Der Geist der Dinge

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Der Geist der Dinge

Der Geist der Dinge

Faunus

Es regnete schon seit einigen Tagen. Der spätsommerliche Himmel ist trostlos grau in grau und der Nieselregen zermürbt die Gemüter der Leute, die sich mit Wetterjacken und Regenschirmen durch die Fußgängerzone der mitteldeutsche Kleinstadt hetzen um diesem tristen Wetter zu entkommen. Der Herbst steht schon vor der Tür. Peter sitzt, wie jeden Mittag, im Straßencafé, beobachtet die Leute in ihrem tristen Kampf gegen Regen und Trübsal. Er trinkt seinen Kaffee. Doch plötzlich wandelt sich der triste Kampf in eine wilde Schlacht der besonderen Art.
Sie betritt die Bühne.
Sie ist eine blonde Frau, eindeutig reiferen Alters, die bekleidet mit einem knallroten, wadenlangem und sehr schmal tailliertem Lackmantel natürlich in dazu passenden roten hochhackigen langen Lederstiefeln gut beschirmt durch die Gasse schreitet. Diese Kontroverse ist umwerfend. Sie, eine blonde Venus deren weibliche Figur durch den taillierten Schnitt perfekt gezeichnet wird, deren tanzender Schritt in den hochhackigen Stiefeln von einem wadenlangen, weit schwingendem Unterteil mit jedem Schritt tanzend umschlungen wird, als wenn die Kirchenglocke bei jedem Schritt zwölf schlägt. Jeder Bewegung erhält dadurch einen wundervollen femininen Touch. Der Mantel ist schlicht geschnitten. Kein Gürtel, kein Riegel oder Rückenkoller unterbricht den einzigartigen Verlauf des Lackstoffs von oben bis unten. Dazu ist der Lackmantel, zweireihig in fünf Doppelreihen geknöpft, oben eng und streng geschnitten, so daß das Volumen ihrer Brust in keiner Weise verheimlicht werden kann. Grenzenlos kontrovers wird dies Spiel erst durch die Farbe: Rot. Knallrot, feuerrot, scharlachrot, blutrot. Ein rot, wie das Rot des Kriegsgottes Mars. Dazu dieses Lackmaterial. Es fühlt sich kalt und abweisend an, auch wenn es heißes feuerrot ist. Venus und Mars vereint in einem Wesen. Mehr Herausforderung kann es wohl kaum noch geben. Peter hat vor lauter Aufregung bereits feuchte Hände bekommen, als er zum Finale der Szenerie noch ein gutes Dutzend kleiner Nymphen entdeckt, die wie toll vor Vergnügen am unterem Saum des weit schwingenden Unterteils des roten Lackmantels herum tanzen. Die Saumweite hat bestimmt vier laufende Meter zum Spielen für die Wesen. Nur wenige Menschen schaffen es, nur durch ihr Dasein und ohne zu wissen, daß es dieses Heer der Wesen überhaupt noch gibt, so eine Vielzahl von Nymphen zu begeistern mit ihnen zu tanzen.

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