Der Gefangene

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Der Gefangene

Der Gefangene

Yupag Chinasky

Die Träume die ihn in den nächsten Stunden heimsuchten, waren schrecklich. Er wachte mehrfach auf, konnte sich aber nicht lange wach halten und war sofort wieder weggetreten. Es war ein unendlicher Alptraum, der ihn nicht mehr losließ. Im Mittelpunkt der Nachtmar war eine Art Dämon, ein schwarzes Wesen mit einer teuflischen Fratze, das immer dann auftauchte und ihn böse anlachte, wenn er glaubte, er sei einer Situation entkommen. Er fuhr mit dem Auto über eine endlose Piste, als er anhielt, war der Dämon schon da. Er eilte voller Angst durch nächtliche Straßen, als er ein beleuchtetes Haus sah und Zuflucht suchte, stand der Dämon schon vor der Tür und verwehrte den Einlass. Er hielt eine Frau in den Armen, eine helle, blonde, zerbrechliche Elfe, die lasziv ihren halb geöffneten Mund ihm zuwandte, doch als er sie küssen wollte, verwandelte sich ihr Engelsgesicht in diese teuflische Fratze. Er litt, denn zu den Träumen gesellten sich Kopfschmerzen, die er in den kurzen Wachphasen spürte, die ihn aber seltsamerweise in seinen Alpträumen nicht plagten. Dann war da auch noch dieser Harndrang, der ihn selbst in den Traumphasen nicht losließ. Er versuchte immer wieder sein Wasser abzulassen, es gelang ihm nicht, es kam immer etwas dazwischen, zwar nicht der schwarze Dämon, aber irgendwelche Banalitäten, er wurde beobachtet, er fand keinen geeigneten Platz oder wurde vertrieben, Situationen, die man im realen Leben irgendwie meistern kann, die aber in einem Alptraum zu einem fortwährenden Problem anwachsen. Aber irgendwann nahmen die Wachphasen überhand, irgendwann entging er nicht mehr dem realen Schmerz und der reale Drang wurde immer stärker, irgendwann konnte er sich nicht mehr in die Traumwelt flüchten. Er wachte auf, spürte als erstes neben dem dringenden Bedürfnis zu pinkeln seinen sehr trockenen Mund,. Dann erst merkte er, dass es in dem Raum dunkel war, für alles andere brauchte er aber einige Zeit, um sich zu orientieren, um zu wissen, wo er war und was mit ihm los war. Dann fiel ihm die Frau wieder ein, das runde Haus, der große Raum, die Teppiche, das Bier. Und dann fiel ihm ein, dass er ja gehen wollte, dass er wohl seinen Aufbruch verpasst haben musste, sonst wäre er nicht noch hier. Er wollte auf seine Armbanduhr schauen, aber sein Handgelenk war leer. Nun erst merkte er, dass er ganz nackt war, obwohl er sich erinnerte, dass er sich angezogen hatte. Und erst ganz zuletzt, als er aufstehen wollte, um vor die Tür zu gehen, um endlich sein Wasser abzuschlagen und um zu sehen, ob es draußen wirklich Nacht war, kam die schlimmste aller Erkenntnisse, erst dann merkte er, dass er gefesselt war, dass ein Seil an seinen linken Fuß gebunden war. Ein Seil, das sehr fest war, das er nicht abstreifen konnte, dessen Knoten er nicht lösen konnte. Ein Seil, dessen anderes Ende um den Balken geschlungen und mit einem weiteren unlösbaren Knoten an diesem befestigt war. Er zerrte wie wild an dem Seil und an seinem Fuß, aber natürlich vergeblich, dann rastete er aus und schrie, was seine Lunge hergab..

Er schrie, aber niemand hörte ihn. Er versuchte, sich von seiner Fessel zu befreien, aber es gelang ihm nicht. Der Schreck, dem die Wut so lange folgte, bis sie schließlich von der Angst abgelöst wurde, hatte seine Kopfschmerzen zunächst vertrieben, seinen Harndrang aber nicht aus der Welt geschafft, der machte sich nun schon fast schmerzhaft in seinem Unterleib bemerkbar und dazu kam ein staubtrockener Mund und neues Durstgefühl, das ihn quälte. Er hielt es schließlich nicht länger aus, ging bis zum Rand des Bereichs, in dem er sich wie ein Kettenhund bewegen konnte und pinkelte mit einem mächtigen, lang andauernden Strahl in die Dunkelheit. Es plätscherte laut und dann stank es, solch einen Gestank hatte er in seinem Urin noch nie gerochen. Danach war er zwar erleichtert, aber immer noch hilf- und ratlos. Er setzte sich wieder und lehnte sich an den Pfahl, dann schluchzte er erst einmal aus Wut und Hilflosigkeit. Das beruhigte ihn ein bisschen, und er begann, wieder nüchtern zu denken. Als Erstes ließ er die verdammte Situation noch einmal Revue passieren, angefangen von dem mühsamen Weg hoch zu dem Dorf, dann weiter zu dem Brunnen, dessen Wasser er nicht erreichen konnte, gefolgt von der Begegnung mit dieser Frau vor der Haustür. Seine Gedanken beschäftigten sich naturgemäß lange mit ihr, er war wütend auf sie, keine Frage, denn er war überzeugt, dass sie allein es war, die ihn in Schlaf versetzt und gefesselt hatte. Sie hatte ihn verführt und dann hereingelegt und hielt