Frau Schmidt

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Frau Schmidt

Frau Schmidt

Ralf Thomas

Kai Schmidt war mein bester Kumpel. Außer das wir beide 17 Jahre alt waren und gerne Fußball spielten, hatten wir eigentlich kaum Gemeinsamkeiten. Ich der Pubertät war ich sehr schnell gewachsen, was mir das Prädikat dürre Bohnenstange eintrug. Mein Rücken hielt da nicht mit und krümmte sich. Kurzum: ich war ein Krüppel in den Augen meiner Mitschüler. Und was in diesem Alter fast noch schwerer wog: die Mädels in meiner Umgebung ließen mich ausnahmslos links liegen.
Kai war da anders. Ihn interessierten solche Äußerlichkeiten wenig. Allerdings hatte er auch keine Probleme damit. Er war sportlich, ein guter Fußballer und wurde immer als erster in die Mannschaft gewählt. Die Mädchen mochten seine schulterlangen Haare und sein lässiges Outfit, das anfangs der siebziger Jahre topaktuell war. Er konnte sich seine Freunde auswählen. Vielleicht lag seine Einstellung auch daran, dass sein Vater vor ein paar Jahren bei einem Unfall tödlich verunglückt war. Er schien mir geistig reifer zu sein, als alle anderen in unserem Alter.
Ich war neu hier, in einer Trabantensiedlung am Rande einer süddeutschen Großstadt. Kai wohnte in einem der Bungalows, die sich hinter unserer Apartementanlage befanden. Schon am ersten Tag in der neuen Umgebung machte ich seine Bekanntschaft. Direkt auf der anderen Seite unserer Straße lag eine unbebaute Wiese. Einige Jungs aus der Nachbarschaft hatten sich dort zwei provisorische Tore aus alten Holzlatten zusammen genagelt und spielten miteinander Fußball. Unser Möbelwagen stand auf der Straße und ich betätigte mich als Hilfsträger für die kleinen und mittleren Sachen. Wenn ich gerade keinen Auftrag hatte, schaute ich zu den Jungs auf dem Bolzplatz rüber.
"Hi, ich bin Kai", schmunzelte er mich unverhofft an, "neu hier?"
"Ja, wir ziehen gerade ein", erwiderte ich. Er musterte mich nur kurz und wollte gleich wissen, ob ich denn mitspielen wolle.
"Klar", gab ich ihm genauso schnell zurück, "muss nur noch schnell fragen, ob die mich noch brauchen." Mit dem Kopf wies ich in Richtung unseres neuen Heimes. Natürlich brauchte man mich zum Einräumen allerlei Dinge! Kai hatte vollstes Verständnis. "Vielleicht morgen dann", machte er mir Hoffnung, "man sieht sich."

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