Fiasko in Verona

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Fiasko in Verona

Fiasko in Verona

Susi M. Paul

»Zuerst die Doppelzimmer!«, verschaffte sich die leicht hysterische Stimme der Reiseleiterin Platz im Gewusel und Gesumme der Hotelhalle. Brav formierte sich, wenn auch nicht ohne Konflikte, eine Schlange von gelangweilten Ehemännern mit ihren erwartungsfrohen Ehefrauen, von Müttern und Töchtern, von ältlichen Damen, dazu von vier schnatternden Teenies, die allesamt paarweise ungeduldig der Schlüsselübergabe entgegenkrochen.
Entlastet von den Anstrengungen der Alpenüberquerung und der Panik, bei der Verteilung der bequemsten Betten mit dem schönsten Ausblick auf die Etsch zu kurz zu kommen, rauchten draußen vor der Tür zwei Frauen mittleren Alters zusammen mit dem Busfahrer eine Vergeschwisterungszigarette. Da die abgeschabten Sessel im Foyer ausnahmslos von Koffern, Taschen und Jacken in Beschlag genommen waren, hatten sich ihnen auch die übrigen, dem Nikotin nicht oder nicht mehr frönenden Alleinreisenden zugesellt: drei weitere Frauen im so dehnbaren Bereich des mittleren Alters sowie ein Mann in den frühen Vierzigern.
»Aida scheint vorzugsweise beim weiblichen Geschlecht ihre Wirkung zu entfalten«, wagte dieser, seine elegant herausgeputzte Sitznachbarin anzusprechen, die nach dem Gruß bei der Abfahrt in München das Wort nicht mehr an ihn gerichtet hatte, sondern sich hinter einem Buch zuerst, und ab dem Brenner bis zur Ankunft in Verona hinter einer Schlafbrille verschanzt hatte. Sie würdigte ihn nicht einmal eines Blickes. Schorsch, der Busfahrer, der praktisch von den Pendeltouren zur Arena lebte, nahm hingegen den Hinweis dankend auf und bekräftigte diese Vermutung heftig nickend.
Die jüngere der beiden Rauchenden, aus der Sicht des Mannes die eindeutig attraktivste von allen, sie hatte die Schmerzgrenze der Vierzig wohl, wie er selbst, soeben erst überwunden, setzte sogleich zu einem Loblied auf Verdi, die Atmosphäre der Aufführung und, natürlich, nicht zu vergessen, auf den kurzen Abstecher nach Venedig an, der ja der eigentliche Grund ihrer Buchung gewesen sei, da sie, man sollte es kaum glauben, es in ihrem ganzen Leben noch nicht geschafft hatte, die Lagunenstadt zu besuchen. »Zuerst aus Mangel an Geld, dann aus Mangel an einem ausreichend romantisch gestimmten Partner.« Doch nun sei es an der Zeit, unerfüllte Jugendträume zu erfüllen. Lieber spät als nie.
Als die übrigen Wartenden das damit eröffnete Themenspektrum in etwa zur Hälfte ausdiskutiert und die Raucher zwei weitere Kippen in den sonnigen Himmel geblasen hatten, präsentierte sich der Gruppe eine etwas besorgt dreinblickende Reiseleiterin. Überbringer schlechter Nachrichten pflegen ja eigentlich die ganze Wucht der Empörung tragen zu müssen, und darauf hatte sie sich innerlich schon eingerichtet. Doch es kam erstaunlicherweise zu keinen signifikanten Wutausbrüchen. Statt der bestellten acht Einzelzimmer für die verbliebenen sechs Reisenden und die beiden Mitarbeiter des Veranstalters stünde nur ein einziges zur Verfügung, verkündete sie, sowie drei Doppelapartments, insgesamt sieben Betten. Sie hätten schon überall nachgefragt, in allen Hotels in zwanzig Kilometer Umkreis, selbst in den höherpreisigen. Es sei nichts zu machen, zumindest nicht für diese Nacht. Hochsaison. Vielleicht am nächsten Tag.
»Ich nehme das Einzelzimmer«, sprach die spröde Schöne, stolzierte köfferchenrollend hinein und nahm sich auf diese Weise aus dem zu erwartenden Verteilungskampf.
»Koa Problem, i schlof im Bus«, knurrte Schorsch, wodurch die Anzahl der Betten mit der Anzahl der Schlafbedürftigen gleichzog. Blieb allein das Geschlechterungleichgewicht der übrigen sechs.
