Funkenflug

Der Laternenanzünder

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Funkenflug

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Madam Lasterhaft

Ein Lichtmesser wurde zugeklappt. „Achtung!“ schallte es durch die Luft. Der Winternebel grub sich durch die dunkle Vorabendstimmung der Stadt. Der Adjutant Friedrich machte sich bereit und stakste auf seinen hölzernen Stelzen durch den Schneematsch der Londoner Stadt zu einer Laterne. „Anleuchten!“ befahl die gleiche, unnahbare Stimme des Truppverantwortlichen in sein Ohr. Bei dem unklaren Licht musste er auf der Hut sein um nicht von einem Passanten angerempelt zu werden. Dafür war eigentlich John der Hilfs-Laternenanzünder zuständig, der allerdings oft genug Löcher in die Luft starrte und ihn damit gefährdete, dass er unachtsame Passanten nicht auf ihn aufmerksam machte. John hatte Glück, dass das Werkzeug für das er zuständig war nicht davonlaufen konnte. Denn es hätte längst vor seiner schlampigen unaufmerksamen Art Reißaus genommen. Noch hatte Friedrich es trotz Johns Verschlafenheit geschafft sich bei den immer wieder vorkommenden Kollisionen an den Laternen festzuhalten oder abzufangen. Irgendwann würde er Beschwerde einreichen müssen, bevor das noch lange so weiterging. Zum Glück war seine Schicht bald beendet und sein Kollege würde im Morgengrauen die vielen Laternen löschen.

Friedrichs Finger waren die typischen eines Endzwanzigers. Sie waren lediglich müde geworden und zitterten verfroren. Die übereinandergelegten Kleidungsstücke konnten ihn nur dürftig warmhalten. Es war ihm ein Rätsel, wie die sonst so betagten Kollegen, meist ehemalige Offiziere, diese Arbeit noch verrichten konnten. Die Personalnot war inzwischen so groß geworden, dass sich die sonst mehrjährige Wartezeit verkürzt hatte und er in seinem Alter eine Chance bekommen hatte obwohl er noch vier Jahre Wartezeit gehabt hätte.

Von oben betrachtete er verkühlt schniefend die vornehmen Damen deren Diener die Schirme zuklappten wie Blumen deren Blüten sich im Eiltempo geschlossen hatten. Ein ungnädiges Wetter war das. Dicke Flocken tanzten durch die Gegend und legten sich hell auf die von Nässe schwarz gewordenen Fenstersimse und verrußten älteren Schnee. Das schier unberechenbar gewordene Meer an Kaminen spuckte dunklen Rauch in die Stadt. Die Oberseite der Korbbogenfenster erhielten dadurch weiße Augenbrauen mit grauem Schleier. Als Friedrich noch ein junger Einfaltspinsel war hatte er geglaubt, die Laternen würden einfach eine nach der anderen angezündet bis alles hell erleuchtet war. Ein paar Jahre später wusste er, dass sich hier eine wahre Wissenschaft verbarg. Nicht selten gab es seitdem die Gaslaternen eingeführt wurden Explosionen. So hatte sein unglücklicher Vorgänger eines seiner Augen nicht rechtzeitig vor den umherfliegenden Glassplittern schützen können und hatte seitdem seinen Dienst aufgegeben.

Allein die warme Stimmung hinter den noch offenen Fenstern war es wert, hier die Laternen zum Leuchten zu bringen. Es war fast schon zur Normalität geworden ein paar Minuten vor den Lebenssituationen der Hausbewohner zu stehen um diese wie in einem Theater zu betrachten. Friedrich war Junggeselle und froh über etwas Teilhabe am Leben. Und sei es das der anderen. Er wurde von Katzen begrüßt, die sich an die Fensterscheibe schmiegten vor Verlangen in die Freiheit zu kommen um gestreichelt zu werden. Ab und an sah er ein paar leuchtende Kinderaugen. Angeregte Unterhaltungen und auch passionierte Diskussionen. Es war manchmal nicht klar, wer hier wen beobachtete. Für ihn war es eine Art riesiger Adventskalender, der sich leibhaftig vor ihm auftat.


