Guckkasten

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Guckkasten

Guckkasten

Matthias Mala

Der Ort ist Männersache, so unbedingt wie ein Pissoir. Nur riecht es anders. Nicht so streng nach Salmiak, mehr in die Richtung nasser Hund und darüber die faule Süße billiger Reinigungsmittel.
Eine Zeile roter Kabinen. Manche verschlossen. Gegurgel, Gestöhne, Musik, Gesprächsfetzen. Jajajaa - das einzig Verständliche, was durch die Türen dringt. Darüber rote Lichter.
An diesem Ort meiden sich die Männer. Begegnen sie einander im schmalen Gang, kreuzt sich kein Blick. Sie haben etwas Stures, Getriebenes in sich, sobald sie den Raum betreten. Nur wenige verweilen vor den ausgestellten Filmtiteln. Die meisten eilen ohne Zögern zu einer offenen Kabinentür. Sie drücken sich durch den schmalen Einlaß, verriegeln ihn hastig und zwängen sich auf den roten Plastikstuhl.
Da hocken sie nun wie im Kleiderschrank. Nein, eher wie in einem Schacht, der nach oben vergittert ist. Die Füße können sie nicht ausstrecken, mit den Ellbogen scheuern sie an der Wand. Unter dem Stuhl steht ein roter Mülleimer, darin zerknüllter Zellstoff. An der Türe eine Packung Kleenex. Im Rücken, über ihrem Kopf hängt ein Bildschirm. Sein Bild sehen sie im Spiegel an der Tür. Linker Hand die Tastatur eines Taschenrechners. Daneben ein Schlitz für Münzgeld. Sie verrenken sich, um den Geldbeutel hervorzukramen. Doch bevor sie das Geld einwerfen, ziehen sie ein Kleenex und öffnen ihren Hosenladen. Mit der freien Hand tippen sie sich von einem Film in den anderen. Vor und zurück. Bleiben hängen. Starren auf den Spiegel. Zögern. Sehen auf die springenden Ziffern über den Tasten. Sie zeigen die verbleibende Zeit. Ihre Bewegungen werden heftiger. Dann das Kleenex. Genug.
Auf dem Spiegel flimmert die Bedienungsanweisung. Sie lauschen in den Gang. Matt stehen sie auf. Zippen den Reißverschluß zu. Fliehen den Ort. Auf der Straße blicken sie ins Leere und drehen ihr Gesicht zur Hauswand.

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