Kurz bevor er seinen Wohnblock erreichte, fing es wieder an zu regnen, sodass er die letzten paar Meter lachend im Laufschritt zurück legte.
Als er später vor dem Fernseher saß, er hatte sich noch eine Scheibe Brot gemacht, dazu eine Tomate klein geschnitten, die er jetzt Stück für Stück mit der Gabel zum Mund führte und verputzte.
Immer wieder kehrten seine Gedanken zu Luzy zurück. Wie oft hatte er sich schon gewünscht, sie einmal berühren zu dürfen, wenn sie in seinen Bus gestiegen war und nun, heute! Er spürte immer noch den zarten Kuss auf seiner Wange, fühlte die Wärme ihrer Hand und sah ihr verschmiertes Gesicht und konnte doch nur ihre Schönheit wahrnehmen.
Etwas brannte in seiner Brust, was er nicht deuten konnte?
Sein Handy, das er auf dem Tisch abgelegt hatte, lockte ihn. „Schreib ihr!“, flüsterte die innere Stimme. Er griff nach dem Elektroniksklaven, legte es aber mit einer angewiderten Geste wieder hin.
Er kämpfte mit sich: „Du kannst ihr nicht schreiben, noch nicht! Warte noch ein zwei Tage! Was soll sie von dir halten, wenn du schon nach wenigen Stunden dein Versprechen brichst? Du hast gesagt du wirst sie nicht belästigen!“
Maik legte die Fernsehzeitung über sein Handy, damit er es nicht sehen musste.
Doch eine Stunde später, als er nach einem Film suchte und die Zeitschrift nahm, war sein Versprechen vergessen.
Nur wenige Zeilen tippte er und als er zum Schluss schrieb: „Ich mag dich sehr gerne!“ und sofort abschickte, schleuderte er das Handy auf das Sofa, weit weg von seinen Händen. Du bist nicht ganz dicht, schimpfte er mit sich.
Trotzdem wartete er auf Antwort, die aber vorerst nicht kam!
-*-
Luzy
Das Klopfen an der Tür weckte sie abrupt auf: „Luzy, das Frühstück ist fertig, kommst du bitte runter!“ Ihre Mutter klopfte erneut. „Luzy?“
„Ja, ich komme gleich!“, meldete Luzy sich.
Sie streckte sich und setzte sich auf die Bettkannte. Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie fest, dass sie nur noch ihren Slip an hatte. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, sich ausgezogen zu haben.
Sie huschte schnell ins Bad, wusch sich ihr immer noch verschmiertes Gesicht und zog ihren Bademantel über.
Als sie in die Küche trat, schauten ihre Eltern sie mit großen Augen fragend an. Während ihr Vater verständnisvoll lächelte und sich dann wieder mit seinem Ei beschäftigte, blickte ihre Mutter sie todernst mit schmalen Lippen an. „Lass mich nie wieder stehen, wenn ich dich was Frage!“, presste sie hervor.
„Guten Morgen, tut mir leid Ma, aber ich war gestern nicht in der Lage dir Rede und Antwort zu stehen, bin es eigentlich immer noch nicht!“ Sie holte die Kaffeekanne aus der Maschine und goss sich einen Kaffee ein, bevor sie sich an den Tisch setzte.
„Nun rede endlich, was ist mit Norbert?“, fragte ihre Mutter ungeduldig.
„…………der sitzt jetzt im Zug nach München und ich werde ihn nie wiedersehen!“ Luzy nahm einen Schluck ihres inzwischen lauwarmen Kaffees.
Ihre Mutter öffnete den Mund und begann zu sprechen: “Haben wir …..!“
„Stopp Ma, komm mir jetzt nicht damit, `haben wir dir nicht immer gesagt, Norbert ist nichts für dich!´ Es war meine Entscheidung, ich habe ihn geliebt. Es war meine erste große Liebe und ich bin am Boden zerstört und könnte von euch etwas mehr Mitgefühl erwarten.“ Sie erhob sich, füllte ihren Kaffeebecher auf und wandte sich zur Tür.
„Wo willst du hin?“, fragte ihre Mutter im scharfen Ton.
„Ich gehe auf mein Zimmer und möchte heute nicht gestört werden! Ich hoffe ihr bringt dafür Verständnis auf!“
Sie hörte noch, wie sie zu ihrem Vater sagte: „Nun sag doch auch mal was!“
Dann verschloss sie ihre Tür erneut, setzte sich aufs Bett und nahm einen Schluck Kaffee. Zu ihrer eigenen Überraschung brach sie nicht in Tränen aus, sondern nahm ihr Handy und tippte eine Antwort an Maik, nachdem sie sie nochmals gelesen hatte.
