Claudia blätterte sich nachdenklich durch die Tageszeitung. Im Hintergrund sirrte der Wasserkocher. Dann hielt sie inne. Claudia las den Artikel über Silvio Berlusconi wieder und wieder. Von einer Sex-Orgie in seiner Villa war die Rede. Sex mit sehr jungen Frauen. Berlusconi sei eben ein „homme à femmes“, war da zu lesen. Ein „den Frauen zugetaner Mann“. John F. Kennedy, Bill Clinton und François Mitterrand seien auch solche „hommes à femmes“gewesen, soll aus Italiens regierungsnahen Kreisen verlauten. „Lasst doch unseren Chef in Ruhe. Er steht wenigstens zu seinem Lebensstil."
Da machte es „klick“ in Claudias Kopf. „Femme aux hommes.“ Für alle Zukunft wollte sie eine „femme aux hommes“ sein. Eine „den Männern zugetane Frau“. Und sie würde zu ihrem Lebensstil stehen, die Claudia, oh ja.
Claudia hatte ein Zimmer im 7. Stock eines Bürogebäudes angemietet. Zwischen Wohn- und Arbeitstrakt bestand eine strikte Trennung. Drückte jemand im Bürotrakt auf die Klinke der Korridortür, die zum Wohntrakt führte, wurde ein Alarm ausgelöst, der nur vom Sicherheitsdienst ausgeschaltet werden konnte – und vice versa.
Ausser Claudia bewohnten noch drei Physiotherapeutinnen den Trakt, drei Jus-Studenten, zwei Serviceangestellte und ein Tankwart. Mit einem der beiden Jus-Studenten, Marlo, hätte sich Claudia schon etwas vorstellen können. Ihre unregelmässige Arbeitszeit erlaubte es ihr aber kaum, sich ihm anzunähern.
Im spartanisch eingerichteten Wohntrakt gab es eine gemeinsame Küche – Dusche und Toilette waren, wie überall, nach Geschlecht getrennt. Claudia wusste um Marlos Gewohnheit, sich vor dem Zubettgehen in der Küche einen Tee zu brauen. Jeweils um 22:30 Uhr war für ihn „bedtime“ - und daran hielt er sich in fast schon britischer Präzision. Claudia wusste nicht, ob sie bei Marlo ein leichtes Spiel hatte, wenn sie etwa in Unterwäsche in der Küche auftauchte, während Marlo am Teekessel hantierte. Man wohnte ja eigentlich zusammen, als eine Art WG, wenngleich wesentlich anonymer. Es gab aber diese Gemeinschaftsräume – die Küche war einer davon.
Claudia stand in ihrem kleinen Zimmer vor den Wandspiegel und betrachtete sich nachdenklich. Sie gefiel sich im Grunde genommen gut. Sie hätte sich etwas kleinere Brüste gewünscht, klar, denn ihr wogender Busen störte beim Sport. Ansonsten fand sie sich aber kess. Ihre Kurzhaarfrisur stand ihr gut ins Gesicht, und auch ihr Po gefiel ihr im Profil. Sie zog die neue blaue Sloggi-Unterwäsche an, schlüpfte in die rosa Crocs und verliess mit Herzklopfen ihr Zimmer. „Femme aux hommes.“ Das brauchte etwas Mut. Claudias Herz klopfte noch stärker, als sie feststelle, dass Marlo tatsächlich in der Küche hantierte. Sie trat ein, nickte ihm zu und öffnete den Gemeinschaftskühlschrank. Er war in Fächer unterteilt, und zu den einzelnen Schubladen hatten die Bewohnerinnen und Bewohner einen Schlüssel. Claudias Fach war zuunterst. Sie musste sich bücken, um an ihr Himbeerfrappé zu gelangen, das sie so liebte. Sie spürte Marlos Blicke auf ihrem Hintern. Wollte sie das, was sie da tat, wirklich? Wollte sie Marlo geil machen? War das wirklich ihr Ziel? Sie verharrte ein wenig länger als unbedingt notwendig in dieser Position, entnahm dem Fach den Shake, schüttelte ihn und setzte sich an den Tisch zu Marlo. Es war doch das Natürlichste der Welt, dass Frau ab und an in Unterwäsche die Küche betrat – oder etwa nicht?
