Feuerbusch

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Feuerbusch

Feuerbusch

Anita Isiris

Jessica wohnte an der Warschauer Strasse. Eigentlich mochte sie Berlin. Auch ihre Wohnung, die weissgetünchten Zimmer, den Blick an den postmodernen und metallgrauen Himmel. Als sie an jenem Morgen sorgfältig ihre Zehennägel lackierte, hätte sie nie daran gedacht, welch gewaltige Veränderung dieser Tag in ihr Leben bringen würde. Neben ihr stand eine Tasse dampfenden Kaffees – das einzig Warme im Moment: Ihre Heizung war mal wieder ausgestiegen. Das „golden green metallic“ stand ihren Füssen gut: Jessica hatte dichtes, rotes Haar (ja, auch da), und Grün war die einzige Farbe, die ihr wirklich stand. Sie liess ihre Nägel trocknen und freute sich über Radio eins, das auf heavy rotation Songs der 2raumwohnung brachte. Jessica fand Inga Humpe einfach Klasse. Etwas später zwängte sie sich in ihre Jeans, schmiss sich in den Winterpulli und band sich ihr Haar straff nach hinten. Im Spiegel gefiel sie sich ganz gut. „Hexchen“ hatte ihr Ex immer zu ihr gesagt. Dann machte sie sich auf den Weg zur S-Bahn-Station.

Hiro stand dort schon längere Zeit – direkt neben dem Früchtestand, der 24 Stunden am Tag auf hatte. Das gab es wohl nur in Berlin: Da verkaufte einer Trauben und Orangen – und zwar jederzeit, auch um 3.00 Uhr Morgens bei Eiseskälte... falls es sich je ergeben sollte, dass jemand zu dieser Zeit Lust auf Früchte hatte. Hiro hatte Lust auf deutsche Frauen. Er mochte sie einfach, obwohl sie meist einen Kopf grösser waren als er. Er mochte ihre Stimmen, ihr Haar, ihren Duft... und ihre Seele. Hiro war ein mexikanischer Teufel. Arbeitslos zu sein in Berlin war kein einfaches Schicksal – rastlos streifte er herum, lernte Potsdam kennen, hatte Freunde am Halleschen Tor und liebte vor allem eins: Die S-Bahn. Da waren sie nämlich, die Frauen. Mit übereinander geschlagenen Beinen sassen sie ihm gegenüber und schauten ahnungslos aus dem Fenster, während Hiro kenntnisreich ihre Augenbrauen betrachtete und aus deren Farbe auf die Farbe des Schamhaars schloss. Dann regte sich sein riesiges Glied, das wohl kaum so recht zu seinen 1.65 m Körpergrösse passen wollte.

An jenem Freitagmorgen ging Jessica an ihm vorbei. Sie wirkte derart kühl und unbeteiligt, dass sie in ihm sogleich unsägliche Gier auslöste. Er folgte ihr zur Bahnstation und trat seitlich hinter sie. Wie eine Spinne fixierte er sein Opfer. Sie würde es sein, ja, sie würde mit ihm in seine kleine Wohnung kommen müssen. Die Bahn war halb leer. Würde er sich ihr gegenüber setzen können ohne aufzufallen? Viel Zeit hatte er nicht. Seine Wohnung lag in der Nähe des Gleisdreiecks, einer absolut farblosen Gegend, die wohl nur durch den in der Nähe liegenden Potsdamer Platz etwas aufgewertet wurde. Es gab da eine neue Bahnstation – er stieg aber gewohnheitsmässig noch immer am Gleisdreieck* aus. „Ich darf mich vorstellen? Hiro.“ Jessica betrachtete ihn etwas befremdet, wie er da sass, ihr gegenüber, trotz der vielen freien Plätze um sie herum. Sein Kopf schien ihr übergross, die Nase war etwas schräg, und er trug sein langes blauschwarzes Haar straff gegen hinten gekämmt. So wie sie. „Ich Schmuck verkaufe“, sagte er, „smaragdgrünen Schmuck für Dich.“ Dabei fixierte er sie aus tiefbraunen Augen. Irgendwie wirkte er treuherzig und überhaupt nicht bedrohlich. Das Tier versteckte sich weiter drinnen. „Ehm – na ja – eigentlich wollte ich einkaufen gehen“, entgegnete Jessica. „Ganz in der Nähe ich habe mein Geschäft. Ich Dir möchte Schmuck zeigen – bitte!“

Inständig bettelte er und kam Jessica vor wie ein kleiner Junge. Eigentlich hatte sie ja nichts vor. Sie war Regisseurin und führte somit ein Leben, das nicht an feste Arbeitszeiten gebunden war. Irgendetwas an diesem Mann faszinierte sie – und das wahre Leben bestand doch genau aus solchen Momenten – oder? „O.k.“, lächelte sie, „Ich komme mit, aber nur kurz, ja?“ Diese deutschen Frauen! Immer mussten sie eine Grenze setzen. „...aber nur kurz, ja...“ Hiro hatte aber sein Ziel erreicht, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Diese wunderschöne rothaarige junge Frau würde ihm in seine Wohnung folgen.

