Auch was das Essen anbelangte, war es ganz anders, als was Clara und Leon von zu Hause kannten. So war die Wurst vom Grill schon etwas Spezielles und dass man nach dem Essen das benutzte Geschirr im „Servicebyggnad“ zusammen mit anderen Campern selbst abwaschen musste, war ganz etwas Neues.
Nach dem Essen verbrachten die Kinder die Zeit bis zum Schlafengehen noch damit, ein wenig auf dem „Lekplats“ herumzutollen. Für Olivia und Martin war es schön zu sehen, wie selbstbewusst Clara ihren jüngeren Bruder an der Hand nahm und zielstrebig zum Spielplatz marschierte. Die beiden fanden bald Anschluss zu anderen Kindern und der sprachliche Austausch untereinander fand bald auf Deutsch, schwedisch, englisch und noch zwei, drei anderen Sprachen statt…
Olivia und Martin nutzten die Zeit für ein wenig Gemeinsamkeit ohne die Kinder. Sie saßen in ihren bequemen Campingstühlen, tranken ein Glas Wein und beobachteten, wie in unmittelbarer Nachbarschaft drei Paare ihre Plätze bezogen. Für die deutschen „Neu-Camper“ war es interessant zu beobachten, wie die Schweden sich wohnlich einrichteten und wie die Arbeitsteilung gestaltet war. So waren die Männer schon bald damit beschäftigt, die Vorzelte für ihre Wohnwagen und die mobile Küche aufzustellen, wobei die Frauen dafür besorgt waren, den Platz mit Tischen, Stühlen, Lampen und Girlanden ein wenig wohnlich zu gestalten.Schon bald waren die Schwedinnen dabei, sich mit einer Flasche Hugo oder etwas Ähnlichem für ihre Mühen zu belohnen und dabei ihre Männer kräftig bei der Arbeit anzufeuern. Was die Männer wiederum zum Anlass nahmen, sich für ihr Tun mit einem Bier zu belohnen. Dabei wurde hin und her gealbert und was insbesondere die Frauen für Sprüche losließen, brachte Olivia immer wieder zum Schmunzeln und sie musste für Martin die manchmal nicht ganz jugendfreien Sachen übersetzen…
Als eine dann sagte: „Eftersom min hingst äntligen har börjat idrotta igen kan man också se hans bakdel igen!“, war es um Olivia geschehen und musste über diesen Satz lauthals lachen. Auch wenn der Hintern des Mannes zwar schon halb aus der Hose schaute, war aber nicht zu erkennen, ob ihm der Sport bereits zu einem knackigen Arsch verholfen hat. Auch Martin musste nach der Übersetzung von Olivia über das Gesagte lachen und so war es an den Schweden, verständnislos zu den Deutschen hinüberzuschauen.
„Wenn er die Hose noch weiter herunterlassen würde, könnten wir sehen, ob er schon einen knackigen Arsch hat“, meine darauf Olivia, was ihren Mann erneut zum Lachen brachte. Auf der Seite der Schweden waren nur fragende Gesichter zu sehen, was Olivia veranlasste, den Satz nochmals auf Schwedisch zu wiederholen: „Om han skulle sänka byxorna ännu mer skulle vi kunna se om han redan har en snäv häck.“ Allgemeines Gelächter war die Folge und mit einem fröhlichen „Skål“ wurde sich gegenseitig zugeprostet.
Die Zeit verging und Clara und Leon waren wieder zurück vom Spielplatz. Die Reise und die vielen neuen Eindrücke haben sie doch müde gemacht und am nächsten Tag wollten sie ja Astrid Lindgrens Värld besuchen. Schon bald waren die beiden im Bett und eingeschlafen, trotz des Lärms, den die Schweden nebenan noch produzierten. Die hatten schon ordentlich Schlagseite von dem, was die schon alles getrunken hatten. Nun ja, aufräumen mussten sie dann halt am nächsten Tag…
*****
Schon kurz nach dem Frühstück machte sich die Familie Andersson auf den Weg zum Astrid-Lindgren-Themenpark. Obwohl es kurz vor der Öffnung des Parks war, warteten schon einige Familien vor dem Eingang.
