise beim Sex beobachten konnte. Meist schloss sie die Augen kurz bevor sie zum Orgasmus kam. Das war für mich das Zeichen, dass ich mich nun auch bald gehen lassen konnte. Und das tat ich – in jugendlichem Eifer – bei unseren Stelldicheins meist nicht nur einmal.
Ob wir damals wirklich guten Sex hatten, vermag ich gar nicht mehr zu sagen. Die ersten sexuellen Erfahrungen bleiben vermutlich immer etwas Besonderes – ob sie nun gut sind oder schlecht. Meine müssen wohl gut gewesen sein. Jedenfalls erinnere ich mich noch sehr genau, dass ich es stets kaum erwarten konnte, Ann-Katrin wiederzusehen. Und immer verbrachten wir bei diesen Gelegenheiten viel Zeit miteinander im Bett.
So ist wohl das erste Erwachen. Man bekommt nicht genug davon, und es dauert eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hat, nun ein anderer – ein richtiger? – Mann zu sein.

Ann-Katrin und ich blieben lange ein Paar. Tatsächlich heirateten wir, nachdem wir vier Jahre zusammen waren, und verbrachten danach elf überwiegend gute Jahre miteinander. Kinder bekamen wir keine, aber wir hatten einen Hund und drei Katzen. Wir studierten, bekamen gute Jobs, machten Karriere und bauten uns ein gutes Leben auf. Trotzdem hatten wir uns irgendwann auseinander gelebt, und schließlich trennten wir uns ohne großes Drama.
Sex spielte während unserer Zeit als Paar immer eine gewisse Rolle, wurde aber auch immer weniger wichtig für uns. Man „gewöhnt“ sich halt aneinander. Das ist schön, weil es einem Heimat gibt, nimmt der Beziehung aber auch ein wenig Spannung und Reiz. Wir kannten unsere jeweiligen sexuellen Vorlieben und Abneigungen, bedienten die einen und respektierten die anderen. Wir erlebten leidenschaftliche Momente, aber der Alltag war von Routine geprägt. Auch im Bett. Vor allem, weil wir beide nicht gelernt hatten, einander unsere geheimen Wünsche und Begierden mitzuteilen.
Als wir auseinander gingen, war ich Anfang dreißig – und voller Tatendrang! So dauerte es nicht lange, dann hatte ich mich bei diversen Singleseiten und Datingportalen angemeldet, um auf diese Weise neue Frauen kennen zu lernen. Ich suchte erst einmal keine neue Beziehung, sondern nur neue Erfahrungen und war erstaunt, wie vielen Frauen es ähnlich ging. Schließlich war ich mit der romantischen Vorstellung aufgewachsen, dass Sex nur richtig schön ist, wenn er aus Liebe geschieht. Nun aber stellte ich fest, dass man auch ohne „große Gefühle“ guten und befriedigenden Sex haben kann. Und dass es Frauen gab, die das genauso sahen!
Ich hatte also die eine oder andere „Affäre“. Gut lief es, wenn beide Beteiligte sich einig waren, dass es dabei bleiben sollte, schlecht, wenn sich wider Erwarten jemand verliebte. Aber das kam nur selten vor. Wir spielten immer mit offenen Karten und ließen keinen Zweifel daran, dass wir in dieser Phase unseres Lebens nicht die Absicht hatten, uns zu verlieben. Dass es hin und wieder doch passierte, ist eine andere Geschichte ...
In sexueller Hinsicht war diese Zeit Anfang dreißig für mich wie ein „zweites Erwachen“. Da gab es doch tatsächlich Frauen, die nicht nur gerne von hinten gevögelt wurden, sondern meinen Schwanz (oder meine Zunge) außer in ihrer Möse auch in ihrem Hintern spüren wollten! Manchen reichte es nicht, dass ich ihnen zwei oder drei Finger in die Muschi steckte, sie wollten meine ganze Hand in ihrem Schoß fühlen. Andere standen darauf, sich zu zeigen, zum Beispiel wenn sie sich selbst befriedigten, oder bei einer Swinger- oder Gangbangparty von mir „vorgeführt“ zu werden. Wieder andere liebten es, Sex an ungewöhnlichen oder öffentlich zugänglichen Orten zu haben, in Parkanlagen, Umkleidekabinen, Flugzeugen oder Zügen. Die Möglichkeit, erwischt oder beobachtet zu werden, gab ihnen einen besonderen Kick!
So machte ich in diesen Jahren viele neue, spannende Erfahrungen. Ich lernte, dass es kaum Tabus gibt, wenn die Beteiligten das sexuelle Szenario freiwillig und selbstbestimmt mitgestalten können! Wenn eine Frau die Augen verbunden haben und gefesselt werden wollte, um sich anschließend – zu unserer beider Befriedigung – von mir „benutzen“ zu lassen, hatte ich kein schlechtes Gewissen dabei, ihr diesen Gefallen zu tun. Umgekehrt stellte ich mich auch selber gern als „Lustobjekt“ zur Verfügung, wenn meine Partnerin das erregend fand. In vollen Zügen genoss ich meine Freiheit, lebte meine Fantasien aus und half anderen dabei, die ihren zu verwirklichen.

Jetzt bin ich 50 und immer noch „wach“. Klar, ich bin ruhiger geworden. Ich hetze den „Abenteuern“ nicht mehr hinterher, sondern ergreife die von selbst sich bietenden Gelegenheiten. Ich weiß, was ich will. Ich kann genießen und Genuss verschaffen – lustvoll und gelassen. Was will ich mehr?

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