ihn nun wie einen Sklaven gefangen. Wo war das verdammte Miststück? Er würde sie grün und blau prügeln, wenn sie ihm in die Hände geriete, das schwor er sich. Als Nächstes grübelte er über die beiden Getränke nach mit ihrer höchst unterschiedlichen und höchst intensiven Wirkung. In dem ersten Bier, da war er sich absolut sicher, war ein unglaublich starkes, unglaublich rasch wirkendes Aphrodisiakum. Er hatte von Spanischen Fliegen gehört und von Pilzen, hier in dieser verdammten Gegend gab es sicher solche Mittel und diese Hexe kannte sie, da war er überzeugt. In dem Zweiten musste das reinste Barbiturat in hohen Mengen gewesen sein, eine solch intensive und lang anhaltende Wirkung eins Schlafmittels hatte er genauso wenig je erlebt. Aber auch die Wutphase ging vorüber, er wurde ruhiger und dachte wieder in geordneten Bahnen und nun kamen ihm auch die Kopfschmerzen und der Durst wieder mehr zum Bewusstsein, die er eine Zeit lang fast ignoriert hatte, hinzu kam noch Hunger, es musste eine Weile her sein, dass er zuletzt gegessen hatte und wer weiß, wie lange er hier schon ohne Bewusstsein gefangen war. Von dieser Hexe würde er auf keinen Fall ein weiteres Getränk oder gar eine Speise annehmen, lieber würde er verdursten und verhungern, schwor er sich. Um sich abzulenken, inspizierte er, allein auf seinen Tastsinn angewiesen, die Umgebung, besonders gründlich die beiden Knoten, den an seinem Fußgelenk und den an dem Pfahl. Sie mussten sehr geschickt geknüpft worden sein, denn es gab ausreichenden Abstand zwischen dem Seil und sowohl dem Fuß als auch dem Pfahl, aber heraus schlüpfen konnte er nicht, so sehr er sich auch anstrengte und zerrte und seinen Fuß verkrümmte. Und natürlich konnte er sie nicht lösen, so sehr er sich auch bemühte, es war einfach unmöglich. Vielleicht bei Licht, dachte er, aber wann würde es hell werden? Er erinnerte sich, dass das Sonnenlicht aus den kleinen Fenstern unter dem Dach in den Raum gekommen war und natürlich durch die Tür, die seltsamerweise die ganze Zeit offen gestanden hatte, auch als sie diesen irren Sex gehabt hatten. Es war wenig Licht im Raum gewesen, obwohl es heller Nachmittag war, aber jetzt war es ganz dunkel, ohne den geringsten Schimmer, es musste Nacht sein. Als er an diesen ausufernden Sex dachte, überkam ihn auf einmal die Schreckensvision, dass er sich angesteckt haben könnte, mit Aids, mit Syphilis oder auch nur mit einem hartnäckigen Schanker. Warum war er so dumm gewesen, diese Frau ungeschützt zu vögeln, sie überhaupt zu vögeln? Sie war eine Hexe, keine Frage. Er fingerte an seinem Glied herum, aber er fühlte nichts Ungewöhnliches und spürte auch keinerlei Schmerz, bis auf das blöde Kopfweh natürlich, das aber sicher von dem verfluchten bitteren Gesöff herrührte, zum Glück aber langsam abnahm. Dafür spürte er etwas anderes immer noch ganz deutlich, jetzt, da er etwas zur Ruhe gekommen war, es waren die Nachläufer dieser ungewöhnlichen, überbordenden Erregung, der er beim Liebesakt hilflos ausgeliefert war, sie schienen immer noch in seinem Körper vorhanden zu sein und ein seltsames Gefühl des Wohlbehagens zu verbreiten. Das war lächerlich, in seiner Situation Wohlbehagen. Aber ihm viel kein anderes Wort ein. Und in seinem Kopf, das musste er zugeben, wollte der Gedanke, dass diese Frau abgrundtief schlecht war und nur das Schlimmste für ihn wollte, einfach keinen Platz finden. Seltsam, dachte er, es war, als ob sie ihn immer noch verhexen würde, als ob sie immer noch Macht ausüben würde. Gewissermaßen war es auch so, denn die Hoffnung, die ihm blieb, war sie, allein sie konnte ihn befreien. Wer denn sonst? Diese Frau müsste ja irgendwann wieder kommen und es müsste ja auch wieder Tag werden. Er müsste mit ihr reden, aber sie verstand ihn ja gar nicht. Nein, reden ging nicht, er würde ihr Geld anbieten oder seine Uhr, aber beides hatte sie sicher schon an sich genommen, bei dem Herumtasten im Dunkeln hatte er seine Kleidung nicht entdeckt und damit auch nicht sein Taschenmesser, das er dringend gebraucht hätte. Er müsste ihr etwas bieten, was auch immer es sein könnte, und ihr zugleich versprechen, dass er nicht zur Polizei gehen würde, wie auch immer er diese Botschaft rüberbringen könnte. Die zweite Hoffnung, die er noch hegte, war, dass man in der Lodge sein Verschwinden inzwischen bemerkt haben würde und ihn wohl schon suchen würde. Er hatte zwar nicht gesagt, wo hin er gehen wollte, aber so viele Möglichkeiten gab es nicht. Irgendjemand würde doch auf die Idee kommen, ihn auch in dem verlassenen Dorf zu suchen, aber, so die nüchterne Einsicht, wer würde schon freiwillig den Weg hochsteigen, nur um ihn zu suchen.