»Ich könnte natürlich im Bus…«, hob die Reiseleiterin an, wurde aber sofort von dem Mann, der seinen Namen noch nicht genannt hatte, unterbrochen. »Das kommt gar nicht infrage. Selbstverständlich tue ich dies.«
»Werd oba unbequem«, warf der Fahrer ein. »Mir hom im Bus koa Koje. Und af der Rückbank werds eng füa zwoa.«
»Das müssen Sie doch nicht auf sich nehmen«, wandte sich daraufhin die gerade Vierzigjährige freundlich an den opferbereiten Kavalier. »Es findet sich bestimmt noch eine Lösung. Zur Not können wir doch zusammen… Es wird doch sicherlich ein Zimmer mit getrennten Betten geben? Na also«, fuhr sie weiter, nachdem die Reiseleiterin dies bejaht hatte, auf diese Weise könne man das schon irgendwie regeln. Sie seien doch erwachsene Menschen, und für eine Nacht, mein Gott, da hätten doch wohl alle schon ganz Anderes erlebt, »oder?«
Da ihr das allgemeine Gemurmel vorbehaltlos Zustimmung signalisierte, war die Angelegenheit erledigt, und es mussten lediglich die zwei übrigen Zimmer belegt werden, was dank der Aussicht auf eine spürbare Reduktion des ursprünglich recht saftigen Reisepreises auch schnell gelang.
Die wechselseitige Vorstellung des gemischten Pärchens erfolgte praktischerweise gleich bei den Anmeldeformalitäten. »Peter Schmitt.« – »Angenehm, Monika Schierling.« Im Aufzug dann fiel ihm das nachdenklich-grübelnde Gesicht seiner Zimmergenossin auf und er thematisierte dies auch. »Ich weiß nicht«, gab sie ihm zögernd zur Antwort, »aber ich habe das Gefühl, dass ich Sie von irgendwoher kenne.«
Es war dies keineswegs eine rhetorische Finte von ihr, um Näheres über sein Leben in Erfahrung zu bringen und von ihrem eigenen etwas preisgeben zu können, was natürlich in der Folge im Aufzug, auf dem Weg zum Zimmer und während der Einigung darüber, wer welches Bett nehmen sollte, auch geschah; nein, sie war sich unwillkürlich sicher, Peter bereits einmal in einer für sie wichtigen Phase ihrer Vergangenheit gesehen zu haben. Sie ließ nicht locker, doch München, wo beide die letzten gut zwanzig Jahre verbracht hatten, ist groß, und beim Durchgang durch ihre Lebensstationen, vom Studium über Praktika, Arbeitsplätze, Freizeitaktivitäten bis hin zu den Freundeskreisen, fanden sie in der nächsten halben Stunde keine entsprechende Schnittmenge.
Unbefriedigt und weiterhin nachdenklich entschuldigte sich Monika schließlich, sie müsse schnell das Bad aufsuchen. Zu Beginn achtete Peter gar nicht auf die Geräusche, die kurz darauf zu ihm drangen, so selbstverständlich erschienen sie ihm: das Anspringen des Ventilators, als sie das Licht anschaltete, das Öffnen des Wasserhahns, das Zerreißen von Plastik, mutmaßlich der Folie, in die Zahnputzgläser eingeschweißt zu werden pflegen, das Zurückstellen des Glases auf die ebenfalls gläserne Ablage. Doch als er das leise Rascheln von Kleidung zu hören meinte, dazu sich einbildete wahrzunehmen, wie ein Reißverschluss geöffnet wurde, da wurde ihm bewusst, dass die Trennwand zur Nasszelle aus extrem dünnem Material hochgezogen worden sein musste. Gleich darauf brauchte er seine Ohren nicht sonderlich anzustrengen, um den charakteristischen Klang des Urinierens akustisch so verfolgen zu können, als ob er neben der Frau stünde, die ihn bei sich aufgenommen hatte.
Die Reaktion seines eigenen, zum Wasserlassen bestimmten Ausscheidungsorgans erfolgte ohne sein Zutun so unvorhergesehen, dass er darüber fast erschrak, zumal ihm bewusst wurde, dass sie in wenigen Sekunden wieder zurückkommen würde. Unangenehm war ihm dieses ungebetene Zeichen seines Fortpflanzungsapparats hinwiederum nicht, hatte er doch Monika in der kurzen Zeit, die sie sich kannten, als nicht nur gutaussehend, sondern auch als sympathisch, klug und redegewandt erlebt, wodurch sie, wie er sich eingestand, ziemlich genau dem entsprach, was er sich von einer Frau erwünschte und ersehnte.
Er hatte, um sich und seinen eigenmächtig agierenden engsten Freund abzulenken, gerade den Koffer auf sein Bett gewuchtet, mit der Absicht, den Opernanzug herauszuholen und auf einen Bügel zu hängen, da öffnete Monika die Badtür und schaltete das Licht aus. Von dem nun dunklen Gang aus schaute sie direkt auf Peter, der, vor dem Fenster stehend, sich nach vorne über den Koffer beugte. Als erstes fiel ihr ein seltsam süßer Geruch auf, der den Raum erfüllte und in ihr ein unbestimmtes Gefühl von Verlangen auslöste. Dann erst gelang es ihr, sein im Gegenlicht sich scharf abzeichnendes Profil einer bestimmten Erinnerung zuzuordnen.