Am Gleisdreieck stiegen die beiden aus* und Hiro erzählte Jessica von seiner Heimat. Diese Stories hatte er schon oft heruntergeleiert, und sie dienten nur einem Zweck. Vertrauen aufzubauen und einen Draht zu bekommen zu Frauen, wie er sie in seinem Heimatland nicht kannte. Die Mexikanerinnen hatten schon etwas für sich, bestimmt. Sie kamen meist aus Bauernfamilien, hatten einen kräftigen Körpergeruch und liessen sich eigentlich nur auf Sex ein mit einem Gedanken: Kinder, Kinder, Kinder. Die Frauen hier waren anders. Hiro sah sie ja in der Sauna, in der Disco und in der S-Bahn mit übereinandergeschlagenen Beinen. Diese Frauen waren Prinzessinnen – Eisprinzessinnen. Das machte ihn rasend. Noch nie hatte er eine von ihnen in seiner Wohnung gehabt – und jetzt: Jessica. Sie näherten sich einem mausgrauen 60er/70er-Jahr-Gebäude, das die Architektur eines Kreuzfahrtenschiffs hatte auf jeden Fall völlig anachronistisch wirkte mit den stolzen Türmen von Daimler-Benz und Sony im Hintergrund. Die vielen Fenster waren oft mit bunten Tüchern verhängt, und der Park rundherum war voll mit Hundescheisse. Mit einemmal war Jessica schon etwas mulmig zumute. Zwischen gesprayten RAF-Emblemen mit Kalaschnikows gab’s da Silouhetten von Frauenkörpern in eindeutigen Posen, kryptische Schriftzeichen und Morbides an Wänden, Fensterscheiben und Lifttüren. Der Lift kam lange nicht, und Jessica wich zurück vor einem jungen Bullterrier, der sie anknurrte.