Marlo sippte an seinem viel zu heissen Tee und fixierte Claudias BH. Ihre Nippel stiessen den dünnen Stoff trotzig von sich weg, und Marlo labte sich an Claudias Megatitten. „Ein Mann wie alle“, schoss es durch Claudias Kopf, aber sie wollte ja eine „femme aux hommes“ sein. Somit beschloss sie, Marlo zu verführen. Noch in dieser Nacht. Ohne Umschweife. Sie wollte gevögelt werden und war bereit. Sie begann ein unverbindliches Gespräch über die Wohnsituation in diesem Trakt, beklagte sich, dass die Toilettenspüle seit Tagen nicht richtig funktionierte. Marlos Augen sogen sich wie die Saugnäpfe von Tintenfisch-Tentakeln an ihrem Busen fest. Der Mann war reif. Überreif. Klar, der Arme schlug sich seit Monaten das Römische Recht um die Ohren, und es würde ihm gut tun, den weichen Bauch und die zarte Muschi einer willigen Frau zu verwöhnen. Claudia streichelte ihre linke Brust. Marlo lächelte verträumt.
„Du kannst Deinen Tee bei mir trinken“, bot sie ihm an. Marlo zögerte eine Weile. „Ich muss morgen früh aus den Federn“, erklärte er. Claudia aber stand auf und liess ihm keinen Raum zur Verweigerung. Sie wandte sich zum Gehen und wusste, dass Marlo sich für ihren Arsch interessierte. Klar. Er war doch ein Mann. Sie wollte eine „femme aux hommes“ sein. Noch heute Abend.
In ihrem Zimmer gab es nur eine Sitzgelegenheit – am Schreibtisch. „Setz Dich doch zu mir aufs Bett“, bot sie dem Jus-Studenten an. „Ich zieh nur noch mein Nachthemd an. Im kleinen Raum gab es für sie keine Rückzugsmöglichkeit. Sie wandte sich von Marlo ab, so, dass er nur ihr Profil sehen konnte, streifte ihre Unterwäsche ab und zog sich ihr lindgrünes Nachthemd über den Kopf, das ihre Mutter ihr zum Geburtstag geschenkt hatte.
„Du bist eine schöne Frau“, quittierte Marlo. „Meinst Du?“ Dann ergab eine Handlung die andere. Claudia sass aufs Bett, und zwar so, dass ihre Schenkel diejenigen von Marlo berührten. Dieser legte seine rechte Hand auf ihr Knie, streifte ihr Nachthemd etwas zurück. Sie redeten erneut über Belanglosigkeiten – etwa darüber, dass die Wände hier allergisch waren auf Bildernägel, und schon kraulte der Jus-Student Claudias Muschi. Sie war froh, hatte sie sich nicht rasiert, denn nackte Schamlippen lassen sich nicht so wonniglich kraulen wie eine Vulva mit süssem Wäldchen. „Du bist ganz warm und feucht da“, konstatierte Marlo. Er öffnete seine Hose und befreite seinen Schwanz von der Enge der Jeans. „Da“, sagte er. Nur ein einfaches, klares „da“. Claudia strich mit einer Handbewegung ihr Haar nach hinten und berührte mit ihren Lippen Marlos geschwollene Eichel.
Sie wollte langsam zur Sache kommen, die selbst ernannte „femme aux hommes“.
