Im Grunde habe ich diesen Traumjob nicht verdient. Es ist zwar ein bisschen warm hier drinnen, die Super Troupers sind unerbittlich. Aber das Gekreisch und Gequietsche all dieser jungen Frauen erfrischt mich, macht mich geil. Wir befinden uns in einer riesigen, still gelegten Fabrikhalle aus dem 20. Jahrhundert. In Zeiten wie diesen, wo sinnvolle Arbeitsplätze immer rarer und ein geregelter Verdienst noch rarer sind, ist das Credo klar: Mit Tattoos lässt sich viel Geld verdienen. Sehr viel Geld. Neben künstlerischer Narrenfreiheit ist man zudem umgeben von diesen jungen Chicks, die alles mit sich und ihrer Haut machen lassen – und am Schluss noch dafür bezahlen.
Wenn Frau etwas will, wirklich will, legt sie alle Hemmungen ab. Wenn sie im Schuhladen in High Heels schlüpft, die High Heels ihrer Träume, ist es ihr egal, wenn sich beim Bücken der viel zu enge Rock über dem Po spannt. Wenn der Friseur endlich den Farbton trifft, der die Rotation unseres Planeten verlangsamen soll, ist es ihr egal, wenn er ihr bei der Kopfmassage in den Ausschnitt starrt, auf der Suche nach kleinen, süssen Brustwarzen, die er sich am liebsten in den Mund schieben würde, so er denn dürfte.
Wir sind ein Tattoo-Mekka und ein Enthemmungs-Mekka. Früher wurden hier Technoparties abgefeiert bis der Arzt kam. Einmal kam er tatsächlich, aber zu spät. Eine unbekannte Designerdroge hatte ihr erstes Opfer gefordert, einen 16jährigen Jungen. Danach war die Fabrik für über ein Jahr gesperrt, aus Respekt, wie es hiess. Erst vor kurzem stand sie zum Verkauf; wir haben eine GmbH gegründet, meine sechs Kollegen und ich, und „Tattoise“ – in Anlehnung an „Paradise“ – aus dem Boden gestampft. Wir arbeiten in Rotation, sind alles begnadete Tattooisten, Womanizer, Verführer, und was der schönen Dinge mehr sind.
Wir kleiden uns streng in weiss. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die klinische Ausstrahlung, die von weiss gekleideten Menschen ausgeht, die Gemüter abkühlen lässt. Die erhitzten Gemüter eifersüchtiger Ehemänner etwa. Es macht einen Unterschied, ob ich in Jeans und Blumenhemd gekleidet bin, mit Goldkettchen auf der haarigen Brust, und so ans Frauenkörperwerk gehe, oder ob ich einen matt glänzenden, teuer wirkenden Kasak trage, mit weissen Lederschuhen. Da stehen sie dann ruhig neben mir, die Ehemänner, stellen sachliche Fragen, immer aber unterlegt mit Respekt. Mit Respekt und Achtung mir gegenüber, mir, demjenigen, der sich soeben daran macht, die vor ihm liegende Verkäuferin, Floristin, Bäckerstochter, Kindergärtnerin oder Schriftstellerin zu verschönern.
Wir arbeiten, wie gesagt, in Rotation. Heute bin ich fürs Epilieren zuständig. Gillette Embrace. Der abgerundete Rasierkopf der auch beweglich ist, passt sich an schwierigen Stellen leicht an. Schwierige Stellen, jaja. Das hatte ich am Anfang unterschätzt. Auch als wahrer Muschi-Experte, der ich ja bin, mache es für mich einen massiven Unterschied, ob ich die „schwierigen Stellen“ mit dem Finger, oder mit mehreren, erkunde, oder mit einer messerscharfen Klinge. Ich will sie ja nicht verletzen, die Schätzchen, sie sollen glücklich werden unter meiner Klinge und in Vorfreude verharren aufs kommende Tattoo.