»Natürlich!«, rief sie aus. »Die Einweihungsfeier der WG von Rosi!« Seine verständnislose Reaktion zeigte ihr, dass sie weiter ausholen musste: »Frühling 1995. Haidhausen. Rosi, Stefan und Jörg.«
Langsam gruppierten sich auch bei Peter ganz unterschiedliche Erinnerungsfetzen zu einem noch unvollständigen Gesamtbild: »Auf einer WG-Fete von Jörg war ich mal, stimmt. Ein Riesenfest. Aber an dich kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.«
Automatisch war er in den Du-Modus übergewechselt, nachdem sie zuvor selbstverständlich die Sie-Distanz gewahrt hatten. Monika tat es ihm gleich: »Kein Wunder, da waren bestimmt vierzig Leute. Ich war den ganzen Abend in Rosis Zimmer, und du bestimmt bei Jörg. Ich hätte dich sicher auch nicht wiedererkannt, wenn das in der Nacht nicht passiert wäre.«
»In der Nacht…?«, grübelte Peter, versuchte, zwanzig Jahre zurückzudenken, verband sorgsam die verblassten Puzzleteile mit dem Gesicht einer Frau und begann schließlich zu erröten. Monika nahm ihm die Mühe ab, die ihn in Verlegenheit bringenden Fragmente aus der Vergangenheit aus eigener Kraft vollständig zusammenzusetzen.
»So um Mitternacht sind ein paar Joints rumgereicht worden. Der erste und letzte Zug meines Lebens, denn der hat mich innerhalb kürzester Zeit außer Gefecht gesetzt. Ich habs nur noch geschafft, meinen Schlafsack zu greifen und mich irgendwo in einem der Zimmer zu verkriechen. Ein paar Stunden später bin ich aufgewacht. Überall sind Leute rumgelegen. Alles war ruhig, bis auf die zwei Gestalten auf der anderen Seite, vor der Balkontür, wo das Licht der Stadt reingeschienen hat, die haben gewispert und sich bewegt. Dann hat sich eine davon hochgerappelt, hat sich hingekniet und sich über die andere gebeugt. Und das warst du. Ich hab nur das Profil gesehen, wie vorher, als ich aus dem Bad gekommen bin. Drum hab ich dich auch erkannt, und weil ich das, was du dann gemacht hast, bestimmt mein Leben lang nicht vergessen werde.«
»Du hast das mitgekriegt?«, flüsterte Peter verschämt, wobei er sich gleichzeitig irritiert umblickte, um die Quelle für den undefinierbar gelblichen Geruch ausfindig zu machen, der auf ihn eindrang.
»In allen Einzelheiten. Und was ich nicht gesehen hab, hab ich gehört oder mir dazugedacht. Wie du ihr die Hose runtergezogen hast. Wie sie die Beine über deine Schultern gelegt hat und du ihr Becken angehoben hast. Wie du angefangen hast zu lecken. Wie sie verzweifelt versucht hat, ihr Stöhnen zu unterdrücken, und dabei ihr Kreuz durchgedrückt hat. Wie dein Lecken in Schmatzen übergegangen ist. Wie sie sich aufgebäumt hat, ihr der Orgasmus gekommen ist und sie sich in die Hand gebissen hat, um nicht aufzuschreien bei jedem Ruck, der ihr durch den Körper gefahren ist. Wie du dann nach einer Weile... Na ja, was soll ich dir erzählen, du weißt es ja selbst, was du gemacht hast, bis es dir gekommen ist.«
»Au, Scheiße, dass uns dabei jemand zuschaut, das hätten wir nicht gedacht. Warum hast du denn nichts gesagt?«
»Weil ich am Anfang noch so fertig war von dem Joint, und dann war ich absolut fasziniert. Zu der Zeit waren meine sexuellen Erfahrungen zahlenmäßig beschränkt, dazu im besten Fall unbefriedigend, ein paarmal sogar schmerzhaft. Zu sehen, wies gehen kann… Sag ehrlich, hättest du die Gratisvorstellung unterbrochen?«
»Wahrscheinlich nicht…«
»Siehst du. Für mich wars die Offenbarung. Ab da hab ich gewusst, was ich die Männer machen lassen muss. Und schon hats geklappt. Zugegeben, nicht mit allzu vielen. Die meisten hab ich rausschmeißen müssen. Mit den andern aber wars gut. Und dafür bin ich dir ewig dankbar, auch wenns ein ganz seltsamer Zufall ist, dass ich es dir mal sagen kann. Übrigens, riechst du das auch?«
»Was? Das komische Aroma? Die ganze Zeit schon.«
»Als ob jemand einen Joint geraucht hätte, und doch anders.«
»Ich hab gemeint, das wärst du, dein Parfüm. Oder rauchst du parfümierte Zigaretten?«
»Nein, bestimmt nicht. Aber egal. Wir müssen gleich los zur Stadtführung. Würdest du wohl mal eben ins Bad verschwinden, damit ich mich umziehen kann?«
»Aber gern!«, erwiderte Peter und suchte sich ein frisches Hemd aus dem Koffer. Er war nachgerade froh über die ihm dadurch eingeräumte Zeitspanne, die er dringend benötigte, um seine nur schwer zu steuernden und sich verhärtenden Reaktionen auf die gerade gegenwärtige Monika in Einheit mit dem erinnerten, damals ungeheuer befriedigenden Geschlechtsverkehr von vor zwanzig Jahren einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen.