Die immense Wut, das sinnlose Gezerre an seiner Fessel, das vergebliche Nachdenken, die pure Verzweiflung, all das hatte ihn müde gemacht. Er saß auf dem Fußboden, mit dem Rücken an den verdammten Pfosten gelehnt, halb im Tran, halb wach, als auf einmal ein leises Quietschen ertönte, die Haustür ein wenig geöffnet wurde und das frühe Licht des Morgens das Dunkel ein wenig erhellte. Er war sofort hellwach und sah als Erstes, dass niemand von außen die Tür geöffnet hatte, sondern dass die Frau sie von innen aufgestoßen hatte. Diese verdammte Hexe war die ganze Zeit in dem Raum gewesen, er hatte sie nicht bemerkt, nichts gehört, keinen Atemzug, nichts gerochen, nicht einmal das unbestimmte Gefühl, das man hat, wenn man nicht allein ist, nicht einmal das hatte ihn gewarnt. Sie hatte alles mitbekommen, seine Wut, seine Verzweiflung, seine Stummheit, sein Schluchzen. Diese verdammte Hure hatte ihn leiden lassen, hatte sich daran ergötzt, dass er litt, dass er ihr Gefangener war. Einer seiner ersten Gedanken war, jetzt will sie wieder Sex, nur darum hat sie ihn hierbehalten, nur darum will sie ihn ihrer Nähe und jederzeit verfügbar haben, wie ein Schoßhündchen. Dieser Gedanke empörte ihn und brachte sein Blut zum Wallen. Er, der Sexsklave einer afrikanischen Nutte, das war unglaublich, das war zum Lachen, niemand würde diese Geschichte glauben, aber es war wahr, es war leider eine Tatsache und seine Vorahnung sollte sich alsbald bestätigen. Die Frau öffnete vollends die Tür und ging schnell hinaus, bevor etwas sagen, bevor er sie anschreien konnte, ließ sie aber weit offen. Er roch die frische Luft, die sich in der Nacht abgekühlt hatte und es gelangte immer mehr Licht in den Raum, da es in diesen Breiten am Morgen genauso schnell hell wird, wie abends die Nacht hereinbricht. Dann kam die Frau wieder in das Haus. Sie hatte sich nicht verändert, trug dasselbe bunte Kleid und strahlte ihn, wie beim ersten Mal, mit freudigem Gesicht an. Ihr Lächeln offenbarte das pure Glück, das sie wohl empfand, anders konnte man es nicht ausdrücken und dieses Glück war das krasse Gegenteil zu seinem Unglück. Erst beherrschte er sich noch, fragte in halblautem Ton, warum sie in gefesselt habe. Sie sagte wieder kein Wort, obwohl er überzeugt war, dass sie sprechen konnte, schließlich hatte sie in der heißen Phase ihrer Lust laut gestöhnt und danach leise geflüstert. Sie war nicht nur eine Hure, sondern auch eine Heuchlerin. Die Beherrschung verlor er, als er an ihrem Handgelenk, eingebettet zwischen zahlreichen Armreifen, seine Armbanduhr entdeckte. „Du Miststück“, schrie er, „du falsche Schlange, du Diebin, lass mich endlich frei. Ich habe genug von dir. Das Spiel ist aus, merkst du das nicht?“ Sein Gebrüll zeigte aber nicht die geringste Wirkung, trotzdem fuhr er fort. „Du hast deinen Spaß gehabt, ok, aber jetzt ist es genug. Komm, mach den verdammten Knoten auf oder gib mir mein Taschenmesser. Ich will weg, mir reicht es.“ Eine Fülle von Flüchen und Beschwörungen folgte. Er schrie auch deswegen so laut er konnte, weil er hoffte, dass ihn draußen jemand hören würde. Es war doch nicht möglich, dass dieses Weib ganz allein hier wohnte. Irgendjemand musste doch auch noch in der Nähe sein und ihn hören. Und wo war der Suchtrupp? Er musste doch auch dessen Aufmerksamkeit auf sich lenken. Er schrie so lange, bis er heiser wurde. Die Frau blieb neben der Tür stehen und hörte ihm gleichmütig zu. Sie versuchte ihn weder zu beruhigen, noch zu unterbrechen, nicht einmal die Tür machte sie zu, sie schien diesen Ausbruch erwartet zu haben. Als er einfach nicht mehr schreien konnte, machte sie die Gebärde des Trinkens und sofort fiel ihm ein, dass er schon wieder großen Durst hatte. Erst wollte er empört ablehnen, auf keinen Fall noch so einen Teufelstrunk, dann aber nickte er resigniert, er brauchte Flüssigkeit und nur sie konnte ihm welche geben.
