Greta hörte das Klack Klack der Schreibmaschine. Es klang nicht sehr professionell, so als hätte derjenige nur selten einen Text abgetippt. Greta Kraus bewegte sich mit raschen Schritten durch den schmalen Durchlass, welchen die eng aneinander stehenden Bürotische freigaben. Die 23-jährige Sekretärin sah sich als modernes Mädchen, das sich der heutigen Mode gemäß kleidete. Dies zeigte sich in einem gerade geschnittenen, kurzen Kleid, das Gretas Formen erfolgreich verbarg. Ihr pechschwarzes Haar trug sie als sogenannten Bob, was ihrem hübschen Gesicht etwas Jungenhaftes verlieh. Es gab im Jahre 1925 immer mehr solcher jungen Frauen. Die Flapper-Mode schwappte aus den USA herüber, hatte nun auch die junge Weimarer Republik erreicht. Greta erreichte das Büro, in dem sie ihren neuen Chef vermutete. Sie klopfte zaghaft an die Türe, an der sich noch kein Namensschild fand. „Herein!“ Die Stimme klang gereizt, aber nicht unsympathisch. Die schlanke Frau betrat die Höhle des Löwen, wie sie das Büro aufgrund seines fauchenden Hausherrn bezeichnete. Greta stand nun vor dem jüngeren Herrn, der an einem hoffnungslos überfüllten Schreibtisch in die Tasten langte. Gottfried Werner zog missmutig an seiner Pfeife, als er die junge Frau vor sich sah. War dies seine neue Sekretärin? Gottfried hatte erst kürzlich dieses Büro bezogen, da seine ganze Abteilung in das neue Gebäude umziehen musste. Greta hielt ihm ihre Hand hin, um sich vorzustellen: „Guten Morgen! Ich nehme an, dass sie Herr Werner sind? Mein Name ist Greta Kraus.“
„Sie sind meine neue Sekretärin? Ein Flapper also…finden sie ihre Kleidung eigentlich angemessen?“
Greta schmunzelte, als sie den etwas konservativ wirkenden Dreißigjährigen betrachtete. Gottfried blies eine dicke Rauchwolke zur Decke, während er Greta über den Rand seiner Nickelbrille musterte.
Greta fand, dass er ganz gut aussah, wenn auch auf eine etwas altmodische Weise. Sie sagte frech:
„Ich bin eben ein modernes Mädchen! Ich schaffe 80 Worte pro Minute, beherrsche Stenografie und alles andere, was in einem zeitgemäßen Büro vonnöten ist! Sie tippen ja wohl eher selten, oder?“
Gottfried stieß einen leisen Fluch aus. Es stimmte ja, dass er sich mit der Schreibmaschine eher schwer tat. Er betrachtete dieses kurzhaarige Mädchen, das ihm gewachsen zu sein schien. „Ein kesses Mundwerk haben sie ja, Fräulein! Können sie denn auch einen guten Kaffee kochen?“ Greta sah sich um. Durch die halb geöffnete Tür entdeckte sie eine kleine Teeküche, die sich gleich nebenan befand. Sie ging wortlos dort hin, um erst einmal das schmutzige Geschirr abzuwaschen. Gottfried wirkte beeindruckt. Das moderne Mädchen ging ihm zwar gehörig gegen den Strich, aber das lag eher an ihrem selbstbewussten Auftreten. Kurze Zeit später brachte ihm Greta eine kleine Kanne Kaffee. Sie stellte das Tablett auf den recht vollen Schreibtisch. Gottfried lächelte nun. Greta hatte an alles gedacht: Milch, Zucker und sogar seine geliebten, englischen Biskuits lagen bereit.
„Ich sehe, dass sie zumindest sehr aufmerksam sind! Trotzdem, ich sage ihnen ganz ehrlich: wenn sich meine jüngere Schwester so kleiden würde…“ Greta lächelte herausfordernd, was Gottfried nicht entging. „Was würde dann geschehen?“ Gottfried klopfte seine Pfeife aus, ehe er ihr antwortete.
„Dann würde ich sie übers Knie legen!“ Greta lachte. „Okay…dann machen wir es doch so. Sollten mir bei der Arbeit Fehler unterlaufen, dürfen sie mir eine Strafe geben!“ Gottfrieds Miene verfinsterte sich. Wollte ihn dieses freche Mädchen veralbern? Trotzdem ging er auf das vermeintliche Spiel ein.
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