Das gemeinsame Abendessen der Reisegruppe nach der Besichtigungstour verlief ebenso harmonisch wie der Kneipenbummel, zu dem sich diejenigen, die ein Einzelzimmer gebucht hatten, zusammenfanden. Es fehlte, neben dem Busfahrer und der Reiseleiterin, nur Peters spröd-schöne Sitznachbarin aus dem Bus, die Migräne vorgab. Mitternacht war längst vorüber, als die fünf wieder im Hotel anlangten. Mit einem scherzhaft nachgerufenen: »Machtses guad, oba ned so oft« im Nacken strebten Peter und Monika ihrem Zimmer zu.
Sie überließ ihm den Vortritt im Bad, »Frauen brauchen ja doch immer etwas länger«, und als sie, er lag längst im Bett, schließlich herauskam, hatte sie das halblange, seidene Trägershirt an, das sie den Abend über getragen hatte, und darunter einen Tangaslip. Sie sah sich genötigt, auf seinen fragenden Blick hin eine Erklärung abzugeben: »Normalerweise schlaf ich mit so wenig wie nötig auf der Haut. Und weil ich für Verona mit südlicher Wärme gerechnet hab, hab ich gleich gar keinen Schlafanzug eingepackt.«
Gnädig und, um der Wahrheit die Ehre zu geben, mit einem leichten Anflug von Hoffnung, dass sie diese ihre Gewohnheit trotz seiner Anwesenheit pflegen würde, erwiderte er: »Tu dir nur keinen Zwang an. Du willst doch bestimmt nicht, dass das Hemd zerknittert?« Erleichtert nahm sie das Angebot an und zog das Shirt über ihren Kopf, allerdings erst, nachdem sie das Licht ausgeknipst hatte, so dass Peter ihren nackten Busen im Halbdunkel der sternenklaren Nacht mehr erahnen denn bewundern konnte.
Bald danach fiel er in einen unruhigen Schlaf, aus dem er noch vor dem Morgengrauen mit der unzweideutigen Gewissheit erwachte, dass sein Körper sich der erregenden Anspannung des vorangegangenen Tages auf die ihm gemäße Art und Weise entledigt hatte. Leise schlich er ins Bad, um eine notdürftige Säuberung seiner verklebten edlen Teile vorzunehmen, ohne es jedoch zu wagen, durch die Benutzung der Dusche zu so ungehöriger Stunde die Aufmerksamkeit Monikas auf seine Lage zu lenken.
Vergebene Liebesmüh, da diese sein Stöhnen, sein Tasten auf dem Weg zum Badezimmer, das länger andauernde Laufen des Wasserhahns und die erst dann betätigte Klospülung durchaus richtig interpretiert hatte, bevor sie noch vermeinte zu sehen, wie er verstohlen seine mutmaßlich befleckte Unterhose in den Koffer stopfte. Ein wenig beneidete sie ihn und die Männer im allgemeinen für diese von der Natur gesteuerte Körperfunktion, wagte sie es doch nicht, ihrerseits die aufgestaute Stimulation durch der eigenen Hände Arbeit abzubauen. Den Grund hierfür gestand sie sich ohne Weiteres ein. Sie schämte sich, dabei gehört zu werden.
Deshalb war sie nicht wenig erfreut, als gegen sieben Uhr Peter, der sie noch schlafend wähnte, den in der Nacht verschobenen Gang zur Dusche antrat. Kaum hatte er die Tür geschlossen, flog ihr Höschen unter der Decke hervor, unbedachterweise auf den Boden. Während sein Rasierapparat lief, wärmte sie sich auf. Und als die ersten Tropfen auf ihn einprasselten, stellte sie sich vor, wie sie, breitbeinig über ihm im warmen Wasserschauer stehend, die Liebkosungen seiner Zunge auf ihrer sinnlichen Schamknospe empfinge. Dies sowie ihre geübten Zeigefinger genügten ihr völlig, keuchend zum Höhepunkt zu gelangen, bevor seine Reinigungszeremonie abgeschlossen war.