Die Frau ging in weitem Bogen um ihn herum, sorgfältig darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen, ging wieder in den Nebenraum und kam mit demselben Krug zurück, wie am Vortag. Er fragte, ob das Wasser sei, er wolle Wasser, nur klares Wasser, kein verdammtes Bier. Wie konnte er ihr das nur verständlich machen? Sie lächelte und stellte den Krug in seine Reichweite. Er ergriff ihn und roch daran. Bier! Er stellte ihn wieder auf den Boden. Er würde eisern bleiben, noch einmal würde sie ihn nicht hereinlegen. Aber der Gedanke, dass da etwas Trinkbares in Reichweite stand, etwas was seinen Durst stillen konnte, quälte ihn allmählich mehr, als der Durst selbst und irgendwann konnte er sich nicht mehr beherrschen. Zudem fragte er sich, ob ihm überhaupt noch etwas Schlimmeres zustoßen konnte, als das was schon eingetreten war und das war nur zum Teil schlimm. Er nahm schließlich den Krug und trank in großen Zügen und leerte ihn fast, ohne abzusetzen. Diesmal kam ihm das Gebräu sogar richtig köstlich vor. Er setzte sich wieder hin und wartete. Auch die Frau hatte sich hingesetzt, immer noch außerhalb seines Bewegungskreises und wartete ebenfalls. Beide wussten, auf was sie warteten und das trat, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, auch prompt ein und es war genau derselbe Effekt wie am Vortag. Er fühlte sich schon bald sehr stark und auf einmal war seine missliche Situation zweitrangig. Sein sexuelles Begehren war schon bald im Mittelpunkt seines Denkens und Fühlens und es stieg stetig an. Sein Penis erigierte, diesmal voll sichtbar, und alles war er wollte, war nur noch sich auf dieser Frau zu stürzen, sie zu vögeln, noch einmal dieses grandiose Erlebnis zu haben, noch einmal diese totale, hemmungslose Lust zu spüren. Und genau das wollte sie sicher auch, obwohl sie immer noch ganz ruhig da saß, aber irgendwie merkte er es ihr an. Irgendeine Botschaft schienen die beiden Körper auszutauschen, die sein Gehirn nicht mitbekam. Während die Lust immer mächtiger wurde, kam er sich wieder wie ein hilfloses Spinnenmännchen vor, das genau wusste, dass es von seinem Weibchen aufgefressen würde, sobald er seine biologische Pflicht erfüllt hatte. Aber die Natur war stärker als sein Wille und er würde sogar dieses Opfer bringen, wenn es sein müsste. Er mutierte von einem normalen Mann zu einem Begattungsautomaten, der losratterte, weil seine Besitzerin eine Münze eingeworfen hatte, in diesem Fall einen Krug Bier hinein geschüttet hatte.

Dir Frau wartete noch eine Weile, bis sie sicher war, dass er voll in ihrem Bann war und den Pfad ohne Umkehr betreten hatte, dann zog sie sich aus, streifte wieder mit einer schnellen Bewegung das Kleid über den Kopf, dann kam sie zu ihm und legte sich auf das Lager, auf dem er geschlafen hatte. Nun hätte er seine Wut befriedigen können, sie windelweich schlagen können, sie mit nackter Gewalt zwingen können, die Fesseln zu lösen und ihn gehen zu lassen. Er hätte jetzt all das machen können, was er sich in der unendlichen Nacht überlegt und vorgenommen hatte. Er fühlte sich stark genug, selbst diese starke Frau zu bezwingen. Doch nichts dergleichen geschah. Wie ein braver Hund, der von seinem perversen Frauchen auf Sexualpraktiken abgerichteter worden war, besprang er sie, die mit breiten Beinen auf dem Rücken lag und ihn sehnlichst erwartete. Und es begann exakt dasselbe Spiel wie am Vortag. Der wilde Akt setzte ein ohne jegliches Vorspiel, dafür fand wieder ein ausgiebiges Nachspiel statt, mit Freudentränen und heftigem Schluchzen. Er verstand die Welt nicht mehr, er verstand sich selbst nicht, und diese Magierin verstand er sowieso nicht, nur ihre Absicht war ihm klar, sie wollte ihn als Begattungsmännchen gefangen halten. Das verstand er sehr wohl. Sie hatte sich, nachdem auch sie sich beruhigt hatte und ihn zärtlich, ja wirklich überaus zärtlich geküsst und gestreichelt und angestrahlt hatte, wieder angezogen und war in den Nebenraum gegangen und wieder mit einem vollen Krug zurückgekommen. Er schaute sie böse an und schüttelte den Kopf. Nein, das ist unmöglich, sagte er. Ich kann doch nicht schon wieder und schlafen will ich auch nicht. Sie schien ihn verstanden zu haben, denn sie lachte, schüttelte ihrerseits den Kopf und nahm ein paar lange Schlucke aus dem Krug. Ein Schlafmittel konnte wohl kaum darin sein. Zögernd nahm er den Krug, den sie ihm nun reichte, roch an der Öffnung und probierte erst einmal einen kleinen Schluck. Es war Wasser, zwar nicht sehr frisch und schon gar nicht kalt, aber klares Wasser ohne den geringsten Nebengeschmack. Er trank und trank, bis der Krug leer war. Die Frau war nicht mehr da, aber er hörte, wie es in der Küche, in diesem Anbau musste