Die meisten unserer Kundinnen lassen sich im Intimbereich tätowieren. Lodernde Flammen, die direkt der Muschi entspringen. Wildes Dornengestrüpp auf dem Venushügel. Brüste sind auch beliebt, als Kunstfläche respektive -hügel. Darum epilieren wir routinemässig alle. Das gibt demjenigen von uns, der die Tattoos auch vornimmt, mehr künstlerische Freiheit. Wir beraten die Frauen ja auch, obwohl uns das nicht immer leicht fällt, wenn sie splitternackt vor uns stehen oder liegen, mit bebenden Brüsten und verlockenden Schamspalten.
Die Wahl eines Tattoos ermöglicht den direkten Blick in die Seele einer Frau. Will sie einen Drachen? Möglicherweise muss sie ein Trauma aus früher Jugend verarbeiten. Will sie eine Rose, exakt in der Mitte ihres rasierten Venushügels? Möglicherweise ist sie Nymphomanin und sehnt sich nach dem Rosenritter. Eine kleine schwarze Spinne direkt oberhalb der linken Brustwarze? Bestimmt ist sie morbid veranlagt und steht auf Alice Cooper. Ein Arschgeweih gar? Sie steht auf harten Sex. Der Lover soll sich vom Geweih herausgefordert fühlen, Hirsch gegen Hirsch, atavistisches Kämpferritual, Reviergebaren. Solche Frauen mag ich am wenigsten, die mit der Rose am allerliebsten.
Aber heute bin nicht ich es, der tätowiert, sondern mein Kollege Klaus. Mit glänzenden Augen steht er am Untersuchungstisch und wartet auf die nächste weibliche Leinwand. Über mir schlängelt sich eine feuerrote, gigantische Rutschbahn. Hat zehntausende von Euro gekostet. Durch kleine Seitenventile wird Seifenschaum auf die Rutschfläche gespritzt. Egal, wie gross ein nackter Weiberhintern ist: Keine Frau bleibt an der Rutschbahnunterlage kleben, keine steckt fest. Alle werden nassgespritzt, gleiten, sausen oder rasen kreischend um die Kurven. Am Ende wird die Fahrt abrupt verlangsamt. Jetzt sitzen die Frauen auf einem schwarzen Fliessband, das sie zu mir führt, eine nach der andern. Die einen sind splitternackt, andere wiederum haben ihr Top oder ihr T-Shirt anbehalten. Zweitere sind mir lieber, da bleibt noch was übrig für die Phantasie.
Meine sexuellen Phantasien schwächen sich allmählich ab, denn ich habe schon alles gesehen, und zwar mehrfach. Ich epiliere seit drei Tagen. Morgen darf ich dann ins Tattoo-Studio und Wünsche entgegennehmen. Kasse und Buchhaltung sind bei uns der unbeliebteste Job, Tattoos einbrennen das Highlight. Das Epilieren liegt irgendwo in der Mitte.
Das Fliessband befördert eine sehr junge Frau zu mir, bestimmt noch keine 18. Ich verlange einen Ausweis, den sie natürlich nicht bei sich hat, nackt, wie sie ist. Hätte Carlo, der Idiot, bei den Identitätskontrollen nicht besser Acht geben können? Ich frage sie nach dem Geburtsdatum, sie antwortet ohne zu erröten. 18. Tatsächlich. Dann erkenne ich sie. Es ist die Floristin von „Power Flower“, dem Laden gleich gegenüber. Sie versteht etwas von Forsythien, Gerberat, Tulpen und Narzissen. Eine Blumenfrau. Wie zerbrechlich und unschuldig sie wirkt! „Ich…“, sagt sie, senkt den Blick und errötet. Sie klettert vom Fliessband, hinterlässt nasse Fussspuren und legt sich auf einen gut gepolsterten Tisch. Ich klappe die Fussstützen hoch; Martina, das Blumenmädchen, bringt sich in Position.