Nur wunderte er sich, als er gleich darauf, für sie viel zu schnell, noch reichlich nass, mit einem um die Hüften gebundenen Handtuch ins Zimmer trat, dass sie recht kurzatmig und vor allem sliplos aus dem Bett Richtung Bad schlüpfte, wobei sie ihm ihre an dieser besonderen Stelle dunkelblonde, keineswegs üppige Behaarung nicht vorenthielt und quasi im Vorübergehen einen Winzling von Schlüpfer vom Boden aufklaubte, der zuvor definitiv noch nicht dort gelegen hatte.
Das honigzähe Aroma, das ihm entgegenschlug, interpretierte er schuldbewusst als Ausdünstung seiner frühmorgens zusammengeknüllten Unterhose, was sich jedoch als falsch erwies, da es weder durch das Öffnen der Fenster noch dadurch zu vertreiben war, dass er die Zeugin seiner nächtlichen Erleichterung sorgfältig in das Hemd vom Vortag einwickelte und in den Tiefen des Koffers verstaute. Ja es nahm sogar an Intensität zu, als Monika sich wenig später ankleidete und ihn dabei die noch fast perfekten Rundungen ihrer Rückseite bestaunen ließ.
Den ganzen Tag über wichen sie einander nicht von der Seite. Nicht bei der zeitlich doch überaus begrenzten Stippvisite in Venedig. Nicht beim Umziehen vor der Aufführung, in dessen Verlauf sie ihm einen Blick auf ihre Brüste gewährte. Nicht in der Arena, wo sie gerne seine einst in einem Flugzeug entwendete Reisedecke annahm. Und auch nicht beim anschließenden Bummel durch die Stadt. Da sie sich jedoch beständig in Begleitung ihres neuen Freundeskreises befanden, kam ihnen dabei kein Wort über die Lippen, das in irgendeiner Weise mit der lange zurückliegenden Feier in München zu tun gehabt hätte, und noch viel weniger erwähnten sie voreinander und vor den anderen die Ereignisse der Nacht. Allein ihre Augen sprachen Bände.
Nur einmal, in der Schlange vor San Marco, als Ihnen die Reiseleiterin nach einem intensiv auf Italienisch geführten Telefonat anbot, einer von ihnen könnte diese Nacht in ein anderes Hotel umziehen, gaben sie beide etwas preis von den geheimsten Hoffnungen, die sie seit der Zimmerverteilung nährten. Zu Monikas aufrichtigen Freude senkte sich ein Schatten der Enttäuschung auf Peters Gesicht, während ihnen die gute Nachricht verkündet wurde, so dass sie wohlgemut die Initiative ergriff und der erstaunten Frau erwiderte: »Nehmen ruhig Sie das Zimmer. Sie kennen sich in Verona besser aus. Ich fürchte, ich würde mich verlaufen.« Und er schloss sich ohne weitere Ausschmückungen ihrer so offensichtlich dünnen Ausrede an. Mit der Konsequenz, dass die Verantwortliche für die Reise ausnahmsweise einmal in den Genuss eines Fünf-Sterne-Hotels kam.
Ab diesem Moment erschien es Monika so, als ob all ihre mit Romantik in Verbindung stehenden Vorstellungen von Venedig zu einer unfassbaren Wirklichkeit verschmolzen wären. Wie auf rosaroten Wolken schwebte sie durch die Gassen und über die Brücken. Sie brauchte Peter gar nicht zu berühren, nur ihn in ihrer Nähe zu wissen, um ein beständiges, unendlich angenehmes Prickeln auf ihrer Haut und in ihrem Inneren zu spüren. Mit einem Wort, sie schmolz den ganzen Tag über dahin, und selbstverständlich auch am Abend, während der großartigen Aufführung, wobei das Dahinschmelzen in erster Line metaphorisch zu verstehen wäre, aber bei ihr durchaus auch reale, spezifisch weiblich-erotische Auswirkungen zeitigte.