Marlo atmete tief durch. Claudias zarte Berührungen trieben ihn in den Wahnsinn. Am Liebsten hätte er sie am Hinterkopf gepackt und seinen Schwanz tief in ihre Kehle gestossen. Aber er beherrschte sich, wollte die Führung Claudia überlassen. Wenn sie bloss geahnt hätte, welch schmutzige Gedanken sich in Marlos Gehirn entwickelten...? Das Liebesspiel nahm seinen Lauf, Alles sehr beiläufig, was die erotische Spannung nur noch steigerte. Claudia schob Marlos Hemd hoch, drückte ihn gegen hinten aufs Bett und schmiegte sich an ihn, schlangengleich, sinnlich, verheissungsvoll. Ihr Haar kitzelte jetzt seinen Bauch. Marlo betastete Claudias Rücken, fuhr mit den Fingern ihrer Wirbelsäule entlang. Am Becken ertastete er zwei niedliche kleine Grübchen. Claudias Hintern fühlte sich kräftig an, klein, rund und geil.
Ihr Verlangen tropfte jetzt aus ihr heraus, und Marlo mochte nicht länger zuwarten. Er fickte sie rhythmisch, im Schein der Strassenlampen, deren Licht matt herein drang, und Claudias leises Stöhnen machte ihn nur noch heiß. Wann hatte sie wohl ihren letzten Lover gehabt? Der Gedanke, dass er bestimmt nicht der Erste war, erregte Marlo über alle Massen.
Doch, er wusste es jetzt ganz genau. Er musste es tun. Mit dieser Frau. Er musste sie seinem Freund vorstellen, der die Bar im Lustbad „Romina und Remo“ leitete.
Claudia war Marlo gut eingefahren. Sehr gut sogar. So gut, dass er einen kurzen Moment lang befürchtete, sich in sie zu verlieben. Das durfte nicht sein, keineswegs. Denn Liebe würde dem, was er mit Claudia vorhatte, im Weg stehen. Er musste seine Besitzansprüche an sie zurückdrängen, bevor es zu spät war. Marlo musste sich ins Off zurückziehen, wenn Claudia, vermutlich nur in Unterwäsche gekleidet, am Tresen im „Romina und Remo“ stand.
Erst mal streichelte er gedankenabwesend Claudias Brüste, während sein noch warmes Sperma aus ihr heraus lief. Bei Claudia verursachte dies ein angenehmes Kribbeln. Welch ein Mann dieser Marlo doch war! Doch auch sie zog sich innerlich zurück. Sie wollte ja eine „femme aux hommes“ sein – eine Frau für mehrere Männer – und sich nicht auf einen kaprizieren, der soeben Gefühle beschert hatte. Dennoch räkelte Claudia sich Marlo entgegen, und ihre mit ihrer Körpersprache deutete sie an, dass sie es mochte, wenn er zärtlich ihren grossen Busen knetete.
Dann hauchte Marlo einen Kuss auf Claudias Lippen. „Ich muss jetzt wirklich los“, sagte er. „Ab in die Federn. Morgen geht’s früh raus. Übrigens – „ sein Herz klopfte bis zum Hals – „Übrigens – ehm – möchte ich Dich einem Freund vorstellen. Hast Du nächsten Samstagabend was vor?“ Claudia hatte nicht. Sie freute sich auf Marlos Begleitung. „Kommst Du mit zu „Romina und Remo?“, fragte er und lächelte. „Du weißt schon…“
Claudias Augen weiteten sich. „Da gibt’s zwar auch ein Thermalbad, wie ich mal gehört habe“, sinnierte sie. „Aber „Romina und Remo“ ist doch vor allem ein Swinger-Club und ein Gang Bang Schuppen?!“
Marlo beruhigte sie. „Wir können da ganz entspannt was trinken“, sagte er leise. Mein Freund leitet die Bar dort. „Was trinken – und dann einfach mal sehen, was sich entwickelt? Na?“
„Femme aux hommes.“ Claudia erinnerte sich einen kurzen Moment an ihren Vorsatz, sich in eine „femme aux hommes“ verwandeln zu wollen. Der kurze Moment war lang genug, dass sie ein deutliches, klares „O.K., Marlo, machen wir. Wo treffen wir uns?“ hervor brachte.