die Küche sein, klapperte und schon bald roch er den köstlichen Duft von irgendwelchem gebratenen Gemüse. Kurz darauf brachte sie eine große Platte mit allerlei Köstlichkeiten, jedenfalls empfand er die Vielfalt an gebratenem Gemüse so und stellte sie ziemlich genau auf die Grenze seines Bewegungskreises. Bei aller Liebe, die in ihren Augen schlummerte, war sie vorsichtig und sich nicht sicher, was er tun würde. Erst wollte er das Essen verweigern, wie er es sich in der Nacht vorgenommen hatte, aber dann ging es wie mit dem Trinken. Allein der Duft des gebratenen Gemüses ließ ihn schwach werden. Sie aßen gemeinsam, er musste sich sogar gestehen, dass es sehr gut schmeckte, und tranken einen weiteren Krug Wasser. Dann versuchte er ihr in aller Ruhe klarzumachen, dass sie ihn freilassen sollte, dass sie den verdammten Knoten lösen sollte, dass sie ihm sein Messer geben sollte, sein Taschenmesser, das sie wohl an sich genommen hatte, wie seine Uhr. Sie lächelte und schüttelte den Kopf, das Zeichen der Verneinung galt wohl auch hier. Wie könnte er ihr klarmachen, dass er bereit wäre, jedes Lösegeld zu zahlen? Wie konnte er ihr zu verstehen geben, dass er sie nicht bei der Polizei anzeigen würde, wenn sie ihn umgehend freiließ? Wie konnte er einfach an ihr Mitgefühl appellieren, an ihren weiblichen, mütterlichen Instinkt? Worte waren vergeblich, das hatte er nun, weiß Gott, gemerkt. Da kam ihm eine andere Idee. Mit entsprechenden Gesten und dramatischer Mimik machte er ihr klar, dass er ganz dringend kacken müsste und dazu müsste er ins Freie gelangen, er könnte das ja nicht in der Hütte machen. Sie verstand ihn sofort, lachte wieder recht herzlich, stand auf, ging in den Anbau und kam mit einem Plastikeimer zurück, den sie in den Kreis stellte. Er war wütend, dass sein Plan wieder nicht aufging. Sie interpretierte seine Wut in der Weise, dass noch etwas fehlen würde, ging noch einmal hinaus und brachte ihm einen alten, dreckigen Lappen. Er war wohl als Ersatz für Klopapier gedacht, das es hier natürlich nicht gab. Er resignierte, schämte sich aber sein Geschäft im Beisein der Frau zu verrichten, aber sie dachte gar nicht daran, ihn zu verlassen. Sie hockte sich an die Hauswand und beobachtete ihn ohne Unterlass. Nach einer ganzen Weile des Widerstand, spürte er aber ein Rumpeln und Pumpeln in seinen Gedärmen, wahrscheinlich kam das von dem ungewohnten Gemüse, und er musste nun tatsächlich das machen, was er ursprünglich nur vorgegeben hatte und zwar immer dringender, wie es bei einem ordentlichen Durchfall nun man der Fall ist. Er überwand sich und hockte sich über den Eimer, der Frau den Rücken zugewendet. Diese sah auch bei diesem Akt zu, geduldig, mit großer Freundlichkeit und ungeschmälertem Interesse. Seine Notdurft schien sie überhaupt nicht zu genieren, sie nahm freundlich den vollen Eimer und ging ins Freie, um ihn irgendwo zu entleeren.

An dem wandernden Lichtfleck, den die Sonne durch die offene Tür warf, merkte er, wie die Zeit verging und dass es schon wieder auf den Abend zuging. Der Ablauf des restlichen Tages war dadurch bestimmt, dass er noch einmal etwas zu essen bekam und dann war es draußen schon fast dunkel und der Krug mit dem Hirsebier kam und seine Verwandlung von einem Gefangenen in einen Sexautomaten begann. Es geschah das, was immer geschieht, wenn man Geld in einen Automaten wirft. Nach dem nun dritten Liebesakt, dessen Hauptteil fast exakt wie bei den beiden ersten Malen ablief, nur das Nachspiel war variantenreich und höchst ergiebig, brachte die Frau die Kissen und Tücher und Decken wieder in Ordnung und bereitete unter vielen Küssen und Zärtlichkeiten sein Nachtlager vor. Dann schloss sie die Tür und nun war es stockdunkel und die zweite lange Nacht begann. Er hörte wieder nichts von dieser seltsamen Frau, die aber in demselben Raum war wie er, sie machte keinen Mucks, rührte sich nicht, er hörte keine Atemgeräusche, nichts und er überlegte sich, ob sie überhaupt aus Fleisch und Blut war und ohne zu Atmen leben konnte und stundenlang in einer Stellung ausharren konnte ohne sich zu bewegen. Dann machte er sich auch noch Sorgen, dass sein Körper dieses Übermaß an Anstrengungen, diese wilden Sexorgien, nicht lange aushalten könnte. Er würde bestimmt Schaden nehmen und monatelang nicht mehr richtig vögeln können, wenn sie ihn je gehen ließe. Solange er hier war, davon war er überzeugt, würde sie dafür sorgen, dass er funktionierte. Sie hätte die richtigen Mittel und die Macht und das Wissen, all das, was eine Hexe ausmacht. Es war so, sie war eine Hexe, eine riesige Spinne, die ihn aussaugte, die alle Kraft aus seinen Lenden in sich aufnahm. Die nur lebte, weil sie Männer tötete, und zwar auf subtile, höchst