Elisabeth stand am Fenster und zählte die Eisblumen, die sich am Fensterkitt sammelten. Sie hatte ihre Hände in einen warmen Muff gelegt. So konnte sie etwas länger in das städtische Treiben der Straße schauen. Sie blickte auf die tickende Kaminuhr. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, dann würde der unbekannte Verehrer an der Tür klopfen und mit ihr und der Anstandsdame ein Schwätzchen halten. Sie zog die schweren Samtvorhänge vor den einfach verglasten Fenstern etwas zusammen. Zumindest etwas Schutz vor der eisigen Kälte war ihr so gewiss. Die zahlreichen Kerzen und der seit Stunden angefachte Kamin brachten etwas Behaglichkeit in ihr Damenzimmer. So konnte sie sich das Skript ihres bald fertigen Buches vertiefen. Sie überflog die Zeilen und ließ diese rasch in ihrem Sekretär verschwinden. Das war heiße Ware, solange nicht klar war unter welchem Pseudonym sie veröffentlichen wurde. Als Frau ziemte sich das nicht.

Die Minuten zogen sich. Ihr Hausmädchen brachte den Tee. Sie hielt die Untertasse fest umklammert während die dunklen Gestalten sich an der Laterne vor dem Haus zu schaffen machten. Der beleibte Chef brüllte aus vollen wackelnden Pausbacken in die Höhe des Stelzenläufers und gestikulierte wild. Es ging ihm wohl nicht schnell genug. Der Helfer hatte sein Werkzeugset auf dem Fundament des Schmuckzaunes ausgebreitet und überprüfte dieses. Den Herrschaften entging dabei die schwarze Dogge eines edel gekleideten Herrn, die sich aus dem Griff des behandschuhten Mannes riss und dem jungen Mann die Stelzen unter den Füßen bedrohlich ins Wanken brachte.

Elisabeth schrie gegen die Fensterscheibe. Es half natürlich nichts. Zum Glück konnte er sich abfangen. Wäre schade gewesen um den netten jungen Mann, den sie so gerne allabendlich bei seiner Arbeit beobachtete. Lieber im Sommer als im Winter, dann bekam sie seine halblangen dunkelbraunen Haare zu Gesicht. Sie mochte sein angedeutetes Lächeln und den unermüdlichen Fleiß mit dem er mit seinem cholerischen Chef und dem lethargischen Helfer umging. Der Unfall war ein Zeichen. Elisabeth überlegte, was sie ihm für eine Botschaft schreiben und übermitteln konnte. Sie musste den richtigen Zeitpunkt abwarten. Es wäre mehr als unziemlich, wenn die Nachbarn oder der Chef sie dabei beobachten würde wie sie ein Treffen anberaumte. Nach den endlosen Minuten der seichten Unterhaltung des monologisierenden Interessenten kreisten Elisabeths Gedanken um den Stelzenläufer. Sie stach in die Fisolen und betrachtete den sich ständig öffnenden Mund des heiratswilligen Besuchs. Wie ihr Stelzenmann wohl hieß? Ob seine Küsse so leidenschaftlich schmeckten wie die ihrer letzten Affäre mit dem Dienstboten? Leider war der auf und davon mit samt der Köchin und dem noch ungeborenen Kind in deren Leib. Elisabeth hielt sich selbst geschmeidig um das staubtrockene Korsett der Gesellschaft tragen zu können. Der fehlende patriarchische Vater bedeutet in ihrem Fall den Zugewinn an Freiheit.

„Morgen Nachmittag. 14:30 Uhr. Kensington Apotheke. Stratford Rd. - Elisabeth.“ Schrieb sie in ihrer schönsten Handschrift auf ein großes Stück Papier. In Plakatschrift waren nur die wenigen Marktfrauen geübt, die etwas lesen gelernt hatten.

Es musste früher am Tag sein, denn bereits die dämmernde Dunkelheit bedeutete den Dienstbeginn für den Unbekannten. Elisabeth ließ sich nach dem beglückenden Aufenthalt auf ihrem Duschstuhl eine warme, metallene Wärmflasche ins Bett legen und schlüpfte rosenwangig voller Vorfreude unter die dicke Daunendecke. Wie ihre Freundinnen genoss sie die „Hydrotherapie“ ihrer Scham mit den kleinen Wasserfontänen jedes Mal wieder aufs Neue. Das offene Geheimnis des guten zweiten Orgasmus setzte die wohltuende Kur im Bett fort. Sie fuhr mit ihrem glattpolierten Stock zwischen ihre Schenkel. Kraulte sich das zarte Pfläumchen. Stieß sich dabei schneller und schneller. Tiefer wollte sie ihn haben. Streckte ihre Füße und drückte sich auf den Zehen ab. Gönnte sich den schnellen Orgasmus erst einmal nicht. Schraubte den Stock in eine extra angefertigte Platte. Setzte sich auf die Matratze und ritt ihn sich genussvoll in ihre Tiefe. Keuchend ließ sie sich immer und immer wieder. Spannte ihren Po an und ließ ihn in sich wirken als ihre Möse ihr eine pulsende Rückmeldung gab. Mit geschlossenen Augen umarmte sie das große Kissen. Zu lange hatte sie einen echten Penis nicht mehr gespürt. Sie brauchte etwas männliches Fleisch zwischen ihren Beinen. Sie betrachtete die glimmende Feuerglut im Kamin und wurde mit dem Dildo in ihrer Grotte in einen traumlosen Schlaf getragen.