„20:00 Uhr, beim Rothenburger Kreuz?“ Das Rothenburger Kreuz war ein beliebter Treffpunkt. Claudia hatte dort schon mehrere Facebook-Bekanntschaften getroffen – mit mehr oder weniger erfreulichem Ausgang.
„Rothenburger Kreuz“, sagte sie. „Aber ich mache nicht alles mit.“
„Schon gut.“ Marlo lächelte wieder dieses unwiderstehliche Lächeln. Er warf ihr eine Kusshand zu und verliess Claudias Zimmer – nicht ohne einen letzten Blick zwischen ihre Schenkel zu werfen. Claudias Nachthemd war bis zum Nabel hoch gerutscht.
Das Rothenburger Kreuz war nicht nur ein beliebter Treffpunkt, sondern auch ein berüchtigter Ort. Es wimmelte nur so von Taschendieben, die Strassen in unmittelbarer Umgebung waren schlecht beleuchtet, und es begegneten sich hier nicht nur junge, hübsche Menschen, die es gut mit sich und der Welt meinten. Auch Psychopathen trieben sich hier umher, zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter, und sie saugten alles in sich auf, was sich hier punkto Schuhe, Waden, Schenkel, Strumpfhosenhintern und angedeutetem Busen zeigte. Ja, gerade Frauen wurden hier richtiggehend inhaliert. Geilheit waberte in der Luft; das berühmte „erste Treffen“ fand hier statt, es wurde aber auch angemacht, angebaggert, abgeschleppt.
Claudia trug eine neckische rote Mütze und war dezent geschminkt. Sie wusste kunstvoll mit Cajal umzugehen, und das Verlangen in ihren Augen wurde durch den geübten Strich noch verstärkt. Ihr kurzes, offenes Haar umrahmte Claudias Gesicht; sie wirkte verführerisch wie eine junge Französin, die das erste Mal vor sich hat, an der Seine, am Mont-Martre oder auf dem Père-Lachaise-Friedhof.
Claudia trug ein dunkelgrünes Kleid mit ein paar silbernen Pailletten, was ihr den Touch einer Künstlerin verlieh. Die silbernen Schnallen an den dunkelbraunen Stiefeletten schenkten Claudia Verwegenheit, und verwegen war ja auch das, worauf sie sich in den nächsten Stunden einlassen würde.
„Romina und Remo!“ Ganz wohl war ihr nicht mehr bei der Sache; Claudia war sich noch nicht mal sicher, ob sie es wirklich noch sein wollte: Eine „femme aux hommes.“
Aber es war jetzt zu spät für derartige Überlegungen. Aus dem Dunkel löste sich die Gestalt von Marlo. Er trug ein gut sitzendes Jackett, eine dezente Kravatte und ein senfgelbes Hemd. Die Flanellhose sass perfekt – Marlo sah aus wie einer, der auf jeder Ebene seine Connections hatte. Wenn man ihn so sah, hätte man ihm seine bescheidene Bleibe im Personalhaus nicht zugetraut. Er fasste Claudia an der Hand; dieser blieb fast das Herz stehen. „Nur nicht verlieben“, sagte sie zu sich. Schweigend gingen die beiden nebeneinander her, durch die Köllner Gasse, über den Rabensdorfer Platz und über die kleine Holzbrücke, an deren anderem Ende die Erker von „Romina und Remo“ zu sehen waren.
Claudia kannte sich mit solchen Etablissements nicht aus und vergegenwärtigte sich in diesem Augenblick, dass sie Marlo ausgeliefert war. Dieser verhielt sich galant und stiess für Claudia gentlemanlike die Tür auf. Eine schmale Treppe führte nach oben, und Claudia war ob der Stille überrascht. Sie hatte immer geglaubt, dass einen in solchen Lokalen erst mal Parfumduft in die Nase stechen und dass Lustgeräusche zu vernehmen sein würden. Doch nichts dergleichen bewahrheitete sich. Es roch nach nichts und es war totenstill
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