Wie an einer Sushibar fahren etwa zehn seifeglänzende Frauen auf dem Fliessband an uns vorbei; ich kann sie durch eine Vorhangöffnung hindurch beobachten. Das Fliessband steigt sanft an, legt eine beachtliche Höhenveränderung zurück. Dann finden sich die Kundinnen wieder am Anfang der Rutschbahn, ganz oben, und sausen kreischend nach unten. Für eine Epilierung habe ich genau fünfzehn Minuten Zeit. Der Job ist nicht ganz stresslos, muss ich sagen. Ich bin froh, dass dicht behaarte Mösen selten geworden sind. Oft muss ich bloss ein bisschen Flaum entfernen, und am Schluss bitte ich die Damen in den Vierfüssler, nachdem ich die Fussstützen wieder zur Seite geklappt habe. Sie präsentieren mir offenherzig ihre Pflaume, und ich entferne die letzten Härchen. Ich mag saubere Arbeit.
Frisch duftend, glänzend wie Makrelen stehen sie dann neben der Liege, mit etwas weggetretenem Lächeln, und ich begleite sie durch den nächsten Vorhang hindurch ins Atelier, wo im Moment mein Freund Klaus zu Werke geht.
Wir haben nichts dagegen, wenn ein Ehemann seine Frau zu uns begleitet. Wir bieten ihm einen Prosecco an; er soll sich wohl fühlen. Wir bitten ihn dann direkt ins Atelier. Bei der Rutschbahn hat er nichts zu suchen; die Frauen könnten irritiert sein, wenn Männer zu ihnen hochstarren.
Martina ist schnell rasiert und hat ein ausgesprochen zartes, niedliches Fötzchen. Ich verkneife mir die Frage, ob sie schon mal Sex hatte. Unsere Kundinnen lassen sich gerne von uns behandeln, was aber nicht bedeutet, dass sie Intimes preisgeben. Ich lasse mir Zeit mit Martinas Pfläumchen, lege wie zufällig einen Finger an ihre Cliti. Die Erfahrung zeigt, dass die moderne Frau dieses Zufällige, dieses „ich-tue-es-ja-nicht-absichtlich-und-kann-nichts-dafür-wenn-es-dir-gut-tut“ sehr gerne mag. Macker haben sie satt, die Weiber von heute. Direkte Anmache ist ein absolutes no-go. Aber ein zärtlicher Finger an der empfindlichsten Stelle, ein kleines, nachlässiges Streicheln, ein flüchtiger Kuss… dann beginnen sie zu glühen. Das ist auch bei Martina so. Sie drückt das Kreuz durch, und ich kann einen prüfenden Blick auf ihr Liebesloch werfen. Womöglich ist sie wirklich noch Jungfrau. Mich würde brennend interessieren, für welches Tattoo-Sujet sie sich entschieden hat.
Bereits bei der Ankunft haben die Kundinnen exakte Vorstellungen von ihrem Tattoo. Farbe, Form und vor allem den Ort haben sie eingehend mit ihren Freundinnen vorbesprochen. Freundinnen kennen voreinander keine Geheimnisse.
Schweren Herzens begleite ich Martina zum Vorhang und überlasse sie den Fingerfertigkeiten von Klaus. Meine Schläfen pulsieren, wie von Ferne höre ich das amüsierte Kreischen auf der Rutsche. Ganze drei Bars haben wir einrichten lassen, und eine kleine Lounge. Wer nicht nonstop auf der Rutsche gleiten will, kann sich dort erholen. Kleidervorschriften kennen wir nicht – ausser unsere eigenen. Ich glaube, dass mir weiss gut steht.