Peter hinwiederum legte ein außergewöhnliches Interesse für die unwichtigsten Details an den Tag, die sein Reiseführer über all die herrlichen Gebäude und Kunstwerke aufführte. Sorgsam vermied er es, seinen Blick über ganz bestimmte Körperpartien Monikas streifen zu lassen, und sollte der Zufall es dahin gebracht haben, dass seine Augen für Sekundenbruchteile ihren begehrenswerten Schritt oder auch nur ihre wohlgeformten Busen mit den unübersehbar straffen Warzen fixierten, las er umso angestrengter die kunsthistorischen Ausführungen über die Proportionenlehre der Renaissance und über antike Einflüsse in den Bildprogrammen der Palazzi und Kirchen, die ihn eigentlich wenig interessierten, die er aber gerade deshalb umso effektiver zur Beruhigung seines treuesten Begleiter nutzen konnte, der gegen all seine rationalen Überredungsversuche eine durchwegs aufstrebende Tendenz an den Tag legte.
Schweigend, weil keiner von beiden wusste, was er oder sie hätte sagen sollen, betraten sie gegen halb zwei nachts das vibrierend duftende Zimmer. Mit einem vorsichtigen »Darf ich wieder zuerst?«, begleitet aber von einem überaus verführerischen Lächeln für sie, zog Peter seinen Schlafanzug unter dem Kopfkissen hervor und verschwand im Bad.
Aufmerksam verfolgte Monika die Geräusche, die zu ihr drangen, und versuchte herauszuhören, ob und was sie bedeuten könnten. Letztendlich vergeblich. Wie hätte sie auch ahnen können, dass Peter nach dem gurgelnden Abschluss des Zähneputzens den kalten Wasserhahn nur aus dem Grund noch einmal ausgiebig betätigte, um seine gewaltig angewachsene Männlichkeit so weit zu beruhigen, dass er, um den Druck in seiner Blase abzubauen, sitzend auf der Kloschüssel Platz gefunden hätte. Im Stehen wollte er es in diesem Zustand keinesfalls riskieren. Da aber die gewählte Methode nichts fruchtete, entschied er sich, den bereits übergestreiften Pyjama neuerlich auszuziehen und in die Dusche zu steigen, wo er nicht nur den Schweiß des Tages abwusch, sondern die er auch als Urinal missbrauchte, weshalb er die Toilettenspülung nicht zu betätigen brauchte, was Monika als irritierend empfand, denn sie wartete genau auf dieses Geräusch als Zeichen für seine baldige Rückkehr. Deshalb hatte sie Mühe, rechtzeitig die Bluse wieder über ihre Brüste zu ziehen, die sie streichelnd liebkost hatte, als er, seine Hose und sein Hemd als Schutzschild verwendend, ins Zimmer trat.
Sie hingegen begann, gut hörbar, mit der für Peters Ohren so aufreizenden Entleerung ihrer Blase, betätigte selbstredend die Spülung, putzte sich die Zähne, was er spätestens am Klang des Glases festmachte, und folgte dann seinem Beispiel, zu solch fortgeschrittener Stunde noch die Dusche zu benutzen. Monika ahnte ja nicht, dass seine gründliche Waschung eher unfreiwillig erfolgt war. Sie hingegen hatte den Tag über zunächst noch mit sich über das Ob gerungen, und dann, nachdem sie, wo sonst denn im Caffè Florian, die definitive Entscheidung darüber gefällt hatte, sich ausgemalt, auf welche Weise sie konkret nach dem Betreten des Zimmers vorgehen sollte, um auf ihre ersehnten Kosten zu kommen. Die schnelle Dusche stellte dabei einen unverzichtbaren Schritt auf ihrem vorgeplanten Weg dar, wobei sie insbesondere ihre den ganzen Tag über von einer denkwürdig konstanten Erregung in Anspruch genommene Schamzone die volle Aufmerksamkeit zukommen ließ.
Sehr rasch, um endlich zu ihrem eigentlichen Ziel zu gelangen, trocknete sie sich danach ab, während er zur gleichen Zeit mit sich rang, ob er mit oder ohne Schlafanzug auf sie warten und welche Worte er wählen sollte, wenn sie zurückkäme. Gerade in dem Moment, da er, vertrauend auf die allbekannte Tatsache, dass Frauen im Bade immer noch etwas zu erledigen haben, nach der Pyjamajacke auch die dazugehörige Hose ausgezogen hatte, aber noch nicht wieder unter die Decke geschlüpft war, er mithin seine stolz aufrecht stehende Manneskraft ungeschützt und in voller Pracht zeigte, schritt sie, die, um die Wirkung ihres Auftritts nicht zu beeinträchtigen, ihre Kleider einfach zurückgelassen hatte, in ihrer ebenfalls reinen Nacktheit auf ihn zu.
