Hajo - ein Mann von Welt

Manchmal kommt es anders als erwartet

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Hajo - ein Mann von Welt

Hajo - ein Mann von Welt

Jo Diarist

Es wird eine weitere Nacht mit wenig Schlaf. Nachhaltig beschäftigt mich das Erlebte. Lilly scheint es ebenso zu gehen, denn sie wälzt sich von einer Seite zur anderen.
Meine Gedanken kreisen um die Erlebnisse dieses Tages und um meine Sehnsüchte. Obwohl ich mir der Gefahren bewusst bin, die in dieser neuen Welt lauern, bin ich tief in meinem Inneren nicht bereit meine Begierden zu begraben. Der Verstand rät mir dazu, die Lust am Unbekannten hält das Zepter in der Hand.
Der erlösende Schlaf will nicht kommen und mehrfach erwäge ich aufzustehen und mich im Forum einzuloggen. Das Wissen, Lilly hat auch keinen Schlaf gefunden, hindert mich daran.
Frust kommt auf, denn der kommende Arbeitstag wird mich wieder sehr fordern. Der Morgen ist nicht mehr weit als sich meine Frau wieder einmal missmutig schnaufend von einer Seite auf die andere wirft.
Suchend schiebe ich meine Hand unter ihre Decke. Meine tastenden Finger finden ihre und wir falten die Hände ineinander. Als wäre damit ein Bann gebrochen, schlummern wir beide ein.
Unausgeschlafen und von wilden Träumen geplagt, weckt mich das Klingeln des Weckers. Mit müden Gesichtern sitzen wir am Frühstückstisch, als mein Handy eine SMS ankündigt.
Sie ist von Hajo:
„Moin. Mache mir Gedanken um euch. Hoffe es geht euch gut. Mein Angebot zum Reden besteht noch. Meldet euch doch wenn ihr mögt, Hajo.“
Der Mann wird mir immer sympathischer. Er denkt eben weiter. Ein großes Plus in meinen Augen.
Kurz überlege ich, finde aber Lilly sollte es wissen und zeige ihr die SMS.
Nachdenklich blickt sie mich nach dem Lesen an.
„Lass uns erst einmal sehen, ob wir es nicht auch selbst hinbekommen. Ich meine ohne Hilfe von außen“, sagt Lilly dann und wir vereinbaren, uns gleich am Abend wieder zusammenzusetzen.

