Langsam verzogen sich die Staubwolken. Das Geräusch des Motorrades verebbte und die Stille des Sonntagnachmittags kehrte wieder in das kleine Städtchen ‚La Macho’ ein.
Sehnsüchtig stand Kyle am Straßenrand und sah dem wegbrausenden Motorrad hinterher. Wie gerne wäre er mit dieser fremden Frau mitgegangen. Als er sie das erste mal sah, konnte er vor staunen den Mund nicht schließen. Sie ging an ihm vorüber und lächelte ihm ins schmutzige Gesicht.
„Es zieht, Kleiner.", hatte sie beim Vorbeigehen gesagt und der Duft von Wildnis umgab sie. Kyle schloss geistesabwesend seinen Mund. Immer noch auf ihren Hintern starrend folgte er ihr in die Tankstelle hinein. Als würde sie es ahnen, dass sie die Attraktion des Tages sei, begann sie mit ihren Hüften zu wackeln. Nein, es war kein Wackeln, es war ein erotisches Bewegen. Vor der Kasse blieb sie stehen und hauchte Juan die Zapfsäulennummer ins Ohr. Juan, der nach Öl stinkende Tankwart, tippte den Betrag in die alte mechanische Kasse und starrte mit seinen grauen Stielaugen in den Ausschnitt der Frau. Sie legte einen Zehndollarschein auf den Tresen und drehte sich lässig um.
Kyle beobachtete sie ganz genau. Er hatte noch niemals eine solche Schönheit in dieser Einöde gesehen. Wie in einem Traum kam sie auf ihn zu. Was Kyle besonders wahrnahm, war der Ausschnitt ihrer Bluse, er war tief, sehr tief.
Das schwarze Haar hatte sie offen. Es lag über der linken Schultervorderseite und berührte die Brust an der Stelle, wo Kyle die Brustwarze vermutete. Ihr Jeanshemd hatte sie nur halb zugeknöpft. Der schwarze Büstenhalter ließ einen Blick auf den großen Brustumfang zu. Kyle kletterte langsam mit seinen Augen an ihrem schlanken Hals empor. Dort entdeckte er eine Silberkette mit einer Adlerfeder und eine Goldene, mit einem Drachen als Anhänger. Seine Augen wanderten weiter. Auf dem rechten Oberarm sah Kyle eine Tätowierung. Mit weit ausgebreiteten Flügeln stach der Adler in seiner dunklen Farbe von der weißen Haut der Frau hervor. An den Ohren hatte die Frau silberne Kreolen und sie trug einen Nasenring. Kyle war vom Gesicht der Frau fasziniert und schaute sich jede Einzelheit an. Sie hatte kaum Falten, sicherlich war sie noch jung, keine dreißig Jahre. Es waren auch keine Augenränder zu sehen und es gab keine Anzeichen auf Müdigkeit. Sie schien frisch und heiter zu sein. Ihre Augenbrauen waren nicht gleichmäßig. Die Linke wies ab der Hälfte ein Lücke auf, die sich als Strich durch die restlich verlaufene Linie zog. Die Rechte wuchs buschig, aber nicht geradlinig, sie machte ab der Hälfte einen Bogen und endete parallel zu ihrem Augenlied. Die Wimpern waren nicht lang aber auch nicht kurz, sie bogen sich nach oben und umrahmten die hellblauen Augen. In der Iris konnte man kleine schwarze Punkte entdecken. Kyle begann sich in den Augen der fremden Frau zu verlieren. Er schaute in einen glasklaren See und spürte, wie sich seine Aura mit der der Fremden vereinte.
„Gefällt dir was du siehst?"
Kyle zuckte zusammen und polterte einige Schritte rückwärts an die Wand. Er konnte nur nicken.
„Ein Bier.", sagte sie.
Juan zapfte das Bier und stellte es Sekunden später vor sie auf die Theke. Mit einem schmierigen Lappen wischte er verstohlen die Oberfläche der Ölverschmierten Bar und schaute immer wieder in den Ausschnitt der Frau.
Sie lächelte, nahm das Glas in die rechte Hand, führte es zu ihren halb geöffneten Lippen und trank das Bier in einem Zug aus, stellte das Glas mit einem dumpfen Geräusch zurück und suchte in ihrer Hosentasche ein paar Dollar zusammen. Dann drehte sie sich um und schaute wieder Kyle an. Lüstern und verwegen.
Langsam ging sie auf Kyle zu, packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich heran. Sein Gesicht an ihres und er konnte ihren Duft riechen. Dann spürte er ihre zarten Lippen auf den seinen und alles um ihn herum war nicht mehr existent.
Und so stand Kyle noch immer am Straßenrand und schaute der Harley Davidson hinterher.
Fremde Frauen küssen anders
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