Sie schauten sich an und brachen in schallendes Gelächter aus. Ein wohlig streichelnder Duft hüllte sie dabei ein. Als erste beruhigte sich Monika und forderte, zwar noch leicht japsend, aber so dezidiert, dass kein Widerspruch möglich schien, schon mit ihrer feuchten Weichheit auf seiner Brust hockend: »So, jetzt zeig mal, ob du es noch kannst. Leck mich!«
Das brauchte sie Peter nicht zweimal zu sagen. Er begann mit Verve, seine Aufgabe zu erfüllen, nachdem er seine neue Geliebte mundgerecht umgebettet hatte. Obgleich sie sich zwischenzeitlich wunderte, dass er den Begriff Muschi in geographischer Hinsicht reichlich weit auslegte, rückte dieser Aspekt sehr bald in den Hintergrund angesichts einer Befürchtung, die sie ihm unbedingt, allerdings schon leicht stammelnd, mitteilen musste: »Kann es sein, dass die Trennwände der Zimmer genauso dünn sind wie die zum Bad?«
Er unterbrach seine wohltuende Behandlung nur kurz: »Selbst wenn, das gehört doch dazu. Tu dir bloß keinen Zwang an«, woraufhin sie das auch nicht tat. Sehr zur Freude der vier Teenies in den beiden angrenzenden Apartments, die tagsüber die Entwicklungen aufmerksam verfolgt hatten und bereits wachsam der Zuspitzung der Ereignisse entgegenfieberten. Sie sollten für die lange Wartezeit voll entschädigt werden.
Anschließend überzog er sein bestes Stück mit dem bereitgelegten Gummi, gründelte damit zunächst ausgiebig in Monikas Quelle der Freuden, um dann für seinen Angriff umzudisponieren: hin zur Öffnung der engen Pforte.
Kaum spürte sie den heftigen Druck am ungewohnten und selbstredend unberührten Orte, kniff sie alle ihr zur Verfügung stehenden Muskeln zusammen, versuchte mit ihrer Hand, den potentiellen Eindringling wieder auf die rechte Bahn zu lenken, und da sie dabei auf erheblichen Widerstand stieß, keifte sie Peter nachgerade an, was er denn vorhabe, dass das ja wohl nicht ausgemacht gewesen sei, dass sie das sicher nicht mit sich machen lasse.
Völlig überrascht hielt er in seinem Ansturm ein und stammelte nun seinerseits, er verstünde die Welt nicht mehr. »Was ist denn los? Genau das hab ich doch damals auch gemacht.« Seine Kommilitonin hätte ihn extra deswegen angebaggert, weil ihm der Ruf des Experten in dieser speziellen Materie vorausgeeilt sei. Sie, Monika, habe doch gesagt, sie hätte alles gesehen, was er seinerzeit gemacht habe, »also hast du doch gewusst, was dich erwartet.« Sie müsse schon verstehen, dass er in einer sich anbahnenden Beziehung auf seine Vorlieben nicht so einfach verzichten wolle.
In einer Mischung aus Verblüffung, Entsetzen und der Enttäuschung, um den zweiten Orgasmus gebracht worden zu sein, den sie sich so schön ausgemalt hatte, rappelte sich Monika inmitten des stechenden Geruchs nach Schweiß und Sex auf und legte ihm dar, dass die Lichtverhältnisse damals nicht dazu beschaffen gewesen seien, genau zu sehen, wo und wie er zugestoßen habe, er wisse schon… Zumal sie ja auch an sich selbst händig beschäftigt gewesen sei, und zwar dort und nur dort, wo es ihr Spaß mache.
Die Klärung des Missverständnisses nahm geraume Zeit in Anspruch, bis sie sich irgendwann darauf einigen konnten, das Unternehmen in beiderseitigem Einvernehmen abzubrechen, dass sie ihm aber zumindest noch einen blasen würde, was sie dann mit wenig Freude ihrerseits und Tränen in den Augen auch tat. Anschließend beeilte sie sich, während sie einen Würgereiz niederrang, im Bad ausgiebig zu gurgeln und sich sorgfältig die Zähne zu putzen. Unnötig zu erwähnen, dass sie den Rest dieser fatalen Nacht kein Auge zumachte.
Am nächsten Morgen nahmen sie im Bus für die Heimfahrt ihre angestammten Plätze ein. Dies wunderte die gesamte Reisegesellschaft zutiefst, denn die Teenies, die ja lediglich den ersten, erfreulichen Akt des nächtlichen Dramas akustisch miterlebt hatten, hatten noch vor dem Frühstück mit einem künstlich empörten Beben in der Stimme die Rentnerinnen auf den vermeintlich neuesten Stand der Dinge gebracht, die wiederum im Umlaufverfahren alle anderen davon in Kenntnis gesetzt hatten.