angenehme weise, indem sie sie zu Tode vögelte. Ein angenehmer Tod, dachte er sarkastisch, besser als eine lange Krankheit oder ein schwere Unfall. Zu Tode gevögelt werden, wer hatte das schon einmal gehört? Ein Bild fiel ihm ein, das er vor Jahren einmal in einem Buch gesehen hatte. Ein Häuptling in Afrika, ganz mager, spindeldürr, total verhärmt, daneben seine fetten, runden, glücklichen Weiber und umrundet von zahllosen Kindern aller Altersstufen. Genau so würde es ihm gehen. Er würde immer magerer, bis er schließlich krepieren würde, sie immer fetter, immer geiler. Eines Tages wäre er tot, vielleicht während des Liebesaktes gestorben, auf dem Höhepunkt, welch eine grandiose Vorstellung. Dann würde sie ihn entsorgen, den Hyänen zum Fraß vorwerfen, in der Savanne verscharren und sich den nächsten, nichtsahnenden, unbedarften Touristen angeln. "Welch schöne Aussicht", waren seine letzten sarkastischen Gedanken, bevor er dann doch irgendwann einschlief. Diesmal quälten ihn keine Alpträume, nur eine große Leere und Verzweiflung packten ihn, wenn er zwischendurch aufwachte. Am nächsten Morgen dasselbe Ritual: Essen, Hirsebier, Sex. In den langen Phasen dazwischen grübelte er nach, worin das Geheimnis bestand, dass er jedes Mal prompt in diesen sexerregten Ausnahmezustand verfiel, alles andere vergaß und sich, wie wild auf diese Frau stürzte. Und natürlich überlegte er sich, wann sie endlich genug hätte und ihn gehen lassen würde. Oder würde sie, er wurde bleich vor Schreck, ihn vergiften oder auf andere Weise töten, weil sie nicht riskieren konnte, dass diese unglaubliche Geschichte ans Tageslicht kam? Zwischendurch schlich sich auch noch ein anderer, seltsamer Gedanke in sein Hirn. Er überlegte sich, wie es wäre, für immer hier zu bleiben, für den Rest seines Lebens. Der Sex mit dieser Frau war unbeschreiblich und übertraf alles, was er je erlebt hatte und er war sich sicher, dass er nie, niemals so etwas noch einmal, an anderer Stelle, mit einer anderen Frau erleben würde. Da musste er diesem Typ in der Bar recht geben, der ihn ja erst auf die Idee gebracht hatte, das verdammte Dorf aufzusuchen. Ein Leben für den Sex und für die Liebe, denn bei aller Wut, die er auf diese Frau hatte, konnte er einfach nicht vermeiden, dass sie ihn anzog, dass es fast so war, als ob er verliebt war. Oder war er das sogar? Ihr Anblick beruhigte ihn, statt ihn wütend zu machen. Ihre Liebkosungen und Zärtlichkeiten, ihre unglaublichen Küsse, ihre gekonnte Stimulation seines Penis, falls er noch nicht so weit war, all das erregte ihn, denn alles, was sie mit ihm machte, hatte ein hohes Suchtpotential. Er wartete begierig auf die körperlichen Vereinigungen und diese sagenhaften Nachspielphasen, diese Verdrehung der üblichen Abläufe. Die Vereinigung mit dieser Frau war wirklich das, was man einen einsamen Höhepunkt nennen konnte, weil jedes Mal ein Superorgasmus eintrat, regelmäßig und immer synchron, gefolgt von einem tiefen Gefühl der Befriedigung, der absoluten Zufriedenheit, der abgrundtiefen Zärtlichkeiten. Ein Gefühl, das solange anhielt, bis er merkte, dass diese verdammte Fessel immer noch an seinem Fuß war, dass seine Freiheit dahin war, dass er nur lebte, weil sie es wollte, weil sie ihn brauchte. Dann wurde er wütend, aber nur für kurze Zeit, denn gleich darauf kam sie und brachte ihm zu essen und zu trinken oder kraulte ihn am Kopf, zeigte ihm ihre prallen Brüste oder ihre ewig feuchte, tiefschwarze Muschi mit diesem hellroten Sehnsuchtsort, den er seltsamerweise noch kein einziges Mal mit seinen Händen berührt hatte. Das, was sie an Nahrung brachte, war im Übrigen sehr gut und abwechslungsreich. Denn ab und zu verließ sie das Haus, blieb lange weg, und wenn sie zurückkam, hatte sie Brot und Früchte und manchmal luftgetrocknetes Fleisch oder seltsam schmeckenden Käse in ihrem Korb und einmal, er wollte es nicht glauben, sogar ein paar Dosen richtiges Bier, die sogar, welch ein Wunder, einigermaßen kühl waren. Die Marke war genau dieselbe wie die in der Lodge im Tal. Daraus schloss er, dass sie hinab ging, um für ihn Nahrung zu besorgen und natürlich für sich selbst, obwohl er glaubte, dass sie durchaus in der Lage wäre, allein von der Liebe zu leben, von all den Kräften, die sie auf geheimnisvolle Weise aus den Männern saugen konnte. Er hatte, wenn der Höhepunkt erreicht war, nicht nur dieses Gefühl, dass sein Samen ihren Uterus füllte, sondern dass er auch noch mehr verlor, Schweiß allemal, aber auch irgendein Fluidum, das direkt von seiner Haut in ihre übertrat. Er wusste, dass das Blödsinn war, schließlich war er Naturwissenschaftler und kein Märchenerzähler, aber das Gefühl war nun einmal da, auch wenn es nicht wirklich geschah.