Dann betraten sie Hiros Wohnung. Es handelte sich nurmehr um ein Zimmer, und der einzige abgeschlossene Raum war die Toilette. Selbst diese Tür aber hatte Löcher. „Du Dich setzen“, bot Hiro an, „Ich mache Tee.“ Er wusste genau: er musste sie einlullen mit Freundlichkeit, Tee, einem Biskuit, einer weiteren Erzählung aus seinem Leben... aber es würde sich lohnen. Ganz bestimmt. Jessica machte es sich zwischen den farbigen Tüchern bequem, so gut es ging. Vielleicht war sie verrückt. Eigentlich hatte sie ja am Marlene-Dietrich-Platz einkaufen und sich einnehmen lassen wollen von der gigantischen Shopping Mall, die da am Potsdamer Platz aus dem Nichts gestampft worden war – statt dessen sass sie in der Slumwohnung eines Sozialhilfeempfänges. Vielleicht gab ihr aber gerade dieses Erlebnis das Lokalkolorit für ihr nächstes Stück, das in Kuba und Guatemala spielte? Galant servierte Hiro ihr den Tee in einer billigen Plastiktasse und setzte sich im Schneidersitz ihr gegenüber. „Und der... Schmuck?“ fragte sie neugierig. Hiro schlug eines der bunten Tücher am Boden zur Seite – und tatsächlich: Da lagen Turmaline, Smaragdketten und Ringe in allen Farben und Formen. Diebesgut? „Ich darf Dich beraten?“ gab er sich professionell. Jessica fand das erheiternd. „Ja klar, nur zu!“ „Dann... ich muss etwas mehr sehen von Deiner hellen Haut – sonst es wird schwierig.“ Hiro war sehr ernst. „Hier, schau, mein Handgelenk! Das reicht doch“ entgegnete Jessica. „Nein, gar nicht. Ich muss sehen Deinen Ausschnitt.“ Jessicas Winterpulli hatte einen Rollkragen. „Na also, wenn Du meinst...“ sagte sie nach kurzem Zögern und entledigte sich des Pullovers. Die Wohnung war eh überheizt. Jetzt schluckte Hiro leer und seine mexikanischen Hormone begannen zu kochen. Das war doch der reine Wahnsinn. Da sass diese Frau, die er eine Stunde zuvor noch gar nicht gekannt hatte, in einem schwarzen Unterhemd in seiner Wohnung und liess sich von ihm „beraten“. Hiro ging gleich zur Sache, griff sich eine grüne Perlenkette und legte sie an Jessicas Hals. „Du zitterst ja“, stellte sie fest, „ist was?“. Dann entdeckte sie die Ausbuchtung in Hiros Jeans, die natürlich im Moment viel zu eng war für seine einäugige Schlange. „Komm, ich ahne Dein Leiden.“ Jessica kannte sich selbst nicht mehr, als sie den Reissverschluss von Hiros Hose öffnete. Sein riesiger Penis schnellte ihr entgegen, glücklich über die Befreiung. Hiro selbst war etwas weniger glücklich. Er hatte sich das anders vorgestellt, hatte Jessica überwältigen wollen. An ihrem Widerstand hätte er sich erregen wollen. Nun kam alles anders. Die Frau war viel direkter als er es erwartet hatte und näherte sich mit ihrem Mund seiner geschwollenen Eichel. Geschickt umspielte sie mit der Zunge seinen Penisschaft und jagte so einen Stromstoss nach dem andern durch seinen Körper. Er hatte sie mit Drogen fertig machen wollen. Sie lächelte ihn an. Er hatte sie an sein Bett fesseln wollen. Jetzt fesselte sie ihn mit ihren Lippen, was ihn fast durchdrehen liess. Er hatte geplant, sie eine Nacht lang mit einer brennenden Kerze zu quälen. Jetzt brannte er selber. Jessica hörte nicht auf, an ihm zu saugen, und er sah aus seiner Perspektive nur ihre roten Locken, die sanfte Wölbung ihrer Stirn, die wohlgeformte Nase und ihre Lippen, die sich um sein steifes Glied schlossen. Beinahe hätte er gespritzt, aber nur beinahe. Jessica liess rechtzeitig von ihm ab. Er bebte, als sie lächelnd ihr schwarzes Hemd auszog und ihm einen Blick auf ihre hellrosa Brustwarzen gönnte. Hellrosa! So etwas gab es doch sonst nur in Pornoheften oder Close-Ups aus dem Internet (www.abbywinters.com). Jessicas kleine Brüste wirkten wie Juwelen und stellten Hiros unechten Schmuck völlig in den Schatten. Sie stand auf und nestelte an ihren Jeans. Hiro blickte gebannt auf ihren gepiercten Bauchnabel. Kurz darauf bekam er mehr zu sehen: Jessicas sorgfältig gepflegtes, dichtes rotes Schamhaar liess ihn alles vergessen, was er bisher kannte oder zu kennen glaubte. „Tacos“, stammelte er nur, „Tacos“. (Der Begriff kursiert unter Mexikanern nicht nur als kulinarisches Extra. „Tacos“ bedeutet genauso „Schamlippen“ oder „Fotze“.) Da explodierte Hiro. Er griff in Jessicas Feuerbusch. Sie schrie auf vor Schmerz und Lust. Die beiden verkeilten sich ineinander. Irisches Feuer (Jessicas Vater war Ire) und mexikanische Glut vereinten sich – Jessica fühlte sich, als würden innere Dämme brechen. Sie krallte ihre Fingernägel in Hiros Rücken; er vergrub sein Gesicht in ihrer Muschi. Wie seltsam sie duftete! Er hatte sich erzählen lassen, dass rothaarige Frauen einen etwas eigenwilligen, aber sehr angenehmen Körpergeruch hätten. Er konnte davon nicht genug bekommen, küsste ihren Bauch, leckte ihre Achselhölen, als wären sie aus Vanilleeis. Da war nur Milde und Schönheit, nicht das Animalische der Mexikanerinnen. Genau das machte ihn rasend: Jessicas intellektueller Touch, ihre Coolness am Anfang, der süsslich-herbe Körpergeruch der rothaarigen Schönheit. Erneut lächelte sie ihn an, legte sich mitten auf seine Stofftücher (wie eindrücklich ihr Haar mit den mexikanischen Farben kontrastierte!) und zog die Beine an. Jetzt hatte er freien Blick auf Jessicas „Tacos“. Er legte seine grossen Hände auf ihre Knie und schob ihre Schenkel auseinander. War sein Penis etwa zu gross für diese Frau? Sie stöhnte auf, als er ihn hineinzwängte. Sie fühlte sich wieder als kleines Mädchen, das mit Freude jeden Mittwoch die Malschule besucht hatte. Alles, alles, alles war Farbe. Hiro gab alles. Er fühlte sich als Beherrscher, Hüne, Eroberer, Jäger.
Noch Stunden später fühlte Jessica ein leichtes Ziehen im Unterleib, so intensiv war der Verkehr mit Hiro gewesen. Ihre Hand umschloss einen kleinen, grünen Smaragd, den er ihr zum Abschied geschenkt hatte.

*Es ist noch nie eine S-Bahn von der Warschauer Strasse direkt zum Gleisdreieck gefahren.
Diese Erzählung ist also Fiktion.
Anmerkung der Autorin

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