Selbst die spröde Alleinreisende war an ihrem Tisch von der allgemein für gut befundenen Nachricht unterrichtet worden. Umso seltsamer mutete es sie an, dass Peter sich auf dem Sitz an ihrer Seite wiederfand. Langsam und bedächtig brach sich die Neugier Bahn durch den Panzer, mit dem sie sich bisher von ihrer Umgebung abgeschottet hatte. In Trient nahm sie die Sonnenbrille ab und suchte einen ersten Blickkontakt. An der Ausfahrt Bozen-Süd fragte sie ihn, wie ihm die Reise gefallen habe, nachdem sie ihm nun endlich ihren Namen kundgetan hatte: »Corinna.« Bei Sterzing kam das bis dato einsilbige Gespräch langsam in Gang. Auf der Europabrücke nahm sie, deren nach außen gezeigte Unnahbarkeit nichts als eine Maske für ihre zutiefst verletzliche Einsamkeit darstellte, allen Mut zusammen, um ihm zu verstehen zu geben, wie sehr sie aus vielfacher schmerzlicher Erfahrung heraus mit ihm mitfühlen könne angesichts der Tatsache, dass eine Freundschaft, die sich doch, wie ihr zugetragen worden sei, so ausnehmend gut angelassen habe, augenscheinlich und auf unerklärbare Art und Weise plötzlich wieder zu Ende gegangen sei.
Bis Innsbruck versuchte er, seinen Katzenjammer mit wohlfeilen Floskeln zu überspielen, doch am Übergang zur Inntalautobahn öffnete er sich ein Stück weit und nahm das Wort »Inkompatibilitäten« in den Mund, das dem Gespräch eine echte Wendung geben sollte. Psychologisch geschickt umschiffte Corinna mögliche Tabus, um zu verhindern, dass Peter sich wieder in sein Schneckenhaus zurückzöge.
Die Belanglosigkeiten und Allgemeinplätze, die sie nahezu 50 Kilometer lang austauschten, erfüllten, so glaubte sie, ihren Zweck. Noch vor der Grenze war sie sich daher sicher, das zu wissen, was sie wissen wollte, nämlich dass Monika, der sie von Beginn an eine latente Frigidität zugeschrieben hatte, dem Rhythmus und der Intensität seines Liebesverlangens nicht standgehalten hatte, während sie, auf ihre eigene Libido vertrauend, die sie für sich selbst gerne als männerverschlingend klassifizierte, bereit war, in ihrer aus Vorfreude bereits sprudelnden Muschi so viele Attacken auszuhalten, wie er zu reiten in der Lage wäre.
Auf dem Weg zum Irschenberg versuchte sie, das aus Versatzstücken zusammengesetzte, mehr erahnte denn gewusste Wissen über sein erotisches Potential mit Details des Vorgefallenen zu vervollständigen, aber Peter erging sich weithin in kryptischen Andeutungen, wobei er sich unter der Hand als Kavalier zu erkennen gab, der selbstverständlich die Intimsphäre der Frau in seinem Bett zu schützen hatte, was ihn bei Corinna in einem umso besseren Licht dastehen ließ, ohne dass er ihr seine sexuelle Fixierung, die schon so viele Beziehungen frühzeitig im Keim erstickt hatte, zu gestehen brauchte. Je länger sie daher um den nicht benannten heißen Brei herumredeten, desto breiter zeichnete sich auf ihrem Gesicht ein zufriedenes, ja wohl nicht anders denn als geil zu bezeichnendes, alle eigenen Frustrationen mit einem Schlag wegwischendes Lächeln ab, das ihn hoffen ließ, bei ihr an sein geheimstes Ziel zu gelangen.
Selbstredend rief das wispernd und in geringstmöglicher Distanz geführte Gespräch das volle Interesse der um sie Herumsitzenden hervor. Doch trotz vieler gespitzter Ohren drang kein verständliches Wort zu ihnen. Daher konnte die am Boden zerstörte Monika nur vermuten, dass er schnell einen seinen Neigungen entsprechenden Ersatz gefunden hatte. Ja sie tröstete sich in gewisser Weise sogar mit dieser Erkenntnis und beglückwünschte sich dazu, seinem fühlbar harten und abwegigen Ansinnen nicht nachgegeben zu haben, das ihren schnörkellos schlichten Wünschen so diametral entgegenlief. Wer war sie denn, sich zu einem reinen Objekt der Begierde eines Kerls machen zu lassen, der meinte, bloß weil er gut lecken kann, was er zweifellos konnte, könne er sich alles erlauben?
Ohne etwas von Monikas beginnender Aufarbeitung des Fiaskos im Hotelbett von Verona zu ahnen, versanken Corinna und Peter auf den letzten, stauigen Kilometern vor München in ihrer eigenen Welt, allerdings durchaus nicht in einer gemeinsam bewohnten, sondern in einer parzellierten, je nach ihren speziellen Sehnsüchten entworfenen und ausgestatteten Welt, eingehüllt in einen Kokon aus einem seltsam süßlichen Duft.

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