Zunächst hatte er nicht darauf geachtet. In Gedanken sah er aus dem Fenster der U-Bahn. Dann nahm er im Augenwinkel Bewegung wahr. Er schaute genauer hin – und war fasziniert. In der Reihe vor ihm nahe am Fenster saß eine Frau. Er sah ihre langen, feingliedrigen Finger. Sie bewegten sich ständig: Spielten mit den Haarspitzen, ließen einzelne Strähnen durch die Finger gleiten. Dann wieder nahmen sie den ganzen dunkelblonden Pferdeschwanz in die Hand und glitten versonnen auf und ab. Mehr sah er nicht von der Unbekannten – nur dieses Spiel der Finger mit dem eigenen Haar, diese zärtliche Beziehung zum Pferdeschwanz. Er blieb fasziniert und genoss dieses Schauspiel. Es bekam mehr und mehr eine erotische Tönung für ihn. Er mochte diese Finger und alles, was sie taten. Er mochte ihre Länge, ihre Glieder, ihre Lebendigkeit. Er mochte, wie versunken, versonnen und offensichtlich ganz bei sich sie spielten. Seine Gedanken verselbständigten sich und führten ihn in ganz andere Phantasien.
Genau diese Finger nahm sich seines Schwanzes an. Er lag entspannt, das Licht war gedämpft. Alle Aufmerksamkeit war bei diesen Fingern. Sie krabbelten auf und ab. Sie strichen wie ein Lufthauch über seine Eichel. Die war zum Platzen angeschwollen und gleichzeitig so dankbar für jede leiseste Berührung. Immer wieder zuckte er zusammen. Dann lag sein bestes Stück einfach in dieser Hand. Nichts geschah. Wie ein Kokon schlossen sich die Finger um seinen Schaft. Keine Absicht, keine Bewegung, pure Präsenz. Als wären sie aus abschweifenden Gedanken zurückgekehrt, begannen sie sich wieder zu bewegen. Langsam, sanft, versonnen. Plötzlich wachten sie auf und wurden wieder lebendig. Sie griffen zu, sie fuhren wie damals beim Pferdeschwanz auf und ab. Ganz bei sich und dem, was sie gerade taten.
In seiner Phantasie gab es nur diese innige Berührung. Er sah kein Gesicht, konnte nicht einmal beschreiben, wie die Frau aussah, wie ihre Brüste oder ihr Körper geformt waren.
Schwanz und Finger – was für eine Beziehung!
Die Szene brauchte keine Worte, keinen Text, keine Musik im Hintergrund. Gedankenverlorene Berührung, absichtslos spielende Finger, die sich dessen annahmen, was da war, in der Hand lag, durch die Finger glitt. Er versuchte, sich zu erinnern, ob ihm solches in dieser innigen Intensität jemals begegnet war. Er glaubte nicht. Das erhöhte den Reiz dieser Szenerie. Es zog ihn mehr und mehr hinein, er meinte in Tiefen zu sinken wie bei einer guten Meditation.
Dann realisierte er, dass sie in den Bahnhof einfuhren. Die üblichen Ansagen aus dem Lautsprecher holten ihn zurück. Um ihn herum Geschäftigkeit. Menschen packten zusammen, standen auf, gingen Richtung Ausgang. Er musste auch aussteigen. Daran führte kein Weg vorbei. Er stand auf. Er sah nicht mehr als einen dunkelblonden Haarschopf vor sich, unter sich. Er widerstand der Versuchung stehen zu bleiben, sich umzudrehen, um das Gesicht, die Gestalt, die ganze Person zu diesen Fingern zu erkunden. Er ließ sich durch den Gang weitertreiben und stieg aus wie viele Hunderte andere an diesem Morgen auch.
Aber die Szene blieb. Wann immer er wieder in U-Bahn und Zug saß, hielt er Ausschau nach solchen, diesen Fingern:
Wie sie mit den Haarspitzen spielten, einzelne Haarsträhnen durch die Finger gleiten ließen. Finger, die den ganzen dunkelblonden Pferdeschwanz in die Hand nahmen und versonnen auf und ab glitten.
Schwanz und Finger – was für eine Beziehung!
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