Hellhöriges im Hotel

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Hellhöriges im Hotel

Hellhöriges im Hotel

Susi M. Paul

»Paul, los, wach auf! Horch mal! Was ist denn das, wo kommt das her?«
Der faule Sack brauchte eine Ewigkeit, bis er sich aus der Sphäre seiner Träume in die Realität des Straßburger Hotelzimmers herab bequemt hatte.
»Warum nur hast du mich aufgeweckt. Ich hatte gerade eine Begegnung mit einem göttlichen Weib. Mit rotem, hochgeschlitztem Kleid. Woher wusstest du, dass ich den festen Entschluss gefasst hatte, dich mit ihr zu betrügen. Hat mich etwa mein dicker Steifer verraten, oder habe ich im Schlaf vor Lusterwartung gestöhnt? Keine Angst, für dich wäre bestimmt auch was abgefallen, meine Holde, irgendeine neue Technik, ein besonderer Schliff beim Lecken. Glaubst du nicht, dass die rotkleidig-geschlitzten Traumfrauen dafür wie geschaffen sind.«
»Red nicht so einen Blödsinn daher«, fuhr ich ihm unwirsch über den Mund, »Hör lieber zu, das scheint interessant zu sein. Ich versteh aber nichts.«
Die kleine, schnuckelige, gemütliche Absteige mit persönlicher Atmosphäre, die wir im Internet für ein paar Tage reserviert hatten, hatte sich, als wir spätabends angekommen waren, als kleine Absteige ohne zusätzliche Adjektive erwiesen. Nun, mitten in der Nacht, schien sie die wortschweifige Anzeige im Internet rechtfertigen zu wollen. Ich war gespannt, was das wändedurchdringende Geschrei auf Französisch zu bedeuten hatte.
»Du Schlampe«, erhob Paulchen leicht die Stimme. »Sage nicht ich, das sagt der Mann, der da aus unserem Badezimmer schreit. Ich schätze mal, das kommt aus dem Lüftungs- und Lichtschacht. Sollen wir rübergehen, damit wir nichts verpassen?«
Wach waren wir, das Gebrüll ließ uns sowieso nicht wieder einschlafen, da konnten wir uns auch unterhalten lassen. Während mein Schatzi übersetzte, krabbelten wir aus dem Bett und verlegten unser Hauptquartier in die Nasszelle. Paul setzte sich auf die Kloschüssel, ich auf seinen Schoß.
»Er wirft ihr vor, schon den ganzen Tag ohne Höschen rumgelaufen zu sein«, hielt mich mein persönlicher Dolmetscher auf dem Laufenden. Er hatte Leistungskurs in der Sprache unserer französischen Freunde gehabt. Ich Latein und Spanisch. Das hatte ich nun davon. Ich war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

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