Mit rennendem Puls stand Elisabeth am Nachmittag an ihrem Fenster. Ihre dunkelblonden naturgelockten Haare waren zu einer adretten Frisur in Form gebracht. Auf ihren zarten Schultern war ein Hauch von Musselin zu sehen, ihre dicke Wollunterwäsche konnte soviel Wärme spenden, dass ihr nicht kalt zu werden drohte. Wenn die Nachricht überbracht war wollte sie sich schnell in ihr Hauskleid begeben, welches deutlich mehr wärmende Schichten vorwies. Was gerade ihre schnell frierende Halspartie dankbar aufnehmen würde. Endlich waren die drei Körper in der Ferne auszumachen. Elisabeth legte ihr Opernglas beiseite und wappnete sich. Nach einer gefühlten Unendlichkeit konnte sie endlich im passenden Moment das Papier auf das Fensterglas legen. Sie versuchte den Blick ihres geliebten Unbekannten mit ihren Augen einzufangen. Doch keiner der drei beschäftigten Männer würdigte sie eines Blickes. Verdammt, was sollte sie nur tun? Wenn sie ans Fenster klopfte oder winken würde kämen alle drei Augenpaare auf die Idee zu ihr zu sehen. Schnell lief sie zu ihrem Sekretär und ergriff einen Umschlag.

Sie warf sich einen Mantel über und mümmelte sich in ihren warmen Pelz. Ihre Lederschuhe waren ohne Futter und eisig an ihren kleinen dünn bestrumpften Zehen. Es musste schnell gehen. Sie versuchte sich geschickt anzustellen. „Sir? Ja, Sie da auf den Stelzen! Ich habe hier etwas, das Ihnen aus der Tasche gefallen ist.“, sie klopfte den Brief ab und reichte ihm den Umschlag. „Ich wünsche Ihnen allen einen guten Tag“, sagte sie in distanziertem Ton verlegen davongehend. Sie warf ihren Blick auf den Boden und hoffte, dass der junge Mann schnell begriff worauf die Korrespondenz hinauslief.

Am nächsten Tag suchte sie sich ein lilafarbenes Kleid aus. Festlich war ihr Anlass und nicht nur das. Sie als junge Frau konnte das noch gut tragen. Die einfachen Menschen brachten ihre Puddings und Braten zum Bäcker um die Ecke um sie kochen zu lassen da ihnen zuhause die Gelegenheit dazu fehlte. Für die anstehenden Festtage durfte groß aufgefahren werden. Elisabeth griff zu ihrem Schminkspiegel um die Pigmente ihrer Lippen aufzufrischen. Da sah sie den jungen Mann mit einem Wollmantel bekleidet auf sie zugehen. „Angenehm. Friedrich.“, reichte er ihr die Hand. „Guten Tag. Wie erfreulich, dass sie es einrichten konnten.“, lächelte sie ihn an.

Friedrich war nervös. Die zarten Finger dieser Elisabeth waren himmlisch. Wie auf Wolken hatte er gestern die Nachricht immer und immer wieder gelesen. Mit wild klopfendem Herzen brachten sie es zu Fuß bis zu den Kensington Gardens. Immer wieder suchten sich ihre Blicke und fanden sich. Ein Thema gab das andere. „Weißt du Elisabeth, ich beobachte dich schon länger.“ gestand er ihr unmittelbar. „Hmm.“ erwiderte sie mit hochgezogener Braue, eine Hand in die Hüfte gestemmt. „Komm mit.“, flüsterte Elisabeth und zog ihn mit ins Dickicht. Kaum hatte sie ihn hinter eine dicke Eiche gezogen. Hauchte sie ihm seinen Kuss auf. Er war wie elektrisiert. Sie war an seinem Hals, spielte mit seiner Zunge. Den Knöpfen an seinem Oberkörper und fand sich sogar schnell an seiner hitzigen Mitte ein. „Elisabeth. Wir können doch nicht.“, sagte er fast brüskiert während er die Lage sondierte. „Du hast recht. Die Nacht bricht herein. Wir sehen uns heute Abend in der Küche. Ich lass die Dienstbotentür offen. Du musst los.“ hauchte sie ihm einen letzten Kuss auf die Wange und drückte ihn weg.

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