Das machen wir auch, aber wir drehen uns im Kreis. Schuld daran ist vielleicht meine eigene Dummheit. Weil ich eine Stunde früher zu Hause bin als Lilly, habe ich nichts Besseres zu tun als mich im Forum einzuloggen und vom Erlebten zu schwärmen.
Es ist seltsam. Sobald ich mich im Thread mit den Gleichgesinnten austausche, sind alle Bedenken wie weggewischt. Stolz prahle ich mit dem Erfolg, meine Frau zum Blasen eines Fremdschwanzes gebracht zu haben und der Neid einiger anderer streichelt mein Ego.
Bilder habe ich diesmal nicht zu bieten, was vielfach bedauert wird. Auch gehen die Meinungen über den Ablauf auseinander. Einige finden es geil, dass ich aktiv beteiligt war. Andere meinen es wäre erregender gewesen nur als Zuschauer zu agieren und sich dabei selbst einen runterzuholen. Und dann sind da auch noch die, die gleich ein Bild von ihrem Pimmel reinsetzen und meinen, es wäre doch das Highlight für meine Frau diesen Schwanz zu verwöhnen.
Nichtsdestotrotz werde ich von fast allen darin bestärkt am dritten Wunsch dranzubleiben. Die vernünftigsten unter diesen Usern raten mir zur Geduld. Ich soll auf keinen Fall Druck ausüben, was ich sowieso nicht machen will.
Auf jeden Fall kommen wir an diesem und den nächsten Abenden zu keinem befriedigenden Ergebnis. Sex gibt es auch nicht, weil Lilly Angst hat sich wieder in irgendwelchen Fantasien zu verlieren.
Am Donnerstag entschließen wir uns Hajos Angebot anzunehmen und ich schreibe ihm eine entsprechende SMS. Obwohl es schon nach 23:00 Uhr ist, kommt umgehend eine Antwort:
„Bin noch auswärts und komme erst morgen Abend zurück. Ist Samstagabend ok? Ein neutraler Ort? Restaurant? Schreibt mir, ob das recht ist und ich reserviere was.“
Es ist uns recht! Vor allem Lilly ist sehr davon angetan, dass wir uns an einem öffentlichen Ort treffen. Wir sagen also zu und am nächsten Tag kommt von ihm die Bestätigung mit der Adresse eines sehr gehobenen Restaurants, was eigentlich nicht unserer Preisklasse entspricht. Trotzdem bestätigen wir und versuchen uns am Samstag, der Location entsprechend herzurichten.
Lilly sieht umwerfend aus in ihrem Abendkleid. Nur ihre offensichtliche Nervosität schmälert die glanzvolle Ausstrahlung ein wenig. Ich habe mir Kleidung aufgezwungen, die sonst nicht so mein Fall ist, aber bei einem Blick auf die Website des Restaurants, scheint es mir angebracht.
Ein bisschen vor der vereinbarten Zeit betreten wir die Lokal. Unsicher blicken wir uns um. Ein Kellner bemerkt es und steuert auf uns zu, doch zeitgleich mit ihm ist Hajo da und stellt uns als die erwarteten Gäste vor.
Nachdem er zuerst Lilly und dann mich herzlich begrüßt hat, führt er uns an einen Tisch, der in einem gewissen Abstand von den anderen in einer Nische steht.
Auf dem Weg dorthin ärgere ich mich unglaublich mich so in Schale geschmissen zu haben, denn Hajo ist völlig leger gekleidet. Ganz Gentleman nimmt uns Hajo die Jacken ab und hängt sie an eine in Sichtweite befindliche Garderobe.
Nachdem wir Platz genommen haben, macht er Lilly ein Kompliment und zeigt dann, welch guter Analyst er ist:
„Mach dir nichts draus Andree, als ich das erste Mal hier einkehrte, habe ich mich genauso verbogen, weil ich dachte es muss so sein. Inzwischen bin ich hier Stammgast und schere mich einen Dreck um die Meinung einiger anderer Gäste. Im Übrigen seid ihr eingeladen und ich dulde da keinen Widerspruch.“
Das war mir eigentlich nicht so recht, weil ich mich ungern einem anderen verpflichtet fühle, doch die Erklärung folgt auf dem Fuß:
„Das ist mein Wunsch weil ich dieses Lokal ausgewählt habe und sehr wohl weiß, dass es viele wegen den Preisen nicht wählen würden. Ich werde euch nachher noch einiges zu meiner Person erklären, doch jetzt sollten wir erst einmal die Speisekarte zur Hand nehmen.“
Lilly setzt sich neben mich und Hajo sitzt uns gegenüber. Natürlich tausche ich mich mit meiner Frau über das Angebot aus. Sie und auch ich suchen nach den Gerichten mit dem niedrigsten Preisen und erneut zeigt Hajo seinen Scharfsinn.
„Darf ich euch etwas empfehlen?“, fragt er mit einem Lächeln und wartet unsere Antwort gar nicht ab. „Wenn ihr Fisch mögt, empfehle ich euch das Zanderfilet. Wenn euch nach etwas Herzhaften ist, das Rinderfilet von heimischen Rindern. Das werde ich übrigens nehmen.“