Es waren unglaubliche, seltsame Stimmungsschwankungen, denen er unterlegen war, wenn er, an den Pfahl gelehnt, auf die Höhepunkte wartete. Doch so langsam die Zeit dann verstrich, so schnell verrann sie, wenn die Frau bei ihm war. Sie war zwar meistens in seiner Nähe, aber ihre körperliche Nähe spürte er immer nur bei diesen Akten und den langen Nachspielen. Er hatte einerseits den dringenden Wunsch zu fliehen, die Freiheit wieder zu erlangen, dieser anfangs quälenden Langeweile, die er überhaupt nicht gewohnt war, zu entrinnen und natürlich auch tun und lassen zu können, was er wollte. Andererseits dieses Opium, Heroin, Kokain, Speed, Hasch, diese Sucht erregende Mischung, die sie ihm mit ihren Zärtlichkeiten und ihrem ungestümen, ungehemmten, maßlosen Sex bot. Diesem unglaublichen Sex,, den sie mit großer Regelmäßigkeit mindestens zwei Mal am Tag einforderte und austeilte. Er war überzeugt, dass sie es auch noch öfters tun würde, dass sie jederzeit für eine zusätzliche Nummer bereit war, es aber nicht forderte, um ihn zu schonen, um ihn möglichst lange voll funktionsfähig bei sich zu haben. Wenn er das Bier getrunken hatte und sie ihn, mit allerlei Gesten, obszönen Bewegungen, mit wollüstigem Lecken ihrer Lippen bis zur Schaustellung ihrer primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, vorbereitete und erregte, ein bisschen Vorspiel, ein bisschen Anregung brauchte er schon, war er sich sicher, dass der ihr die zusätzlichen Freuden sogar geben konnte, denn auch sein Körper war unglaublich, seine Kräfte schienen endlos zu sein und das war nichts anderes, als ein gewaltiges Wunder. So musste es Drogensüchtigen gehen, dachte er, die den ganzen Tag herumlagen und nur auflebten, wenn sie ihren Schuss oder ihren Joint oder was auch immer, in sich hatten. Er war auf dem besten Weg, ein Sexjunkie zu werden und sich vor der Freiheit sogar zu fürchten und sie gar nicht mehr zu wollen. Seine Angst bestand nun darin, dass sie seiner überdrüssig werden konnte, dass diese Frau von ihm genug haben könnte und Abwechslung haben wollte, einen anderen, unverbrauchten Touristen, der sich in ihrem Netz verfing. Er fürchtete allen Ernstes, dass sie ihn irgendwann einfach entsorgen würde, abmurksen, vergiften, Letzteres konnte sie bestimmt gut, die Mittel hatte sie mit Sicherheit. Und die zweite Angst war die, dass sein Körper das alles nicht mehr mitmachen würde, dass er bald völlig ausgelaugt wäre, dass auch das mysteriöse Hirsebier nicht mehr helfen würde und dass dann genau derselbe Akt der Entsorgung eintreten würde. Das Gefühl der Überforderung trat regelmäßig ein, wenn er an seinem Pfahl saß und warten musste. Die Langeweile ging einher mit der Versagensangst. Dass er von ihr tatsächlich freigelassen würde, damit rechnete er schon gar nicht mehr, genauso wenig, dass ihn jemand suchen, finden und befreien könnte. In dem Dorf schien sonst niemand zu wohnen und die Leute aus der Lodge hatten ihn vermutlich schon längst abgeschrieben oder noch gar nicht bemerkt, dass er nicht mehr da war, auch das war möglich, obwohl die Lodge nicht sehr groß war und zumindest das Zimmermädchen sich wundern müsste, dass sein Bett schon seit Tagen unbenutzt war. Und doch kam er wieder frei und die Phase des Entzugs war genauso schrecklich, wie die Gefangenschaft. Die Freiheit war genauso schlimm, wie die absolute Nüchternheit für einen Heroinabhängigen, der von jetzt auf nachher keinen Stoff mehr bekam und vom super heroe, dem großartigen Held, der alles konnte, zum cold turkey, dem Junkie, der all den Entzugserscheinungen seiner Sucht hilflos ausgeliefert ist. Er mutierte vom Sexautomaten zum super Zölibat, vom relativen Himmel in die absolute Hölle.