„Mann hat das schon viele Leute“, staunte Leon und auch über den großen Parkplatz und die vielen Reisebusse, die bereits dort abgestellt waren.
Schon nach kurzer Wartezeit wurde geöffnet und die Leute strömten in den Freizeitpark. Gleich nach dem Eingang fragte Olivia die Kinder, „was möchtet ihr denn sehen?“
„Ich will zu Pippi“, meinte Clara ganz entschieden, „und zum kleinen Onkel… und zu Herrn Nielsson…“
Leon sah sich ein wenig verunsichert um und war damit beschäftigt, all die neuen Eindrücke zu verarbeiten.
„Ganz bestimmt gehen wir zur Villa Kunterbunt. Wir haben den ganzen Tag Zeit und können in Ruhe alles ansehen“, entgegnete Martin und dann wurde der Plan der Parks eingehend studiert.
„Ich will die Räuber sehen“, meinte daraufhin Leon, nachdem er die Bilder auf dem Plan gesehen hatte.
Somit war klar, dass die „Villa Villekulla“ und auch die „Mattisborgen“ ganz sicher auf dem Programm standen. Gleich nach dem Eingang gab es bereits diverse Geschäfte, in denen Souvenirs und andere Dinge angeboten wurden. Olivia und Martin haben mit den Kindern die Abmachung getroffen, dass sie ganz zuletzt noch in diesen „Butiken“ stöbern würden, um einige Andenken zu kaufen.
Also machte sich die Familie Andersson auf den Weg zum Themenbereich von Pippi Langstrumpf. Schon kurz nachdem sie losgelaufen sind, wurde ihr Weg durch ein energisches Klingeln unterbrochen. An ihnen preschte ein Tandem mit zwei Polizisten vorbei, welche lautstark auf sich aufmerksam machten. Ein paar Meter weiter bremsten die beiden, stellten das Tandem am Wegrand ab und warteten auf Clara und Leon.
„Stopp! Vart är du på väg?“, fragte einer der Polizisten die beiden Kinder. Hilfesuchend sah Clara Olivia an und fragte: „Du, was will der Mann von uns?“
„Der Polizist fragt, wo ihr beiden hinwollt“, gab Olivia zur Antwort. „Sag ihm einfach, wir wollen zur Villa Kunterbunt, also vi vill åka till Villa Villekulla… alles klar?“
Clara nickte und drehte sich wieder den Polizisten zu, drückte den Rücken durch und sagte ganz bestimmt: „Vi vill åka till Villa Villekulla!“
Die Polizisten schmunzelten und der eine sagte dann: „Det är i den riktningen du måste gå“ – in diese Richtung müsst ihr gehen - und zeigte mit der Hand dem Weg entlang. Mit einem „Adjö“ stiegen sie wieder auf ihr Tandem und fuhren laut klingelnd weiter…
Wie frisch verliebte Teenager liefen Olivia und Martin händchenhaltend den vorauseilenden Kindern nach und schon bald erreichten sie die Villa Kunterbunt, ein gelbes Haus mit blauen Türen und Fensterbalken. Auf der Tribüne vor der ganzen Kulisse sammelten sich langsam immer mehr Leute und Olivia stellte nach einem Blick auf das Tagesprogramm fest, dass hier schon bald eine Darbietung stattfinden würde. Gemeinsam wurde beschlossen, einen guten Platz zum Sitzen zu suchen und auf den Beginn des „Theaters“ zu warten.
Schon bald sahen die Zuschauer, wie zwei verlumpte Männer um das Haus schlichen und versuchten einzubrechen… also waren es die Einbrecher aus der Geschichte. Eins führte zum andern und schon bald hatte „Pippi Långstrump“ die beiden Halunken am Kragen gepackt. Immer wieder übersetzte Olivia für ihre Familie die Dialoge, welche natürlich auf Schwedisch gesprochen wurden.
Kurz nachdem die beiden Einbrecher durch die bekannten Polizisten abgeführt wurden, kam in schnellen Schritten eine Frau in einem blauen Kleid auf das Haus und Pippi zugelaufen. Schon bald gab es zwischen den beiden eine lautstarke Diskussion und Olivia erklärte, dass dies Fräulein Prysselius sei und sie der Meinung wäre, dass Pippi endlich in die Schule müsste…
Mit vielen Worten und noch mehr Gelächter endete die Geschichte bei der Villa Kunterbunt. Mit viel Applaus wurde die Darbietung gewürdigt und die Leute gingen langsam weiter zu anderen Attraktionen.