Erneut hat er uns durchschaut und wir folgten seiner Empfehlung. Lilly bestellt den Fisch und ich das Rinderfilet.
Auch diesmal fällt es mir zu den Fahrer zu geben und so bestelle ich einen Weinschorle und will dann nur noch Alkoholfreies trinken. Für Lilly und sich hat Hajo einen offenen Wein gewählt.
Kaum hat uns der Kellner verlassen, blickt uns Hajo an und beginnt mit der angekündigten Offenbarung:
„Ich denke, es ist an der Zeit, dass ihr einiges über mich erfahrt. Ich bin jetzt achtundvierzig und seit fünf Jahren Witwer.“
Ein schmerzlicher Zug umspielt dabei seinen Mund, doch das währt nur kurz.
„Meine Frau ist leider einem Krebsleiden erlegen und es gibt vieles, was ich mir nicht verzeihen kann. Sie wollte immer die Welt erkunden und ich sah nur meinen Job und gab ihm den Vorrang. Als ich umschwenken wollte, war es bereits zu spät. Meine Frau hat mir das nie zum Vorwurf gemacht, meine Tochter schon. Sie hat deshalb alle Brücken abgebrochen und lebt jetzt in den Staaten.“
Achtundvierzig ist er, also drei Jahre älter als ich. Das hätte ich nicht gedacht. Er wirkt so energiegeladen, dass ich ihn eher ein bisschen jünger als ich es bin, einschätze. Aber er sprach schon weiter und ich schob meine Gedanken erst einmal hintenan.
„Ich habe nicht vor mich noch einmal fest zu binden. Sex mag ich allerdings sehr. Mit meiner Frau war er erfüllend und jetzt suche ich ihn bei lockeren Treffen.“
Als er den Sex anspricht, blickt sich Lilly verstohlen um, doch Hajo spricht leise und die anderen Tische sind weit genug entfernt. Hajo entgeht das nicht und ein Schmunzeln umspielt seine Lippen, als er fortfährt:
„Deshalb habe ich mich beim Joyclub angemeldet. Durch meine Tätigkeit bin ich viel unterwegs und konnte so einige interessante Treffen wahrnehmen. Vor einem halben Jahr habe ich dann über den Joyclub eine Frau hier ganz in der Nähe kennengelernt. Sie ist geschieden und seither treffe ich mich in unregelmäßigen Abständen, fast nur noch mit ihr. Eine feste Beziehung streben wir aber beide nicht an.“
Hajo überlegt kurz, reibt sich das Kinn und blickt erst Lilly dann mir fest in die Augen.
„Entschuldigt bitte wenn ich Klartext rede. Es scheint mir jedoch angebracht. Ich spüre das es euch in gewisser Weise belastet, weil ihr ein bisschen planlos in eine Welt hineinstolpert, die euch zum Verhängnis werden könnte.“
Wir fühlen uns beide ertappt und wechseln die Farbe.
Hajo zeigt erneut sein gewinnendes Lächeln und sagt:
„Ich sehe das nicht negativ. Ganz und gar nicht, aber wenn ihr es wollt, würde ich euch gerne mit meinen Erfahrungen zur Seite stehen, damit ihr eure Beziehung nicht gegen die Wand fahrt. In sie hineindrängen, werde ich mich auf keinen Fall, das gleich vorweg.“
Lilly trinkt vor Aufregung und Verlegenheit hastig ihr Glas aus. Hajo schenkt nach, merkt aber an:
„Der Wein hat es in sich und ich möchte gerne noch mehr mit euch bereden.“
Lilly versteht den Wink und senkt verschämt die Augen.
„Bitte nicht“, reagiert Hajo darauf. „Es war nicht böse gemeint. Ich habe euch zwei ins Herz geschlossen und da bin ich meist so direkt.“
Erneut reibt er sich das Kinn, bevor er fortfährt:
„Wenn ich mich nicht täusche, geht die Initiative von dir aus Andree?“, fragt er und blickt mich an.
Ich kann nur zustimmend nicken, weil er mich doch sehr verunsichert.
„Aber es steht kein Zwang oder Druck dahinter?“, fragt er weiter.
„Nein, von meiner Seite her geschieht alles freiwillig“, sieht Lilly sich genötigt klarzustellen.
Hajo sinnt ein Stück nach, bevor er fortfährt.
Dann analysiert er uns treffend. Bringt Lillys Ängste und Zweifel genauso auf den Punkt wie meine Verbohrtheit in die Wünsche.
Er erzählt uns von Clubbesuchen, bei denen er Erfahrungen machen konnte. Auch von Treffen mit Pärchen der unterschiedlichsten Art. Wurde der Mann von der Frau gedemütigt, brach er die Treffen ab. Genauso wie er immer versuchte den Mann einzubeziehen. Es sollte nie einseitig sein. Alle Beteiligten sollten gleichermaßen etwas davon haben.
Auslöser zu diesem Verhalten war ein erstes Treffen mit einem Paar, bei dem die Frau versuchte, ihn dazu zu bringen den Mann zu erniedrigen. Seither informiert er sich sorgfältig über die, mit denen er sich treffen will und seit er Peggy kennengelernt hat, trifft er sich nur noch ganz selten mit anderen.

