Es war dunkel auf Schloß Copperfield, dem Ausweichquartier der Zauberschule, die gerade renoviert, besser gesagt, umgebaut wurde. Bei der letzten Abschlußprüfung hatte sich ein mittlerweile exmatrikulierter Zauberschüler aus Irland, sein Name war Paul, mit einer Formel vertan. Eigentlich wollte Paul mit einem Zauberspruch die Wandtafel dazu bringen, sich selbst abzuwischen, hochzuschieben und zusammenzuklappen. Paul hatte dies als Folge seiner unzureichenden schulischen Leistungen allzuoft selbst machen müssen, und wollte, daß ihm die Wandtafel diese Arbeit in Zukunft abnimmt. Doch selbst beim Ersinnen eines vergleichsweise simplen Zauberspruchs versagte er wieder. Die Folgen waren verheerend. Er hatte bei der mündlichen Prüfung seinen Spruch noch nicht ganz fertig aufgesagt, da begann das alte Schulgebäude zum Leben zu erwachen. Die Tapeten rollten sich von den Wänden, die Türen hoben sich selber aus den Angeln und flogen durch die Fenster, die sich von allein geöffnet hatten, ins Freie. Sämtliche Schränke, Bilder, Tische, Stühle, auch die, auf denen noch jemand saß, taten es den Türen gleich, flogen also auch durch die Fenster davon. Kurz gesagt: Das Haus krempelte sich komplett selbst um. Als Paul seinen Zauberspruch, von dem er annahm, daß dieser damit nichts zu tun haben kann, zu Ende aufgesagt hatte, saß das Kellergeschoß auf der Spitze des Schulgebäudes, dessen Außenwände sich ins Gebäudeinnere zurückgezogen hatten und den Blick auf das freiliegende Treppenhaus freigaben, das nun nicht mehr benutzt werden konnte, da die Stufen alle nach unten zeigten, also auf dem Kopf standen. Besonders fatal war das für den Schuldirektor, der es nicht rechtzeitig geschafft hatte, das sich umkrempelnde Haus zu verlassen, und jetzt auf der Herrentoilette gefangen war, deren Tür sich nicht öffnen ließ, da sie von der Efeubewachsenen ehemaligen Südwand des Schulgebäudes daran gehindert wurde. So war das, kurz vor Beginn der Sommerferien vor mittlerweile drei Jahren. Harry mußte lächeln, als er an diesen unfreiwillig gigantischen Zaubertrick eines kleinen irren Iren namens Paul dachte. Harry selbst war damals erst ein halbes Jahr auf der Schule, konnte aber immerhin bei der damaligen Prüfung bereits mit einem Zauberspruch brillieren, der Wasser ganz schnell und ohne den Einsatz von Strom, Gas, Kohle oder Sonnenenergie von ganz allein zum Sieden brachte. Und jetzt saß Potter fast wie jeden Abend auf den Treppenstufen zum Nebeneingang von Schloß Copperfield, betrachtete die Sterne und dachte an die alten Zeiten zurück. Ganz leise, offensichtlich gewollt leise, näherten sich Schritte. Zielstrebig kamen sie Harrys Treppe immer näher. Hier schlenderte niemand, hier steuerte jemand ganz bewußt die Treppe an. Ein Jemand, den Harry nicht sehen konnte, weil sein Blick durch die großen Mauern am Rand der Treppe behindert wurde. Aber es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis er wußte, wer ihm einen Besuch abstatten wollte. Und dieser Jemand, dessen Schatten er bereits sehen konnte, war bestens darüber informiert, wer da auf der Treppe saß. "Na, du talentierter Zauberlehrling??" hörte Harry eine Mädchenstimme flüstern. Und eine Sekunde später stand das Mädchen zur Stimme direkt vor ihm und musterte ihn aus großen, dunklen Augen, die zusammen mit dem Lächeln etwas weiter unterhalb in ihrem Gesicht eine wunderschöne Kombination ergaben. Samantha, ein Mädchen aus der Parallelklasse, mit dem er hin und wieder mal einige Worte auf dem Flur gewechselt hatte. Sie setzte sich neben ihn. "Ist das nicht eine wundervolle Nacht?" Ganz nah hatte sich sich neben ihn gesetzt, so daß er, ohne direkten Kontakt zu ihrem Körper zu haben, ihre Wärme spüren konnte. "Sag mal, hockst Du eigentlich jeden Abend so ganz allein hier auf der Treppe? Ist das nicht langweilig?"
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.