„Darf ich zu Dir kommen?“
Es dauerte nur wenige Sekunden, da kam die Antwort!
„Ja, gerne! Ich freue mich auf Dich!“
Wenig später folgte eine zweite Nachricht mit seiner Adresse.
Da sie noch nicht angezogen war, duschte sie schnell und eine viertel Stunde später polterte sie die Treppe runter und kaum war sie an der Haustür, stand ihre Mutter hinter ihr: „Wo willst du jetzt schon wieder hin?“, fragte sie, mit ihrem energischen Tonfall, den sie wohl nie ablegen konnte.
„Raus, es ist mir hier zu eng!“ Sie zog die Haustür geräuschvoll zu und machte sich auf den Weg zu Maik.
Luzy kannte die Straße, in der er wohnte, sie lag direkt am Park und Luzy überquerte sie immer wenn sie im Park joggte.
Zwanzig Minuten später stand sie vor der Haustür und suchte nach Maiks Namen: `Maik Hambrecht´, stand auf dem Klingelschild, doch bevor sie den Knopf drücken konnte summte die Tür. Maik hatte sie schon gesehen.
Er stand strahlend in der Tür und ließ sie an sich vorbei eintreten.
Als er sich zu ihr umdrehte, hing sie plötzlich an seinem Hals und umarmte ihn. Sie klammerte sich an ihn, als wollte sie ihn nie wieder los lassen.
Das leise schluchzen kannte er nun schon und als er sie langsam von sich schob, kullerten wieder dicke Tränen über ihre Wangen.
Ohne großartig darüber nachzudenken, küsste er erst die eine weg und dann die andere. Luzy legte ihren Kopf in den Nacken und bot ihm ihren Mund an.
Maik schaute in ihre, mit Tränen gefüllten Augen und neigte sich dann zu ihr runter und berührte mit seinen Lippen sachte ihren Mund. Unbeschreibliche Gefühle jagten durch ihn hindurch. All seine Empfindungen, die er täglich verspürt hatte wenn Luzy in seinen Bus stieg, wurden mit einem Mal wahr. Er glaubte zu träumen und doch fühlte er ihren Körper, der sich an ihn drängte.
Luzy öffnete ihre Lippen und gab sich ihm genussvoll hin.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sie sich voneinander.
„Warum musstest du wieder weinen? Hast du, was von Norbert gehört?“ Mit dem Daumen wischte er eine einzelne Träne von ihrer Wange und führte sie dann in sein Wohnzimmer. Sie setzten sich nebeneinander auf das Sofa und bevor Luzy etwas sagen konnte, schluckte sie den Klos in ihrem Hals runter, der sich nach der zärtlichen Berührung von Maik gebildet hatte.
„Nein von dem habe ich nichts gehört, meine Mutter nervt! Kein bisschen Verständnis für meine Lage, nur Vorwürfe und dass sie mich ja schon immer vor Norbert gewarnt hätten. Ich bin es leid, mir das Gezeter meiner Mutter anzuhören. Ich muss mir dringend eine Wohnung suchen.“
Sie schaute Maik an, der neben ihr saß und ihre Hand hielt: „Entschuldige, dass ich dich mit meinen Sorgen belaste, aber du bist der einzige Mensch, der mich zu verstehen scheint und dem ich vertraue.“
Maik zog ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss in ihre Handfläche, bevor er ihr antwortete.
„Du kannst mir vertrauen! Alles, was du sagst, bleibt bei mir!“ Dabei machte er eine Handbewegung an seinen Lippen, als wenn er einen Reißverschluss zuziehen würde.
„Möchtest du etwas trinken? Kaffee, Tee, Wasser oder lieber etwas alkoholisches?“
„Oh ja! Ein Kaffee wäre gut, ich habe meinen im Zimmer stehen lassen als ich zu dir kommen durfte!“
Maik erhob sich, zog aber Luzy mit hoch: „Kommst du mit in meine Küche, ich hätte dich gerne in meiner Nähe?“
Luzy lachte: „Misstrauisch? Ich durchwühle schon nicht deine Schubladen, wenn du das Zimmer verlässt.“ Dabei lehnte sie sich an ihn und schaute ihn schelmisch von unten herauf an.
Jetzt lachte auch Maik und legte beide Arme um ihre Taille und presste seinen Unterleib gegen ihren: „Du kannst gerne alles durchsuchen!“ Und schon senkten sich seine Lippen wieder auf ihren Mund. Doch nur ganz kurz, sodass Luzy leise schnaufte, weil es ihr zu wenig war.