„Weiss steht Dir gut“, sagt eine bekannte Stimme hinter mir. Ich fahre herum. Lächelnd steigt Claudia vom Fliessband und küsst mich auf den Mund. „Du…?“ Mir wird schwindlig. Claudia ist meine langjährige Freundin. Sie ist splitternackt; ihr sportlicher Körper wirft auf dem Linoleumboden einen langen Schatten. „Was machst Du hier?“ Meine Zunge klebt am Gaumen. „Ich will auch ein Tattoo“, sagt sie. „Aber heute ist doch Klaus…“
„Genau zu dem will ich“, lacht Claudia und streicht sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn. Claudia, mein junges Fohlen. Claudia, meine Gespielin, meine Milchkuh, meine Privatnutte. Claudia, mein Hexchen, mein Käferchen. Claudia lässt sich von Klaus…
In mir brodelt unerträgliche Eifersucht. Das darf nicht wahr sein. „Komm doch morgen wieder, da bin ich im Atelier. Zieh Dich jetzt bitte an, geh nach draussen – und heute Abend lade ich Dich zum Essen ein – ins Da Vinci. Das magst Du doch?“
„Nein, ich will mein Tattoo heute, und ich will es von Klaus.“
Was bleibt mir anderes übrig? Ich bitte meine Geliebte auf den Untersuchungstisch, fixiere ihre Beine… und bewundere, wohl zum tausendsten Mal in meinem Leben, ihre vollen Schamlippen. Sie sind gemacht für die Liebe, und wohl auch gemacht für die Augen von Klaus. „Wohin, um Gottes Willen, willst Du denn das Tattoo? Was für ein Sujet? Du hättest das doch wenigstens mit mir besprechen können…“
Claudia lächelt geheimnisvoll. „Rasier mich jetzt, Schatz, sonst bist Du in Zeitnot. Da draussen warten viele weitere Frauen.“ Ich ergebe mich in die Situation, massiere meine Freundin zärtlich mit Rosenöl. Erst den Bauch. Die Hüften. Die Oberschenkel. Den Venushügel. Die Schamlippen. Den Damm. Den Anus. Claudia hebt leicht die Pobacken an. „Den Po bitte auch“, flüstert sie.
Wie schön sie ist! Das Kreischen auf der Rutsche verblasst völlig und dringt kaum mehr in mein Gehör. Ich will nur noch Claudia, will sie jetzt, sofort. Aber ich muss mich beherrschen. Ich knete ihre Pobacken, ihr Kreuz, und Claudia lässt sich mit einem Seufzer zurück auf den Tisch sinken. „Einen harten Job hast Du da“, flüstert sie. „Komm, rasier mich.“ Ich mache mich an die Arbeit. Das schöne Venusdreieck! Ein Jammer! Ich arbeite mich von aussen gegen innen, und gehe sehr vorsichtig vor. Ich unterdrücke einen Anflug von Panik. Nicht auszudenken, wenn ich mein Schätzchen jetzt verletze. Ich leiste wie immer ganze Arbeit, nackt und glänzend liegen Claudias Schamlippen vor mir. Claudias Schamlippen für die Augen von Klaus. Was wird in ihm vorgehen?
„Dreh Dich um“, fordere ich meine Geliebte auf, nachdem ich die Beinstützen entfernt habe. Claudia streckt mir ihren Hintern entgegen. „Wenn sich der Klaus bloss beherrschen kann“, sage ich zu mir selbst, träufle Rosenöl auf Claudias liebliches Pfläumchen und setze die Klinge an. „Gut machst Du das, wirklich gut“, gurrt sie. Claudia ist Krankengymnastin. Eine unwiderstehliche Frau, beweglich, rhythmisch begabt, sportlich, und ein Sprachtalent dazu. Gitarre spielen kann sie auch. Und kochen. Schwimmen. Und Claudia liebt Pflanzen über alles.
Ich lege die Klinge zur Seite, nehme meine epilierte Freundin bei der Hand und führe sie zu Klaus. „Ohhh…“, sagt dieser überrascht. Der kann schon reden, das Arschloch. Ich wende mich ab, gehe zurück an meinen Arbeitsplatz und nehme die nächste Frau in Empfang, eine Schwangere mit riesigen Brüsten.
Noch am selben Abend überrascht mich Claudia zuhause – mit einem kleinen Kaktus-Tattoo an ihrem linken Schulterblatt.
Wir lieben uns ohne Ende.
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