„Wisst ihr eigentlich, wie viele Namen Pippi Langstrumpf hat?“, fragte Clara plötzlich beim Weitergehen.
„Na einen doch, nämlich Pippi Langstrumpf“, meinte Leon.
„Nein, Pippi hat ganz viele Namen. Sie heißt nämlich Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Das habe ich mir gemerkt“, freute sich Clara, weil sie mit etwas auftrumpfen konnte, was die anderen nicht wussten.
Immer wieder kamen sie an Sehenswürdigkeiten aus den Geschichten von Astrid Lindgren vorbei und manchmal blieben auch die Eltern staunend stehen, um sich wieder an die Geschichten zu erinnern.
Da waren die Süßigkeitengeschäfte, die kleinen Häuser von „Den Lilla, Lilla Staden“, die Geschichte von Karlsson vom Dach und noch vieles mehr. Langsam machte sich bei allen der Hunger bemerkbar und es wurde beschlossen, eine Pause einzulegen und im „Restaurang Stadsmästargården“ etwas zu essen.
Nachdem die Familie Andersson im Restaurant gegessen und auch etwas Energie getankt hatte, ging es weiter mit dem Erkunden der Welt von Astrid Lindgren. Olivia hatte auf dem Tagesprogramm gesehen, dass schon bald eine Aufführung von „Ronja Rövardotter“ beginnt und da Leon ja gerne die Räuber sehen möchte, führte der Weg die Anderssons also zur Mattisburg.
Schon bald ging das Spektakel los und auf der Burg wurde gesungen, mit Waffen gekämpft und lautstark gefeiert. Leon war von der ganzen Darbietung fasziniert, sah dem Treiben mit staunenden Augen zu und suchte aber zwischendurch immer wieder die Nähe von seinen Eltern. Für Leon und Clara war die Geschichte von Ronja Räubertochter ganz unbekannt und Olivia und Martin wurden plötzlich wieder an ihre Kindheit erinnert.
Für die beiden Kinder gab es aber noch mehr zu entdecken und so gingen sie mal hierhin, mal dorthin, schauten in ein Gebäude oder kletterten auf einen Turm hinauf, wo sie einen besseren Überblick über den Park hatten.
Die Zeit verging und Leon und Clara wurden langsam müde von den vielen Eindrücken. So wurde also wie versprochen ein Abstecher zu den „Butiken“ gemacht, wo die ganze Familie die Auslagen bestaunen konnten. Da gab es ein Geschäft, wo auf dem Schild über dem Eingang stand „Emilbutiken – Klädder, böcker, filmer och allt med Emil och Ida“. In der Auslage waren Filme und Bücher ausgestellt, welche von einem Jungen handelten, der Emil hieß.
„Aber das ist doch Michel aus Lönneberga“, meinte Martin und zeigte auf einen Buchumschlag.
„Zu deutsch heißt er so“, klärte ihn seine Frau auf, „aber auf Schwedisch heißt die Geschichte Emil i Lönneberga. In Deutschland wurde die Geschichte nämlich umbenannt, damit es keine Verwechslung zu Erich Kästners Emil und die Detektive gab.“
Letztendlich haben alle ein paar schöne Andenken gefunden und ein spannender Ausflug ging zu Ende. Zurück auf dem Campingplatz wurde nur noch etwas gegessen und Clara und Leon wollten schon bald ins Bett. Müde und gesättigt von den vielen Eindrücken waren sie auch bald eingeschlafen.
Auch Olivia und Martin zogen sich bald in ihr „Schlafgemach“ zurück, um ein wenig zu kuscheln. Körperliche Betätigung kam im Wohnmobil eher nicht infrage, da das Schlafabteil keine Türe zum Abschließen hatte und sich am nächsten Morgen der Frage der Kinder zu stellen „Warum hat das Auto plötzlich so geschaukelt“, wäre ja auch peinlich…
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