In der Küche schaute Luzy sich staunend um, „du hast aber eine schöne Wohnung, wohnst du hier alleine?“
„Ja, ich habe vor knapp zwei Jahren ähnliches erlebt, wie du! Kurz nachdem ich den Kaufvertrag für diese Wohnung unterschrieben hatte, hat meine Freundin mich verlassen, weil ihr die Gegend hier nicht gefiel und ich sie über den Kauf nicht informiert hatte! Deshalb kann ich dich sehr gut verstehen. Ich frage mich bis heute, was an dieser Gegend falsch ist und ich sie hätte fragen müssen? Wir waren weder verlobt noch verheiratet und ich wollte uns nur einen sicheren Hafen schaffen, bei den explodierenden Mieten!“
Während Maik die Kaffeemaschine einschaltete, sagte er zu Luzy: „Kannst du bitte mal zwei Becher aus dem Schrank holen!“, Er deutete auf einen der Hängeschränke! „Und im Schrank daneben müssen auch noch Kekse sein!“
Die Kaffeemaschine blubberte und plötzlich stand Luzy ganz dicht vor ihm, legte beide Hände an seine Wangen und küsste ihn.
Als sie sich voneinander lösten, fragte Maik sie auf einmal: „Willst du nicht bei mir einziehen? Es sind ja drei Zimmer und du hättest ein Zimmer für dich allein, nur Bad und Küche müssten wir uns teilen. Über die Miete werden wir uns schon einig, das sollte kein Problem sein! Was meinst du?“
Bevor Luzy etwas sagen konnte, summte ihr Handy. Sie schaute auf ihr Display und schaute dann Maik an. „Es ist von Norbert, er ist gut in München angekommen und hat von seiner Firma eine Wohnung bekommen, solange bis er eine eigene gefunden hat, darf er dort wohnen! Er fragt, wann ich nachkomme?“
Für Maik brach eine Welt zusammen, soviel Glück und Pech an einem Tag war zu viel. Er drehte sich um und ging ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa. Es dauerte eine Weile bis Luzy sich zu ihm setzte: Willst du wissen, was ich ihm geantwortet habe?“
Sie legte ihm ihr Handy in den Schoß und Maik las:
„Hallo Norbert, was glaubst du wer ich bin?
Du hast mich Deiner Wohnung verwiesen, sagst mir wörtlich, dass ich Deinem beruflichen Werdegang im Wege stehe und jetzt soll ich hier alles stehen und liegen lassen? Unsere Beziehung ist für mich beendet, Du hast mir einfach zu weh getan, das werde ich Dir nie verzeihen! Schreibe mir bitte nicht mehr und rufe mich auch nicht!
Luzy“
Maik schaute sie an.
Aber bevor er etwas sagen konnte, sagte Luzy: „Ich würde sehr gerne dein Angebot annehmen und hier bei dir einziehen.“
Maik erhob sich, „dann komm, ich zeige dir dein Zimmer!“
Er hatte sie an die Hand genommen und schon allein diese Berührung ließ ein wohliges Kribbeln durch ihn hindurch rieseln.
Er hielt vor dem letzten Zimmer neben dem Bad an und bevor er die Tür öffnete sagte er: „Das sollte mal das Kinderzimmer werden, zurzeit benutze ich es noch als Arbeitszimmer, aber das kann ich schnell in mein Schlafzimmer umräumen.“ Er öffnete die Tür und ließ Luzy eintreten.
„Wow, das ist ja ein großes Kinderzimmer!“, sagte Luzy überrascht. Sie schaute sich neugierig um. Weiße Wände und Decke, dazu ein cremefarbiger Teppichboden. Es stand nur ein Schreibtisch mit Computer und einem Bürostuhl davor im Zimmer. An der Wand ein Regal mit etlichen Ordnern. Auf der Fensterbank ein paar Orchideen, ansonsten war der Raum leer.
„Das Zimmer ist ja größer als meins bei meinen Eltern!“
„Du kannst aber sonst auch das Schlafzimmer haben, das ist noch größer. Ich weiß ja nicht wie viele Möbel du hast? Komm ich zeig es dir!“
Er nahm wieder ihre Hand und zog sie mit.
Das Schlafzimmer befand sich auf der anderen Seite des Flurs. Das Doppelbett mit zwei Nachtschränken und der große Kleiderschrank, war alles an Möbeln.
„Sind das alles schöne Zimmer!“, schwärmte Luzy. „Aber mir reicht das Kinderzimmer! Ich muss mir dann erst Möbel kaufen, die Sachen aus meinem ehemaligen Kinderzimmer sind alt und die will ich nicht mitnehmen.“
Sie drehte sich spontan zu Maik um und umarmte ihn: „Du bist einmalig!“, flüsterte sie an seinem Ohr.
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