Die Heelsfetischistin und das Albino-Nashorn

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Die Heelsfetischistin und das Albino-Nashorn

Die Heelsfetischistin und das Albino-Nashorn

HARO

Hedwig war fanatische Heelsträgerin, steinreich und obendrein Witwe. Wenn sie etwas wollte, dann nahm sie es sich. Gesetze und Moral waren keine Hinderungsgründe. Als sie vor Jahren beschlossen hatte, es sei nun an der Zeit, dass ihr Gemahl - der Baron und Bankier Friedrich Von Haxenkalb – das Zeitliche segne, verstrich nur wenig Zeit; und er segnete das Zeitliche. Von Haxenkalb lag eines Morgens - mit einem tiefen, sauberen Stich mitten durchs Herz niedergestreckt - in einer grossen Blutlache auf dem Chinaseiden-Teppich im Salon der Haxenkalb’schen Parkvilla. Das Dienstmädchen hatte ihn entdeckt. Hedwig war zur Tatzeit auf Einkaufstour durch die Modestädte Europas. Jedenfalls konnte sie das der Polizei glaubhaft machen, durch das Vorweisen Dutzender, extravaganter Highheels mit den entsprechend datierten Kassabons. Eine Tatwaffe wurde keine gefunden. Auch Gerichtsmedizin und Spurenlabor konnte sich auf keinen eindeutig zu bezeichnenden Gegenstand festlegen, womit der Baron ins Jenseits befördert worden war. Angenommen wurde, dass ein spitzer, dünner und langer Gegenstand, gezielt und mit erheblicher Kraft, in das Herz des Opfers gestossen worden war. Hedwig, die kinderlose, alternde Schönheit, spielte perfekt die trauernde Witwe. Sie war üppig gebaut und nun 400 oder 500 Millionen schwer. So genau wusste es sie selbst nicht einmal. Jedenfalls waren ihrem Heelsfetischismus alle Türen geöffnet und noch mehr. Sie setzte sich das absolut Einmaligste, Verrückteste und Abartigste in den Kopf: Zwanzig Paar Highheels mit Hacken vom Horn des einzigen weissen Nashorns der Welt. Der Albino-Bulle war die Attraktion im Zoo von Kualalumpur und eine Riesensensation. Hedwig wohnte auf der Schwäbischen Alp. Über Recherchen in einschlägigen Kreisen, die sie durch mehrere zwielichtige Detekteien hatte anstellen lassen, wurde ihr zugetragen, dass es einen Mann in Hongkong geben würde, der Fakir, welcher alles beschaffen könnte, was aus dem Zoo von Kualalumpur gewünscht würde. Desgleichen sollte es in Nairobi einen weiteren Mann geben, einen illegalen Elfenbeinschnitzer, der auf Wunsch und gegen entsprechende Entlöhnung auch Nashorn bearbeiten würde. Hedwig gelangte mit vielen Bündeln Banknoten schliesslich an die Adressen der beiden Männer. Zuerst reiste sie nach Nairobi, prüfte die Geschicklichkeit des Hornschnitzers und brachte ihre Wünsche an. Nach vielen im voraus bezahlten Banknotenbündeln willigte er ein, unverzüglich die kunstvollsten Heels zu schnitzen, sobald ihm das Horn des weissen Nashorns geliefert würde. Danach reiste Hedwig weiter zum Fakir nach Hongkong. Dieser war sehr schnell am Geschäft interessiert und aktivierte sofort seine konspirativen Zooverbindungen nach Kualalumpur. Hedwig hatte einen besonderen Wunsch: Sie wollte den Albino-Bullen mit dem von ihr fanatisch begehrten Horn selber erlegen. Dass liesse sich machen, koste aber extra, meinte der Fakir. Kein Problem für Hedwig. Sie reiste weiter nach Kualalumpur, orderte die teuerste Hotelsuite in Town und löste eine Karte für den Zoo. Mehrere Stunden sass sie auf einem mitgebrachten Klappsessel vor dem Gehege des Albino-Bullen und geilte sich an seinem Horn auf, das bald ihre Fersen stützen sollte. Am Abend fuhr sie im Taxi zurück in ihre Suite, liess sich in den Räumen ein üppiges Diner servieren und bestellte ein weiteres Taxi. Um Mitternacht wurde sie im Safarilook zum Zoo gefahren. Als sie dort eintraf, öffnete sich wie von Geisterhand das Hauptportal. Hedwig ging zum Gehege des Albino-Bullen, wo bereits ein Spezialgewehr mit Schalldämpfer und Infrarot-Zielfernrohr auf sie wartete. Mit dem Fakir hatte sie abgemacht, dass Spezialisten dem toten Bullen das Horn abnehmen und ihr am Morgen ins Hotel bringen würden. Der Bulle stand da, regungslos im Licht des Vollmondes. Sein Horn schien um vieles mächtiger als am Tag. Hedwig schob den Tropenhelm in den Nacken, hob das Gewehr an, presste den Schaft fest an die rechte Wange, zielte genau zwischen die Augen des Tieres, dessen magisches Horn fortan ihren Gang veredeln sollte. Sie spannte den Hahn, drückte ab, der Schalldämpfer gab ein ganz leises Blubb von sich... und dann wurde es taghell. Unzählige Scheinwerfer strahlten Hedwig an, Sirenen heulten los. Hedwig von der Schwäbischen Alp erstarrte. Das weisse Nashorn stand da wie zu vor, regungslos. Es war nur eine Attrappe. Man hatte sie aufgestellt, solange das richtige Albino-Nashorn in der Tierklink war. Seit dieser Nacht war es dort, weil mit seinem Horn etwas nicht stimmte. Es hatte sich am Ansatz entzündet. Damit die Zoobesucher nicht total enttäuscht waren, wurde das lebensgrosse Ebenbild dies sensationellen Tieres ins Gehege gestellt. Um einen Diebstahl der kostspieligen Attrappe zu verhindern, wurde sie mit einer Sicherheitsanlage ausgerüstet. Hedwigs Treffer aus dem schallgedämpften Gewehr hatte augenblicklich den Alarm ausgelöst. Das alles erfuhr die steinreiche Witwe bei der Einvernahme durch die Polizei. Sie war so platt, dass sie – ohne danach gefragt zu werden – auch noch den Mord an ihrem Gemahl, Friedrich Von Haxenkalb, gestand. Ihn hatte sie erstochen, mit einem Highheel, dessen Hacken sie aus dem Stahl von Napoleon Bonapartes letztem Säbel fertigen liess, den sie zu diesem Zweck aus einem Museum in Paris hatte stehlen lassen. Sie hatte damals bei der Polizei für die Tatzeit geschickt die Einkaufstour durch Europas Modestädte mit gefälschten Kassabons als Alibi vortäuschen können.

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