Frei unterm Himmel

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Frei unterm Himmel

Frei unterm Himmel

Stefanie A. Drissen

So hatten wir uns zu den Herbstferien im vorigen Jahr verabredet: Kurz vor unserer Verlobung im vorigen Spätsommer reisten mein französischer Freund Pierre, der Bär, und ich aus verschiedenen Richtungen zu einem Bergbauernhof in einem wenig berührten Seitental der oberen, ungestümen Gervanne, im hohen Norden der herrlichen Provence, wo die ewige Sonnenlandschaft durch ein weniger heimeliges Klima auf kargen Bergrücken noch spät im Jahr für Abwechslung im Spiel der Wärme der Tage und der Freundlichkeit der Nächte schafft. Mein Vater hatte mich auf einem Geschäftsflug, der ihn nach Lyon zu einem Seidenhändler führte, bis zum Flughafen in Valence mitgenommen. Von dort ging es in einem Leihwagen, einem rostigen und bequem schaukelnden Landrover mit verbeultem Kuhfänger, weiter nach Süden, dann weg von der laut lärmenden Sonnenroute, den verschlungenen Wegen an der quirlig-wilden Drome mit ihren reißenden Wassern entlang, hinein ins Tal der...
Wir wollten die kurzen zwei Wochen unserer Herbstferien gemeinsam dort verbringen. Die ersten gemeinsamen Wochen für uns allein! Welch eine reiche, reine Flitterzeit, hofften wir!
Schon der erste Abend war's: Wir hatten ein wunderhübsch ausgebautes Steinhäuschen bezogen, eine ehemalige Bergerie, die fünfzehn Minuten abseits vom Haupthaus, der Ferme, lag und zu Fuß durch ein Schmetterlingstal erreichbar war, über einen ruckeligen, vergrasten Fluglandeplatz hinweg, ein leichter Abstieg auf einem steinigen Trampelweg. Vorsicht im Gras, hatte der Patron, gesagt, hier gibt es noch die Aspis-Vipern. Mit dem quietschigen Landrover, der unsere Koffer rübergebracht hatte, brauchte man auch seine guten zehn Minuten; ein einsam gelegenes Liebesnest, was wollten wir mehr? Wir hatten uns, und brauchten niemanden. Der Kühlschrank war voll, Gemüse im Gärtchen, zwei Laibe Brot.
Wir hatten uns schon lange vorgenommen und in heimlichen Briefen ausgemalt und uns versprochen, auch einmal im lauschigen Freien miteinander zu schlafen, uns den Abendwind um die Ohren wehen lassen, die hunderte nimmermüden Zikaden singen hören und die verdeckte Flammenschrift der Umrisse der großen, harkig gezackten, im Wind steil schwankenden Pappeln auf dem krausen Bergrücken jenseits unseres paradiesischen Talgrundes zu sehen.

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