Zwischenzeitlich kommt das sehr schmackhafte Essen, bei dem wir schweigen. Meine Gedanken wirbeln haltlos durcheinander. Hajo hat die Vernunftseite in mir bestärkt. Meine Sehnsüchte ganz aufzugeben, erlaubt die Geilheit jedoch nicht. Vor allem als Hajo noch ein paar Details von seinen Treffen preisgibt.
Nicht nur er, auch Lilly beobachtet mich. Der Wein macht sie wie immer locker und sie sagt an mich gewandt:
„Ich denke wenn du von deinen Begierden ablässt, nimmt unsere Beziehung genauso viel Schaden, wie wenn wir planlos hineinstolpern.“
Sie sieht danach Hajo an und sucht bei ihm die Bestätigung der Gedanken.
„Ihr kennt euch besser, aber was ich bisher bemerkt habe, deutet darauf hin“, meint er zustimmend.
„Mein Vorschlag war es langsam anzugehen und es erst einmal bei diesen ersten beiden Punkten seiner Sehnsüchte zu belassen. Sie weiter auszuleben, ja, doch den dritten Wunsch möchte ich noch nicht erfüllen. Denkst du, das wäre ein guter Weg?“, fragt Lilly Hajo.
„Den dritten Wunsch solltest du nur erfüllen, wenn du auch aus tiefsten Herzen dazu bereit bist. Da stimme ich dir zu, aber warum wollt ihr es auf diese drei Punkte eingrenzen? Es gibt noch so viele Spielarten, die ihr ausprobieren könnt und die können euch zwangloser Freude bereiten.“
„Was meinst du damit“, frage ich nach.
„Peggy ist Therapeutin. Auch in Sachen Sex. Das aber nicht offiziell. Sie bietet schöne Stunden an, um Pärchen zu entkrampfen. Auch mit weiteren Teilnehmern. Ich habe einmal bei einer solchen Sitzung mitgewirkt. Bei der nur die Frau von ihrem Mann und mir verwöhnt wurde. Peggy war dabei und hat der Frau Sicherheit gegeben. Aktiv war sie dabei nur wenig. Für das Pärchen war es ein tolles Erlebnis. So etwas könnte ich mir für euch zum Einstieg gut vorstellen.“
Ich blicke Lilly an und ohne Worte wissen wir beide, das wäre etwas, was uns gefallen könnte.
Lange währt unser Gedankenaustausch in dem auch Lilly aktiv einsteigt. Manchmal habe ich den Eindruck, ich bin bei einer Paartherapie. Hajo versteht es ausgezeichnet uns zu gegenseitigen Geständnissen zu bewegen und dies, ohne uns reinzureden. Er gibt nur Anstöße.
Zwischendurch erzählt er uns von sich. Wie schwer ihm die Zeit nach dem Tod seiner Frau war. Dass er anfänglich allen Lebensmut verloren hatte und erst als er sich auch wieder dem anderen Geschlecht näherte, Freude am Dasein fand. Fest Binden will er sich deshalb aber nicht mehr. Das ist sein persönlicher Dämon oder sein Trauma. Die Angst wieder Fehler zu machen und einem anderen Menschen etwas zu rauben oder zu verweigern. In mir kommt der Verdacht auf, dass er vielleicht deshalb so sensibel auf solche wie uns reagiert.

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