Später, als er in der Lage war, über diese unglaublichen Ereignisse mit gebührender Distanz nachzudenken, eine Geschichte die ihm, nebenbei bemerkt, in der Tat keiner glaubte, alle, denen er sie überhaupt erzählte, waren überzeugt, dass er ein paar Tage in einem permanenten Drogenrausch verbracht hatte, später also, war er sich gar nicht sicher, was eigentlich zu seiner Freilassung geführt hatte. Hatte die Frau vielleicht nach diesen intensiven Tagen genug Sex bekommen? Funktionierte bei ihr so eine Art Vorratsspeicherung? Beim Nachrechnen und Rekonstruieren kam er zu dem Schluss, dass er mindestens 5 und höchstens 7 Tage und Nächte in der Hütte verbracht hatte, das Gefühl für die Zeit war ihm schon bald verloren gegangen, auch das ein höchst seltsames Phänomen, auch das ein Teil ihrer Hexerei, wie er vermutete. Hatten seine Kräfte nachgelassen und sie hatte das gespürt, ohne dass er selbst sich dessen bewusst war? Er hatte jeden dieser vielen Exzesse, dieser vielen Kopulationen als höchst erfolgreich in der Erinnerung. Trog ihn sein Gedächtnis oder gar sein Verstand? Hatte sie vielleicht doch so etwas wie Mitleid empfunden oder war es Langeweile, die sie überkommen hatte, also war er ihr doch überdrüssig geworden? Doch dafür hatte es keine Anzeichen gegeben. Die Frau hatte sich in diesen Tagen absolut nicht verändert. Sie war immer gleichbleibend freundlich und zärtlich und voller Enthusiasmus, der ihm nicht gespielt vorkam. Auch er hatte sich verändert, nicht nur, dass er das Gefühl für die Zeit verloren hatte, auch seine Langeweile kam ihm bald gar nicht mehr so schlimm vor. Er hatte die Zeit zwischen den aufreibenden, ermüdenden Sexualakten einfach damit genutzt, sich nach dieser Frau zu sehnen, sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn sie nach ihm verlangte, sich auszumalen, welche Variationen sie diesmal parat hatte. Allein diese Vorstellungen erfüllten ihn mit Genugtuung und gaben ihm Freude, es reichte jedenfalls, um die Zeit zu überstehen. Denn obwohl der generelle Ablauf immer gleich war, gab es doch im Nachspiel immer Abwechslungen und variantenreiche Überraschungen. Wobei, diese immer von ihr ausgingen. Seine Aufgabe war immer dieselbe. Er musste sich auf sie legen und in sie eindringen, so schnell wie möglich, so lange wie möglich. Die Feinheiten, die Überraschungen kamen dann in dem Nachspiel, das sich in seiner Erinnerung über Stunden erstreckte, vielleicht aber nur Minuten gedauert hatte, mit dem Austausch von Zärtlichkeiten und dazwischen erholsamen Ruhephasen. Er hatte tatsächlich angefangen, sich zu wünschen, es möge so bleiben, der Zustand dieser unendlichen Glückseligkeit möge anhalten, diese unglaublich Leichtigkeit des Seins, nur unterbrochen von dieser wirklich lustvollen Schwerstarbeit, ergänzt durch die köstlichen Mahlzeiten, die ihm immer besser schmeckten, und dem Genuss des Hiresebiers, von dem er nicht genug bekommen konnte. Er wünschte sich tatsächlich, dass er sie nicht mehr verlassen müsste. Mit einem Wort, er war wirklich glücklich. Doch dann trat das Wunder oder, wenn man so will, das Drama seiner Befreiung an einem Vormittag ein. Dann zerbrach diese Magierin einfach sein Glück und warf ihn zurück in seine trostlose Welt. In eine Welt, in der er ohne ihre reichliche Liebe leben musste, ohne die permanente Erfüllung aller erotischen Wünsche und Träume. Sie zerschlug den Automaten brutal mit ein paar Hammerschlägen, in diesem Fall waren es ein paar Schnitte mit seinem Taschenmesser. Dann war er frei und todunglücklich. Nicht dass er sie anflehte, bleiben zu dürfen, nicht dass er noch einmal, ein letztes Mal dieses Bad extremer Gefühle erleben wollte, nein, das nicht, er war schon froh, wieder frei zu sein, sich seine Kleider wieder anziehen zu dürfen, er war die ganze Zeit über nackt gewesen, aber er war zugleich tieftraurig. Zum Abschied umarmten sie sich sehr lange, sie küssten sich ein letztes Mal voller Inbrunst, er griff noch einmal an ihren Busen, den er so sehr geliebt hatte, sie streichelte noch einmal mit ihren rauen Händen sein Gesicht und seine Haare und die Tränen rannen aus ihren Augen und auch aus seinen Augen und der letzte Kuss, den sie einander gaben, wollte schier nicht mehr enden. Aber dann war doch Schluss und er machte sich auf den Weg und meinte, nun das die Entscheidung getroffen war, er müsse beschwingt und verjüngt sein, aber er war es nicht. Er war traurig, aber der Gedanke, umzukehren, sein Gefängnis noch einmal freiwillig aufzusuchen, kam ihm dann doch nicht. Er beachtete weder die Dornen am Wegrand noch die Mücken und war schon bald in der Lodge. Dort musste er feststellen, dass ihn anscheinend kein Mensch vermisst hatte, dass seine Abwesenheit niemandem aufgefallen war, dass sein Zimmer noch frei und alles Gepäck vorhanden war, als ob er nur für ein paar Stunden weg gewesen wäre. Er war etwas enttäuscht und nun begann er sich doch nach seinem Gefängnis zu sehnen und nach dieser unglaublichen Frau, die er verlassen musste.

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Gedichte auf den Leib geschrieben