Das tat er jedoch nicht. Er wartete stattdessen ein Weilchen, ging dann erneut auf die Frau zu und fragte sie nun direkt nach ihrem Preis, fragte sie, was es kosten würde, sie zu ficken. Eine Frau, die sich in einer solch eindeutigen Situation befand, sollte man doch nach dem Preis fragen dürfen, das erschien ihm nicht verwerflich, denn schließlich war sie ja eine Nutte und stand auf dem Hof, um ihren Körper, wenn nicht schon sich selbst zu verkaufen. Die Frage war eigentlich harmlos, aber die Frau brauste auf und empörte sich, vielleicht hatte sie die Direktheit seiner Frage wütend gemacht oder sie fühlte sich verfolgt und gestört. Sie setzte jedenfalls zu einer Schimpftirade an, von der er nur ein paar Bruchstücke verstand, auch wegen der ihm unbekannten Sprache, aber genügend, um zu kapieren, dass er sie beleidigt hatte und gefälligst in Ruhe lassen solle. Die anderen Frauen fingen an, sich für die beiden zu interessieren. Einige lachten, andere gaben Kommentare ab. Auf einmal war im die Situation, in die er sich begeben hatte, höchst peinlich und um sein Gesicht zu wahren und möglichst rasch ungeschoren zu entkommen, das Feld einfach räumen wollte er immer noch nicht, hielt er ihr eine Hand vor das Gesicht, eine Hand mit fünf gespreizten Fingern, eine deutliche Botschaft, so glaubte er, dass er ihr fünfzig Euro geben wollte. Aber sie verstand das entweder nicht oder wollte sich nicht beruhigen, sie hörte nicht auf zu zetern und so kramte er schließlich einen Fünfzig Euro Schein aus seinem Portemonnaie und hielt ihn nun diesen unter die Nase. Sein Anblick und die konkrete Aussicht, ihn bald zu besitzen, beruhigten sie dann doch, hinzu kamen aufmunternde Aufrufe ihrer Kolleginnen. Schließlich nickte sie zustimmend, wenn, wie ihm schien, auch immer noch sehr widerwillig. Er solle ihr seine Zimmernummer nennen, hochgehen und dort auf sie warten, sie würde über den Hintereingang kommen. Er müsse aber noch zehn drauflegen, für das Personal des Hotels, damit sie keine Schwierigkeiten bekäme. Er nickte und wollte gehen, aber sie sagte, den Zehner müsse er ihr gleich geben, den Rest später, „wenn zusammen“, so ihre Worte. Er steckte den Fünfziger wieder ein und nahm dafür einen Zehner und gab ihn ihr. Dann ging wieder zurück durch den dunklen Gang, vorbei an den etwas enttäuschten Frauen, ging zu dem herrschaftlichen Haupteingang, fuhr mit dem quietschenden Lift hinauf in den fünften Stock, merkte, dass er sich wegen seiner eingesetzten Erregung um ein Stockwerk vertan hatte, fuhr wieder eines hinunter und betrat sein wenig schlichtes Zimmer.
Es dauerte nicht lang und er hörte ein leises Klopfen an der Tür und dann war die braune Schöne auch schon in dem Zimmer. Sie kam ihm jetzt noch schöner und begehrenswerter vor, als auf dem halbdunklen Hof. Sie lächelte ihn nun tatsächlich an und sagte, sie hieße Julia und komme aus Marokko, aber mehr würde sie nicht über sich sagen. Stattdessen wollte sie unverzüglich wissen, was er von ihr erwarte. Für fünfzig sei maximal eine halbe Stunde drin, ohne Stellungswechsel, ohne küssen, das gehe sowieso nicht, ohne oral, und wenn er mehr wolle, müsse er mehr zahlen, und wenn er gar nicht wolle, könne sie ja wieder gehen. Sie wartete seine Antwort aber gar nicht ab, sondern forderte ihn auf, ihr den Fünfziger zu geben, denn die Zeit würde laufen, seit sie das Zimmer betreten habe, eine halbe Stunde, mehr nicht. Sehr routiniert und geschäftstüchtig ist diese Kleine, dachte er, und seine Hoffnung auf eine romantische, erotische Nacht in den Armen dieser exotischen Schönheit würde wohl kaum zustande kommen, stattdessen würde sich ihre Zusammenkunft auf einen rein geschäftlichen Deal reduzierten. Geld für Liebe, das war ohnehin klar, aber es wäre noch schlimmer, er würde für genau definierte Teilabläufe bezahlen, eine reine Dienstleistung, die mit Gefühlen wie Liebe gar nichts mehr zu tun hatte, nur noch Sexarbeit war, mehr nicht. Genauso wenig, wie eine Zigarette in der Werbung ein Stück wirkliche Freiheit darstellte oder ein Schluck Bacardi schon ein wildes Abenteuer mit heißen Frauen versprach. Die routinierten Forderungen der Frau ernüchterte ihn so sehr, dass er einen Moment lang versucht war, sie wieder wegzuschicken. Aber ihr Körper, der wirklich sexy war und vor allem ihre Blicke hindere ihn daran. Denn trotz ihrer kühlen Worte, trotz ihrer immer noch ablehnenden Haltung, schaute sie ihn verführerisch an, verschlang ihn geradezu mit verliebten Blicken und er verwarf diesen Gedanken umgehend. Sie war, dachte er, entweder eine sehr gute Schauspielerin, die auch ihre Gefühle perfekt imitieren konnte oder von irgend einem Zuhälter so konditioniert worden, dass diese scheinbare Hingabe zu ihrem Job gehörte und sie ihr verführerisches Verhalten genauso abspulte, wie das geschäftliche, rein mechanisch und ohne viel nachzudenken. Das ärgerte ihn ein wenig, aber nicht sehr, denn er wollte sich einfach nicht vorstellen, dass sie anders war, als das Bild, das er sich von ihr gemacht hatte.
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