Ich wurde überrumpelt.
Die Art wie es geschah kann ich jedoch leider nicht als gemein und hinterhältig bezeichnen, weil ich es möglicherweise darauf angelegt hatte. Zumindest könnte man mir das so auslegen. Meine etwas verschämte Weise zu sagen: "ich hab es noch nie getan";, mit einem Unterton in der Stimme, der ziemlich deutlich ein Bedauern über diesen Zustand ausdrückte, war eigentlich nicht misszuverstehen. Doch wäre ich wahrscheinlich dennoch gerne missverstanden
worden.
Zumindest kann ich heute behaupten auch dazuzugehören. Als Frau vollwertig zu sein, sozusagen. Doch eigentlich ist das Schwachsinn. Man muss schließlich nicht jedem Trend huldigen, nur um hipp zu sein und somit vollwertig. Dennoch - ein klein wenig Befriedigung schwingt schon mit, wenn man erzählen kann, dass man jetzt auch zu dieser elitären Riege gehört, auch wenn das erste Mal nicht gerade der Hit war. Doch das ist schließlich bekannt. Erste Male sind immer besondere Einschnitte und manchmal ist danach nichts mehr so, wie zuvor.
Das kann ich nun von mir allerdings nicht behaupten. Ich fühle mich weiterhin mir altbekannt und habe auch keine nennenswerten körperlichen Schäden davongetragen.
Trotzdem wurde ich überrumpelt.
Er hatte es vielleicht akribisch geplant und so durchgeführt, dass es wie zufällig aussah. Ich wurde quasi Opfer der Situation und konnte keinen Rückzieher mehr machen. Als erwachsene Frau benimmt man sich nicht kindisch. Man bewahrt Haltung und seine Fassung. So tat ich es auch. Leise Balladen betörten meine Ohren, Kerzen dümpelten leise neben Orchideenblüten in einer Schale, gelegentlich tropften hauchzarte Berührungen auf meine Arme und Beine - wie sollte ich da wiederstehen? Sagen Sie selbst. Unmöglich. Natürlich waren auch subtil erotische Bemerkungen in unsere Unterhaltung eingeflossen, man ist schließlich, wie gesagt, schon erwachsen und fühlt sich diesen Themen durchaus gewachsen. Mit Komplimenten gab er mir den Rest. Wie konnte ich da noch "nein" sagen, als letztendlich die unvermeidliche Frage kam: "möchtest du es mal versuchen?" Natürlich wollte ich! Natürlich wollte ich nicht! Oh verdammt! Hätte ich etwa sagen sollen:
"ich weiß es nicht"? Da wäre er wohl ganz schön peinlich berührt dagesessen und ich hätte meine sämtlichen Chancen verspielt.
Als es dann soweit war, konnte ich nicht besonders viel Überraschung aufbringen. Schließlich hatte man derlei Dinge schon öfters gesehen, auf Abbildungen und heutzutage kommt sowas sogar in der Werbung. Dennoch betrachtete ich es interessiert. Mein erster Eindruck war: "hübsch". Ja wirklich.
Das war das Erste, was ich dachte. Vielleicht nicht gerade sehr geistreich, doch was kann ich für meinen Geist? Fleischfarben, rund, glatt, zart... hübsch, eben. Doch es in meinen Mund zu nehmen, kostete mich schon Überwindung. Das kann ich Ihnen sagen. Und vor allen Dingen - wie macht man das richtig? Nur ein wenig, oder gleich das ganze Ding? Was ist, wenn ich mich verschlucke, oder es gleich wieder ausspucken muss? DAS wäre dann vielleicht peinlich geworden. Ich schloss meine Augen und nahm es einfach in den Mund. Einmal muss es schließlich sein. Ich legte also meine Lippen darum, versuchte alle meine Geschmacksnerven zu paralysieren - was nicht sehr gut gelang - und würgte doch ein wenig. Aber wirklich nur ein wenig. Er hat es sicher nicht bemerkt. Er stöhnte einmal - ganz leise "hmmmm". Ich wurde also mutiger. Nochmal. Es war ein wenig schlüpfrig feucht, glitt leicht über Zunge und Gaumen und dennoch dachte ich permanent an rohen Fisch.
Nein - so toll schmeckte es wirklich nicht.
Und von der Soße hatte mir vorher niemand was gesagt. Ich schluckte es hinunter. Ziemlich schnell. Und ich hatte es hinter mir. Natürlich kam die obligatorische Frage: "wie war`s?"
"Hm hm - ganz o.k." stammelte ich wohl, oder irgendetwas Ähnliches. Doch sagte ich noch unter Aufbringung all meines Mutes: "mein Leibgericht wird das sicher nicht".
Es kostete ihn 60 Euro.
Und ich hatte mein erstes Sushi gegessen.
Französisch?
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