Irgendwo, in einem fremden, unbekannten Land, fern von allen Menschen, soll eine schöne und gütige Königin leben. Da, wo der Wald am dichtesten ist, weit ab von allen Wegen, liegt ihr zauberhaftes Reich. Sie herrscht dort über alles Leben. Der wilde Bär frisst zahm ihr aus der Hand und wärmt sie mit seinem weichen Fell wenn mit der Dämmerung die Kühle der Nacht den Wald durchdringt. Eichhörnchen suchen Nüsse ihr, Vögel fliegen aus nach Beeren und Früchten, und sogar die mächtigen Eichen beugen sich, um sie mit schattigen Zweigen vor großer Hitze so gut als wie vor Regen zu schützen.
Am Tage führen Gruppen von Libellen und Schmetterlingen in ihrer schönsten Pracht zauberhafte Tänze vor ihr auf, ein ganzes Orchester von Vögeln, Fröschen und anderen musikalischen Tieren sucht ihr mit immer neuen Kompositionen auf?s Herzlichste zu gefallen. Am Abend singen Grillen sie behutsam in den Schlaf. Und wenn sie dann schläft, schweigt der Wald, um ihren Schlummer nicht zu stören. Des Tages lehnt sie auf einem Thron aus dunklem, weichen Moos, teilweise verdeckt von einem breiten Fluss goldenen Haares, von dem die Sonne in hellem Glanze wiederstrahlt. Ihr Haupt ziert eine Krone aus weißen Rosen, auch das Kleid ist geschmückt mit den schönsten Blüten, und auf der Lehne ihres Thrones ruht ihre kleine, zarte Hand, deren weiße Haut wie ein helles Leuchten auf dem dunklen Grün des Mooses liegt. Ihr Gesicht ist wie ein Tag voll Sonne und ihr Mund trägt ein Lächeln, das alles um sie her verzaubert.
Doch wie der Wald im Sonnenschein auch finstre Schatten wirft, in denen sich aus List und Furcht so manch Getier verbirgt, so hat ihr liebes Angesicht, von Schönheit so helle strahlend, ein dunkles Augenpaar, in denen Wolken, Blitz und Wind und Fuchs und Wolf lebendig sind.
Und wehe dem Wanderer, der sich in diesen Wald verirrt. Sobald er die Königin erblickt, schwindet all sein Hoffen, all seine Wünsche, seine Träume, alles was ihm einst Glück und Freude war, was er als seinen größten Schatz im Herzen trug, es schrumpft und verblasst durch die Macht der Königin, und er lebt nur durch ihr Lächeln, zehrt Nahrung nur aus ihrem Anblick, verschmachtet, verträumt und vergeht.
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